„Oh wie ist das schön“, schallte es aus den Lautsprechern der Düsseldorfer Messehalle 6. Und das nicht ohne Grund: Soeben hatte Timo Boll bei den LIEBHERR Weltmeisterschaften das Achtelfinale gegen Marcos Freitas aus Portugal mit 5:11, 11:7, 15:13, 11:9 und 11:6 gewonnen. Der Einzug in die Runde der letzten Acht und damit das Aufeinandertreffen mit dem Weltranglistenersten Ma Long (China) am Sonntag um 15 Uhr ist damit perfekt. Die Begegnung wird ab 15.30 Uhr live in der ARD-Sportschau übertragen. Dimitrij Ovtcharov hat zuvor ab 11 Uhr gegen Koki Niwa (Japan) ebenfalls noch die Möglichkeit, mit einem Sieg das Viertelfinale zu erreichen. Ruwen Filus schied dagegen unter den letzten 16 gegen Fan Zhendong aus China aus.
Boll lässt sich von La-Ola-Welle in das Viertelfinale tragen
„Die Begegnung stand auf des Messers Schneide“, sagte Boll direkt nach der Partie. „Ich hätte das Match genauso gut auch mit 1:4 verlieren können.“ Der 36-Jährige hatte einige Probleme, zu seinem Spiel zu finden und verlor den ersten Durchgang mit 5:11. Nach dem Satzausgleich (11:7) war der gewonnene dritte Abschnitt mit 15:13, zuvor hatte der Deutsche insgesamt vier Satzbälle liegen gelassen, vorentscheidend für den Gesamterfolg. Zwar machte es Timo Boll im vierten Durchgang trotz einer 7:1-Führung ebenfalls noch spannend, doch beim Stand von 9:9 behielt der Weltranglistenachte die Nerven und entschied die beiden letzten Ballwechsel für sich. Der fünfte Satz ging deutlich an den Deutschen. Die 8000 Zuschauer in der ausverkauften Messehalle waren aus dem Häuschen. „Ich habe noch nichts gewonnen“, stellte Boll im Live-Interview vor seinen Fans klar. „Aber es fühlt sich gut an.“
Bundestrainer Jörg Roßkopf sah seinen Schützling zu Beginn der Partie noch nicht bei 100 Prozent. Das änderte sich im Laufe des Spiels. „Timo war nah an seiner Bestform. Die Zuschauer haben tolle Ballwechsel gesehen.“ Der Bundesligaspieler von Borussia Düsseldorf gab ehrlich zu, „am Anfang keinen Rhythmus gefunden zu haben. Ich konnte aufgrund der Aufschläge von Marcos keine kurzen Rückschläge spielen.“ Umso erleichterter war Timo Boll, als der 4:1-Sieg eingetütet war. „Ich habe meine Setzung erreicht. Das gibt Selbstzufriedenheit.“
Roßkopf: „Timo soll das Viertelfinale genießen“
Marcos Freitas zeigte sich nach seinem Ausscheiden als fairer Verlierer. „Ich hatte, besonders im dritten und vierten Satz, meine Chancen. Leider konnte ich diese nicht nutzen“, sagte der Portugiese und bezeichnete das Duell als „kampfbetonten Spiel. Timo war im offenen Spiel stark und hat einige für mich, besonders mit der Vorhand, unerwartete Bälle gespielt.“ Das Resultat bezeichnete die Nummer 16 der Welt als „verdient. Timo war heute der bessere Spieler.“
Ein Sieg ist der Deutsche damit nur noch von einer WM-Einzelmedaille entfernt. Vor sechs Jahren gewann Boll in Rotterdam Bronze. Gegen eine Wiederholung dieses Erfolgs hätten seine Fans nichts, doch der deutsche Rekordmeister weiß ganz genau, wie schwer die morgige Aufgabe gegen seinen Doppelpartner Ma Long wird. „Ich muss sehr variabel spielen und ein hohes Risiko gehen. Es hat alles zu stimmen, um gegen ihn eine Chance haben zu wollen.“ Timo Boll geht nicht davon aus, dass sich der Weltranglistenerste von der heute Abend hervorragenden Stimmung, die La-Ola-Welle schwappte mehrfach durch die Messehalle, beeindrucken lässt. „Er ist abgezockt. Das stört ihn normalerweise nicht.“ Jörg Roßkopf freut sich auf das Duell morgen Nachmittag. „Timo ist Außenseiter. Es wird ein sehr schweres Spiel.“ Der Doppel-Weltmeister von 1989 werde seinem Schützling am Abend noch einmal sagen, „dass er dieses Viertelfinale bei der Heim-WM genießen soll“.
Filus liefert dem Weltranglistenzweiten Fan Zhendong ein tolles Match
Er genoss sichtlich die Begeisterung der Fans: Ruwen Filus hatte zwar soeben das Achtelfinale gegen Fan Zhendong (China) mit 11:13, 13:11, 7:11, 3:11, 11:9 und 3:11 verloren, doch bei dem Abwehrspieler war keinerlei Enttäuschung zu spüren. Der 29-Jährige bedankte sich für die lautstarke Unterstützung mit einer herausragenden Vorstellung. „Das war ein gutes Spiel – die Zuschauer und Ruwen selbst hatten ihren Spaß“, sagte Jörg Roßkopf, der nach dem verlorenen Match seines Schützlings aufstand und Applaus spendete. „Fan Zhendong, der sehr variabel spielte, musste alles zeigen, um eine Runde weiter zu kommen.“
Der Doppel-Weltmeister von 1989 kam in seiner Analyse zu dem Ergebnis, „dass der Gewinn des ersten Durchgangs sehr wichtig gewesen wäre“. Beim Stand von 11:10 hatte Filus einen Satzball, verlor allerdings die nächsten drei Ballwechsel. „Wenn ich eine Chance hätte haben wollen“, merkte der Bundesligaspieler aus Fulda nachher an, „hätte ich mit 1:0 in Führung gehen müssen“. Dem Defensivspezialisten gelang zwar mit seinem siebten verwandelten Satzball der anschließende 1:1-Ausgleich, doch in der Folgezeit stellte der Weltranglistenzweite aus dem Reich der Mitte seine Taktik um. „Fan Zhendong spielte am Ende druckvoller und platzierte besser. Mir sind außerdem ein paar leichte Fehler unterlaufen.“ Roßkopf analysierte nach der Begegnung, „dass Fan mit der Grundtechnik nach dem zweiten Satz nicht mehr klar kam. Das war eigentlich ein gutes Zeichen.“ Für eine Sensation reichte es trotzdem nicht. „Ein, zwei Bälle platzierte Ruwen pro Satz nicht ganz so gut“, beobachtete Roßkopf.
Auch 20 Minuten nach dem letzten Ballwechsel hatte Ruwen Filus beim Interview-Marathon in der Mixed-Zone das Grinsen noch nicht verloren. „Es hat Spaß gemacht. Ich habe gute Bälle getroffen und war fast auf Augenhöhe“, sagte der 29-Jährige. „Das macht mich schon stolz, zu den Top 16 der Welt zu gehören.“ Außerdem habe die Partie gezeigt, „dass die Chinesen doch nicht so weit weg sind, wie alle sagen“. Das Erreichen des Achtelfinals wird sich für den Deutschen auch in der Juli-Weltrangliste widerspiegeln. „Ich habe schon einmal gerechnet. Unter den Top 30 werde ich auf jeden Fall landen. Das ist meine bislang beste Platzierung überhaupt.“ Aktuell nimmt Filus Rang 32 ein.
Herren-Einzel, Achtelfinale
Sonntag 11.00, Tisch 1: Dimitrij Ovtcharov GER - Koki Niwa JPN
Herren-Einzel, Viertelfinale
Sonntag 15.00, Tisch 1: Timo Boll GER - Ma Long CHN
Herren-Einzel, Achtelfinale
Timo Boll GER - Marcos Freitas POR 4:1 (-5,7,13,9,6)
Ruwen Filus GER - Fan Zhendong CHN 2:4 (-11,11,-7,-3,9,-3)