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Der Firmenname musste an ihren Schuhen immer überklebt werden: Shan Xiaona (Foto: SH)

Baku-Tagebuch, Seite 3: Shan Xiaona

Aufgezeichnet von SH 16.06.2015

Baku. Auf Seite drei des Baku-Tagebuchs des deutschen Teams gewährt Team-Goldmedaillengewinnerin Shan Xiaona einen Einblick in ihre Sporttasche, beschreibt die strengen Werbevorschriften bei den European Games und erklärt, warum sie bei der EM mal eine Woche lang der „Idiot“ war.

Shan Xiaona: „Bei den European Games ist alles ein bisschen anders, als ich es sonst kenne. Das fängt schon bei den praktischen Dingen an. Sonst habe ich bei den Turnieren in der Halle immer nur einen kleinen Rollkoffer dabei. Hier muss ich eine große, schwere Tasche schleppen. Das liegt unter anderem daran, dass wir viele verschiedene Kleidungsstücke dabei haben müssen. Neben unseren Tischtennissachen auch die Einkleidung der deutschen Olympiamannschaft. Hinzu kommt noch, dass es drinnen kühl und draußen tierisch warm ist, also musst du lange und kurze Sachen dabei haben.

Außerdem hatte ich hier zur Sicherheit für jedes Match extra viele Trikots in der Tasche. Bestimmt sieben oder acht für Training und Spiel. Die Werbevorschriften sind streng. Wenn wir am Tisch stehen, sind die Butterfly-Logos nur auf Trikot und Rock erlaubt. Auf den Schuhen müssen wir sie abkleben. Auf den Socken müssten wir das auch, aber ich habe mich entschieden, sie einfach oben umzuklappen. Das ist ebenfalls erlaubt. Kürzere Socken gefallen mir sogar besser, deshalb ist das gar nicht so schlecht. Bei Olympia soll das alles übrigens noch strenger sein. Nervös gemacht hat mich diese Prozedur vor dem Spiel zum Glück nicht, aber ein komisches Gefühl war das schon. Ich habe mich sehr darüber gewundert.

Abwechselnd Dienst an der Videokamera

Anders als bei Europameisterschaften kümmern wir Spielerinnen uns hier auch um die Videokamera, mit der wir all unsere Spiele aufzeichnen, um sie nachher analysieren zu können. Bei der EM macht das unser Co-Trainer Wan Guohui. Weil er während der European Games aber zu Hause im DTTZ die Trainingsgruppe leitet, hat uns Jie gebeten, in Baku diesen Job zu übernehmen. Peti, Ying und ich wechseln uns dabei ab. Wir müssen dafür sorgen, dass die Akkus aufgeladen sind und die Karten genug Speicherplatz haben.

An den Abenden haben wir immer Videos analysiert und Taktik und Aufstellung für den nächsten Tag besprochen. Wir sind auch unsere Bilanzen gegen die Gegnerinnen durchgegangen. In der Regel teilt uns Jie dann ihre Vorstellung von der Aufstellung mit, und wir sagen unsere Meinung dazu. Im Zweifel hätte sie natürlich das letzte Wort. Wie die Goldmedaille zeigt, haben wir in Baku alles richtig gemacht.

Durchwachte Nacht im Doppelzimmer

Die ersten Tage waren richtig schwer für mich. Ich war so nervös. Vor dem Ungarn-Spiel zum Beispiel habe ich total schlecht geschlafen. Peti und ich teilen uns ein Zimmer im Athletendorf, das haben wir schon bei vielen Turnieren gemacht. Sie hat um halb eins nachts geschlafen, ich nur von halb drei bis halb sechs. Meine Augen waren zwar zu, aber mein Kopf hat einfach weiter gearbeitet. Das ist der Nachteil am Doppelzimmer. Ich hätte sonst lesen oder ein Video zur Entspannung gucken können. Aber weil ich sie nicht wecken wollte, konnte ich nur im Bett liegen und darauf warten, dass ich endlich einschlafe.

Glücksbringer: Alle auswechselbar bis auf einen

Glücksbringer sind für mich ein großes Thema. Ich habe mehrere. Mein Glücks-Handtuch ist immer mit dabei. Weil wir wegen der Werbevorschriften hier nur die weißen Handtücher benutzen dürfen, die von der Halle gestellt werden, lasse ich mein Glücks-Handtuch in der Tasche. Hauptsache, es ist dabei und in meiner Nähe. Wenn ich mit diesem Handtuch mal verliere, nehme ich einfach das nächste. Auch meine Halskette soll mir Glück bringen. Damit ist es wie mit dem Handtuch. Wenn ich mit einer Kette verliere, trage ich beim nächsten Mal eine andere. Nur mein Armband, das darf immer bleiben. Das trage ich am linken Handgelenk, und es ist nicht gerade leicht. Es hat ein ziemliches Gewicht. Würde ich das plötzlich ablegen, könnte ich beim Aufschlag keinen Ball mehr gerade nach oben werfen, so sehr habe ich mich daran gewöhnt.

Ihr Baku-Stofftier hat Shan von Teamkollegin Kristin Silbereisen (Foto: SH)EM: „250“ = „Idiot“

Was Zahlen betrifft bin ich weniger abergläubisch. Die sind mir eigentlich egal. Nur bei den Europameisterschaften habe ich mich ziemlich geärgert. Da hatte ich die Startnummer 250 auf dem Rücken. Im Chinesischen steht die 250 für „Idiot“. Vergleichbar ist das im Deutschen etwa damit, dass man hier ja auch jemanden als „komplette Null“ beschimpfen kann. Tja, da war ich also für eine Woche der „Idiot“ bei der EM und konnte nichts dagegen tun.

Mit Monchhichis zu Mannschaftsgold

Hier in Baku haben Ying, Peti und ich alle drei Monchhichis als zusätzliche Glücksbringer dabei. Jie hatte keinen, also haben wir ihr etwas anderes als Anhänger für die Tasche besorgt. Hat doch alles funktioniert. Schließlich haben wir Gold gewonnen."

 

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