Baku. Frankreich hat den Siegeszug von Deutschlands dezimierter Herren-Mannschaft bei den European Games gestoppt. Im Halbfinale ohne den Magen-Darm-erkrankt ausgefallenen Timo Boll mussten sich Dimitrij Ovtcharov und Patrick Baum dem Vierten der Europarangliste mit 2:3 geschlagen geben. Matchwinner für Frankreich war Emmanuel Lebesson, der nach zwei kampflosen Boll-Punkten für sein Team, Ovtcharov bezwingen konnte.
„Alle Partien waren knapp. Die Franzosen haben hier ein super Spiel gemacht“, lobte Bundestrainer Jörg Roßkopf die Gegner. „Mit einem Rückstand von 0:2 in ein Spiel zu gehen, ist schwierig. Für uns ist die Niederlage aber kein Beinbruch, denn es gibt wichtigere Turniere für unsere Mannschaft. Hier gibt es wie in Rio eine fragwürdige Ersatzregelung, die nicht von Spielern oder Trainern gemacht wurde.“ Jede Mannschaft müsse mit dem Verletzungsrisiko leben. „Uns hat es diesmal getroffen, und das müssen wir akzeptieren. In diesem Turnier hatten wir Pech. Ich hoffe, dass wir 2016 das Turnier in Rio unverletzt zu Ende spielen können.“ Bei den Europaspielen sind Ersatzleute im Team-Wettbewerb nicht vorgesehen. Bei Olympischen Spielen gibt es einen vierten Mann, der allerdings nur - und dann bis zum Turnierende – einspringen kann, wenn sein Einsatz Stunden vor Beginn einer Partie angemeldet wird. Keine Lösung für kurzfristige Ausfälle. „Ich würde gerne mal sehen, wie Handballer ein komplettes Turnier mit nur sieben Spielern bestreiten“, verglich der fünffache Olympia-Teilnehmer und zweifache Medaillengewinner sarkastisch.
Seine Spieler sind mit Hypothek des automatischen 0:2-Rückstandes gut umgegangen, befand der Coach. „Es waren für uns heute sechs Endspiele, bei denen wir eine 5:1-Bilanz erzielt haben. Bei einer normalen Konstellation hätte das wohl zum Final-Einzug gereicht“, führte er aus.
Die Chance auf ein 3:1 war auch gegen Frankreich da.
Denn zunächst hatte es gut ausgesehen für das deutsche Duo. Trotz eines Satzgewinns für Adrien Mattenet war Dimitrij Ovtcharov im Auftakteinzel nicht aufzuhalten, machte kurzen Prozess vor allem in den ersten beiden Durchgängen und behielt nach verlorenem dritten Satz im vierten erneut die Oberhand. Patrick Baum bewies im Anschluss starke Nerven, verwandelte gegen den 20-jährigen Simon Gauzy als Spitzenspieler des Nachbarlandes einen 0:4-Rückstand in Satz drei noch in einen Sieg und machte es im Entscheidungsdurchgang ähnlich. Der WM-Viertelfinalist von 2013 punktete viermal hintereinander beim Stand von 5:7 und hielt Deutschland nach dem 11:9 im Rennen. Baum überzeugte vor allem im Aufschlag-Rückschlag-Bereich und bei den Vorhand-Rallyes. „Gegen Gauzy hatte ich vorher nur einmal gespielt und da verloren. Es ist mir gelungen, eine sehr gute Leistung gegen ihn abzurufen“, sagte Baum, der nach langer Wettkampfpause langsam an alte Leistungen anknüpft. „Schade, dass wir verloren haben.“
Denn nach ihm trumpfte Emmanuel Lebesson ein zweites Mal an diesem Tag groß auf. Im Viertelfinale am Vormittag hatte er bereits Ex-Europameister Vladimir Samsonov aus Weißrussland bezwungen und kontrollierte auch die Ovtcharov-Partie mit schnellen Beinen und sicheren harten Vorhand-Topspins über weite Strecken. Mit einer 2:0-Satzführung im Rücken und 3:0 im Dritten befand sich der Linkshänder bereits auf der Siegerstraße, ehe Ovtcharov nach einem Time-out das Blatt wenden konnte, aber nur einen Satz lang. Durchgang vier verbuchte Lebesson mit 11:9 für sich und sicherte seiner Equipe Tricolore die Final-Teilnahme.
Dimitrij Ovtcharov wollte seine Rückenprobleme nicht als Erklärung anführen. „Ich würde eine Verletzung nie als Ausrede für meine Leistung nehmen“, erklärte er. „Mein Rücken war heute schon deutlich besser als gestern, wenn auch noch nicht gut. Ich hoffe, dass ich das Turnier durchziehen kann und freue mich danach auf den verdienten Urlaub.“
Am Montag um 17 Uhr deutscher Zeit spielt Frankreich gegen Europameister Portugal. Deutschland trifft um 14 Uhr im Bronze-Match auf Österreich, das Portugal mit 1:3 unterlag.
Herren-Mannschaft, Sonntag
Halbfinale
Deutschland - Frankreich 2:3
Dimitrij Ovtcharov - Adrien Mattenet 3:1 (5,3,-9,9)
Patrick Baum - Simon Gauzy 3:2 (8,-3,9,-9,9)
Baum/Timo Boll - Emmanuel Lebesson/N.N. (0:3 Wertung)*
Ovtcharov - Lebesson 1:3 (-5,-9,8,-9)
Boll - N.N. (0:3 Wertung)*
*Timo Boll kann wegen einer Magen-Darm-Verstimmung nicht antreten. Das Reglement lässt den Einsatz eines Ersatzspielers nicht zu.
Österreich - Portugal 1:3
Robert Gardos - Tiago Apolonia 2:3 (6,-10,-9,8,-3)
Stefan Fegerl - Marcos Freitas 3:2 (-8,3,-7,9,14)
Daniel Habesohn/Gardos - Joao Geraldo/Tiago Apolonia 1:3 (-9,-8,5,-8)
Fegerl - Geraldo (6,-7,9,-5,-4))
Viertelfinale
Deutschland - Schweden 3:2
Deutschland: Dimitrij Ovtcharov (Weltrangliste: 6), <strike>Timo Boll (7)</strike>, Patrick Baum (21)
Schweden: Kristian Karlsson (51), Pär Gerell (77), Jon Persson (81)
Dimitrij Ovtcharov - Pär Gerell 3:2 (-5,6,8,-9,6)
Patrick Baum - Kristian Karlsson 3:1 (-12,7,8,9)
Baum/Boll - Gerell/Jon Persson 0:3 kampflos
Boll - Karlsson 0:3 kampflos
Ovtcharov - Jon Persson 3:1 (9,-11,11,8)
Frankreich – Weißrussland 3:0
Österreich – Russland 3:0
Polen – Portugal 3:0
Die Medaillen-Entscheidungen am Montag
14 Uhr: Spiel um Bronze, Deutschland - Österreich
17 Uhr: Finale, Portugal - Frankreich
Damen-Mannschaft, Sonntag
Halbfinale um 13.30 Uhr
Deutschland - Tschechien 3:0
Han Ying - Iveta Vacenovska 3:1 (-7,7,3,3)
Petrissa Solja - Renata Strbkova 3:0 (6,10,7)
Shan Xiaona/Solja - Hana Matelova/Vacenovska 3:0 (12,9,8)
Niederlande - Ukraine 3:2
Li Jiao - Margaryta Pesotska 3:2 (-9,10,8,-7,9)
Li Jie - Tetyana Bilenko 3:0 (7,9,9)
Britt Eerland/Li Jiao - Bilenko/Ganna Gaponova 2:3 (9,-7,-5,9,-9)
Eerland - Pesotska 2:3 (-7,10,-7,12,-8)
Li Jie - Gaponova 3:0 (7,1,8)
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So funktioniert das Olympia-System der Team-Wettbewerbe
Viertelfinale
Deutschland - Russland 3:0
Han Ying - Yana Noskova 3:1 (4,-6,7,1)
Petrissa Solja - Polina Mikhailova 3:1 (3,7,-9,7)
Doppel: Shan Xiaona/Solja - Noskova/Anna Tikhomirova 3:0 (6,7,7)
Deutschland: Han Ying (Weltrangliste: 10), Petrissa Solja (24), Shan Xiaona (29)
Russland: Polina Mikhailova (70), Yana Noskova (84), Anna Tikhomirova (85)
Frankreich - Tschechien 1:3
Ukraine - Schweden 3:0
Polen - Niederlande 2:3
Die Medaillen-Entscheidungen am Montag
6.30 Uhr: Damen-Mannschaft, Spiel um Bronze
9.30 Uhr: Damen-Mannschaft, Finale
Rückblick Mannschaft
Samstag, Achtelfinals
Damen, Deutschland – Ungarn 3:0
Shan Xiaona - Dora Madarasz 3:1 (6,5,-12,7)
Han Ying - Georgina Pota 3:0 (4,2,5)
Shan/Petrissa Solja - Madarasz/Szandra Pergel 3:1 (-7,4,8,11)
Portugal – Russland 1:3
Frankreich – Aserbaidschan 3:0
Tschechien – Österreich 3:1
Ukraine – Weißrussland 3:1
Schweden – Rumänien 3:1
Polen – Luxemburg 3:1
Niederlande – Serbien 3:0
Herren, Deutschland – Spanien 3:0
Timo Boll - Alvaro Robles 3:0 (2,8,5)
Dimitrij Ovtcharov - Carlos Machado 3:1 (5,17,-4,6)
Patrick Baum/Dimitrij Ovtcharov - Marc Duran/Alvaro Robles 3:1 (-7,4,11,6)
Ukraine – Schweden 0:3
Weißrussland – Tschechien 3:2
Griechenland – Frankreich 1:3
Österreich – Kroatien 3:0
Ungarn – Russland 0:3
Polen – Aserbaidschan 3:0
Portugal – Rumänien 3:1
Der weitere Zeitplan der European Games
Alle Angaben sind in deutscher Zeit. Aserbaidschan ist Mitteleuropa drei Stunden voraus.
Dienstag, 16. Juni (wegen der hohen Setzpositionen ohne deutsche Beteiligung)
8 Uhr: Damen-Einzel, 1. Runde (Gesetzte 17-32 gegen Gesetzte 33-48)
14 Uhr: Herren-Einzel, 1. Runde (Gesetzte 17-32 gegen Gesetzte 33-48)
Mittwoch, 17. Juni
8 Uhr: Damen-Einzel, 2. Runde (beste 32)
14 Uhr: Herren-Einzel, 2. Runde (beste 32)
Donnerstag, 18. Juni
8 Uhr: Damen-Einzel, Achtelfinale
10 Uhr: Herren-Einzel, Achtelfinale
14 Uhr: Damen-Einzel, Viertelfinale
16 Uhr: Herren-Einzel, Viertelfinale
Freitag, 19. Juni
8 Uhr: Damen-Einzel, Halbfinale
10 Uhr: Herren-Einzel, Halbfinale
13.30 Uhr: Damen-Einzel, Finale und Spiel um Bronze
16 Uhr: Herren-Einzel, Finale und Spiel um Bronze
Das deutsche Aufgebot in Baku
Herren-Mannschaft: Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll, Patrick Baum
Herren-Einzel: Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll
Damen-Mannschaft: Han Ying, Petrissa Solja, Shan Xiaona
Damen-Einzel: Han Ying, Petrissa Solja
Betreuer: Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf und Assistent Zhu Xiaoyong, Damen-Bundestrainerin Jie Schöpp, Teilmannschaftsleiter Rainer Kruschel, Dr. Rainer Eckhardt (Mannschaftsarzt, Ulm), Annette Zischka (Physiotherapeutin Olympiastützpunkt Hessen in Frankfurt am Main)
Für das ETTU-Präsidium vor Ort: Heike Ahlert (DTTB-Vizepräsidentin Leistungssport)
Deutsches Schiedsrichter-Team in Baku: Michael Zwipp (Oberschiedsrichter, Langen), Gerhard Schnabel (Schläger-Tester, Karlsfeld), Gert Selig (Hannover), Klaus Seipold (Meerbusch)