Höchst/Düsseldorf. Timo Boll hat seinen TBW-Live-Talk (TBW steht für Timo Boll Webcoach) gestartet, Patrick Franziska hat zusammen mit seinem schwedischen Kumpel Kristian Karlsson für eine halbe Stunde den Instagram-Kanal der ITTF übernommen. Den Profis fehlt neben intensivem Training und Wettkämpfen auch der tägliche Austausch mit ihren Nationalteamkollegen sowie ausländischen Trainingspartnern und Gegnern in der Zeit des Kontaktbeschränkung. So bekommen durch den Boll-Talk und dem Instagram-Plausch die Fans ein paar Einblicke mehr als sonst in Lebens- und Denkweisen der Asse mit interessanten Details.
Boll etwa hat mit seinem Langzeittrainer Helmut Hampl seine Karriere nachgezeichnet. Seitdem Boll acht Jahre alt ist, ist Hampl einer der Experten an seiner Seite, „und du ziehst mir immer noch die Ohren lang“, beschreibt Boll in der Einführung seinen Mentor. „Ohne dich wäre ich nie so weit gekommen.“ Hampl sei vor allem von Bolls Lernfähigkeit beeindruckt gewesen. „Ich habe mit dir Balleimertraining gemacht. Und was ich dir an dem einen Tag gezeigt hatte, konntest du am nächsten Tag besser. Viele andere hatten das wieder vergessen und mussten von vorne beginnen.“ Das war für Hampl der Fingerzeig: „Aus dem kleinen Kerl kannst du etwas machen.“ Zunächst zweimal pro Woche, dann dreimal, viermal, zuletzt gab es sogar Training an fünf von sieben Tagen. „Das war ein hartes Brett für meine Eltern“, erinnert sich Timo Boll auch an die vielen Autobahnkilometer, die die Familie vom heimischen Höchst im Odenwald bis zum hessischen Leistungszentrum nahe dem Fußball-Stadion in Frankfurt am Main zurücklegen mussten. „Die einstündige Autofahrt nach Frankfurt und das zwei- bis dreistündige Training plus Rückfahrt.“ Boll unterstreicht neben seiner Familie einmal mehr den Stellenwert Hampls: „Ich habe jemanden wie dich gebraucht, einen harten Hund, einen Schleifer, weil ich in jungen Jahren ziemlich bequem war.“
Es ist ein unterhaltsame knappe Dreiviertelstunde durch die Karrierehintergründe des Rekord-Europameisters – in guten und die schlechten Zeiten. Mit Anfang 20 sei die Rückkehr nach einer Pause ein „zähes Geschäft“ für Boll gewesen, erzählt er. „Da habe ich gedacht: ‚O Gott, jetzt haue ich erst mal wieder in paar Luftlöcher.‘“ Jetzt, im Alter von 39 Jahren, sei es eine ganz andere Phase. „Meine Technik hat sich so gefestigt. Wenn ich jetzt irgendeine Kleinigkeit habe, mal ein, zwei Wochen Pause machen muss und dann wieder einsteige, fühlt es sich nicht komplett fremd an. Jetzt habe ich das Gefühl: Nach einer Einheit bin ich wieder der Alte.“ Das kann der DTTZ-Chef- und U23-Herren-Trainer bestätigen. Als Boll zwischen acht und zwölf Jahren war, habe er nahezu nur Techniktraining mit ihm gemacht und ihn nicht speziell auf Wettkämpfe vorbereitet. „Die Wettkampfvorbereitung war die Phase ab 13. Ab 16, 17 warst du zusätzlich sehr, sehr fit. Das hat dich ganz nach oben gebracht. Sonst wärst du mit 21 auch nicht die Nummer eins der Welt gesehen“, so Hampl. Entsprechend fällt seine Analyse des aktuellen Nachwuchses aus: „Die jungen Spieler sind heutzutage zu viel auf Wettkämpfe aus. Sie wollen überall gut spielen und alles gewinnen. Natürlich ist das Wettkampftraining wichtig. Aber trotzdem sollte man versuchen, sich über Technik eine gewisse Stabilität zu erarbeiten und sich zu entwickeln.“