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Absolvierte Ende 2013 ihr erstes Länderspiel für Deutschland und führte ihr Team zum EM-Titel: Han Ying (Foto: ms)

Baku-Tagebuch, Seite 1: Han Ying

Aufgezeichnet von SH 12.06.2015

Baku. Für Han Ying ist Baku eine kleine Generalprobe für ihr großes Ziel: die Olympischen Spiele 2016 in Rio. Mehr noch, bei den European Games kann sich die Weltranglistenzehnte durch einen Sieg im Einzel-Wettbewerb das Direkt-Ticket für Brasilien erspielen. Als Topgesetzte trägt sie die Favoritenbürde, doch Druck tue ihr gut, sagt sie. Im Tagebuch, in dem täglich ein anderes Mitglied der deutschen Delegation zu Wort kommt, erzählt Deutschlands und Europas Nummer eins, warum sie Hörbücher zum Einschlafen findet und warum sie seit einiger Zeit versucht, sich Aberglauben weitgehend abzugewöhnen.

Han Yings Tagebuch-Eintrag:

"Auf dem Hinflug lief alles glatt: Der Flug von Frankfurt hatte keine Verspätung, die Maschine war voll, aber trotzdem war es angenehm. Unser Gepäck war schnell da, und die Akkreditierung am Flughafen hat nur zwei Minuten gedauert. Von dort ging es in ungefähr 20 Minuten mit dem Shuttle-Bus ins Athletendorf. Dort wohnen wir in einer 3er-WG: 'Nana' (Anmerkung: Shan Xiaona) und Peti (Petrissa Solja) teilen sich ein Zimmer, Jie und ich haben jeweils ein Einzelzimmer. Vier Frauen, drei Bäder – das ist nicht schlimm, da gibt es morgens keinen Stau.

Gutes Zeichen: Schon am Ankunftstag von Tischtennis geträumt

Ich war noch nie bei einer so großen Veranstaltung wie dieser. Seit gestern bin ich schon etwas aufgeregt. Das hatte ich eigentlich erst für morgen erwartet, wenn der Wettbewerb beginnt. Ich habe letzte Nacht sogar schon von Tischtennis geträumt. Das passiert mir immer vor wichtigen Spielen oder Turnieren. Ich mache mir viele Gedanken, und dann träume ich davon. An meine Gegnerin kann ich mich am anderen Tag nie erinnern, nur dass ich gespielt habe. Das nehme ich als gutes Zeichen, weil es mir so oft passiert.

Früher abergläubisch, heute weniger Stress

Apropos gutes Zeichen: Früher war ich viel abergläubischer. Das versuche ich mir abzugewöhnen. Ich habe mir zum Beispiel auch jetzt wieder nicht die Fingernägel lackiert. Oder eine Zeitlang habe ich in den Satzpausen nie eine Banane gegessen. Ich habe das mal beobachtet: Von den chinesischen Topspielern isst keiner Bananen. Die sind übrigens noch abergläubischer. Ich esse inzwischen immer mal wieder ein Stück, wenn mir danach ist.

Eine Gewohnheit kann dir ein Gefühl der Sicherheit geben. Manchmal macht sie dir aber – ganz im Gegenteil – zu viel Stress, und deshalb will ich das so weit wie möglich ablegen. Ich hatte lange Zeit ein Armband als Glücksbringer um. Bei den Korea Open im vergangenen Jahr hatte ich es im Halbfinale und Finale im Hotel vergessen. Von der Halle hätte es mit dem Bus 40 Minuten gedauert, viel zu lange. Gewonnen habe ich das Turnier trotzdem, ganz ohne Armband. Man muss es so sehen: Wenn ich gewinne, gewinne ich selbst. Wenn ich verliere, verliere ich selbst.

Zweimal Training am Donnerstag

Wir haben am Donnerstag zweimal trainiert, erst eine Stunde in der Haupthalle – da war Jie mit mir am Balleimer, dann anderthalb Stunden in einer Trainingshalle, die nur 15 Minuten vom Athletendorf entfernt liegt. Da habe ich mit 'Nana' gespielt. Danach waren wir zusammen im Athletendorf essen. Das Essen ist ganz okay – europäisch, asiatisch und Spezialitäten aus Aserbaidschan. Es gibt fast rund um die Uhr etwas. Die genauen Öffnungszeiten des Restaurants weiß ich gar nicht, nachts gehen wir schließlich nicht essen. Normalerweise jedenfalls nicht.

Hörbuch zum Einschlafen

Zu Hause gehe ich meist spätestens gegen elf, Viertel nach elf ins Bett. Zum Einschlafen abends habe ich in Baku ein Hörbuch dabei. Es ist eine chinesische Comedy, so eine Art 'Ladykracher'. Einige Sachen darauf habe ich schon so oft gehört, dass ich nicht mehr so darüber lachen muss wie beim ersten Mal. Vorm Einschlafen höre ich ohnehin nicht so genau zu. Es beruhigt mich einfach, wenn mir jemand etwas erzählt.

Wegen der Zeitverschiebung von drei Stunden hier war ich gestern bis Mitternacht wach, und dann habe ich bis neun Uhr heute Morgen durchgeschlafen. Ich weiß nicht, wer unsere Nachbarn sind, aber eines weiß ich: Sie sind zum Glück ruhig. Und wenn das Fenster zu ist, hört man gar nichts in meinem Zimmer. Heute Morgen habe ich noch mal 40 Minuten im Bus auf dem Weg zur Halle geschlafen. Der Jetlag ist also kein Problem. Morgen kann es losgehen."

 

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