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Von störenden Sandwichbelägen, verdächtigen Pullen und deutschen Legenden

Die Geschichte der Heim-Weltmeisterschaften

BP 13.04.2017

Früher war alles besser, sagt der Volksmund. Tatsächlich? Wenn ab dem 29. Mai bei der LIEBHERR Tischtennis-WM in Düsseldorf die ersten Bälle über das Netz fliegen, trifft sich die Tischtenniselite zum insgesamt siebten Mal in Deutschland. Im Jahr 1930 war Deutschland erstmals Gastgeber des Kontinentalwettbewerbs. Seitdem hat sich viel geändert. Weltmeisterschaften finden nicht mehr in Kaufhäusern oder Hallen ohne Heizung statt und auch der Schaumgummi am Belag ist nicht mehr verpöhnt.

Tischtennisspieler schwächliche, bemitleidenswerte Figuren

„Es hat mir Sport wirklich nichts zu tun, was man hier zu sehen bekommt“, schrieb der Tagesspiegel anlässlich der insgesamt vierten, aber ersten Weltmeisterschaft in Deutschland 1930 in Berlin. Tischtennisspieler bezeichnete die Zeitung als bemitleidenswerte, schwächliche Figuren, um deren Herz man bei einem Waldlauf fürchten müsse. Zumindest war Tischtennis damals fernab jeder Professionalität. Insgesamt nahmen zehn Nationen teil, 18 der 28 Frauen waren deutsche Starterinnen. Tagsüber wurde in einem Kaufhaus gespielt, abends in einem Vereinshaus in der Kurfürstenstraße. Alle sechs Titel gingen schließlich nach Ungarn. Immerhin stellte die Presse und Öffentlichkeit nach anfänglicher Schelte dennoch fest, dass das „Ping-Pong-Spiel“ Fortschritte machte.

Diskussionen um „Sandwich-Schläger“

Es dauerte knapp dreißig Jahre, bis die Weltelite nach Deutschland zurückkehrte. Die Dimension eines solchen Events war mittlerweile freilich eine andere. 400 Teilnehmer/innen aus 47 Ländern kamen 1959 in die Dortmunder Westfalenhallen. Geschichtsträchtig waren diese Weltmeisterschaften aber nicht aus sportlicher Sicht. Sigrun Kunz aus der DDR erreichte als beste Deutsche das Achtelfinale, bis auf das Herren-Einzel holte sich Japan alle Titel. Im Mittelpunkt stand die Diskussion um die Einführung und das Verbot von Belägen mit Schaumgummi, heute auch als Schwamm bezeichnet. Schlussendlich erlaubte der im Rahmen der WM abgehaltene ITTF-Kongress die „Sandwich-Schläger“. In Dortmund führte das zu Debatten. Ein Funktionär beklagte etwa einen nicht gesehenen Kantenball und meinte resignierend: „Vor lauter Schaumgummi hört man bereits keinen Kantenball mehr.“

Eberhard Schölers Sternstunde

Nur zehn Jahre später war München der Ausrichter der 30. Tischtennis-Weltmeisterschaften. Austragungsort war die Eissporthalle, der erste Hallenkomplex, der für die Olympischen Spiele 1972 bereits fertiggestellt war. Zwar fasste die Halle knapp 7.000 Zuschauer, eine Heizung hatte sie aber nicht. Und weil der Frühlingseinbruch mitte April während der WM ausblieb, mussten Zuschauer und Spieler frieren. Dennoch war es für den DTTB die bis dato erfolgreichste WM. Im Team erreichten die Herren um Eberhard Schöler, Wilfried Lieck, Bernt Jansen und Martin Ness erstmals Silber. Unsterblich hätte sich „Mr. Pokerface“ Eberhard Schöler dann im Einzel machen können, als er gegen den Japaner Shigeo Ito im Finale bereits 2:0 Sätze führte, ehe er dann doch in fünf Sätzen den kürzeren zog. Es gilt bis heute als eines der legendärsten WM-Finals und machte Schöler damals zeitweilig zum populärsten Sportler des Landes. Auch weil er im Moment der Niederlage menschliche Größe und Bescheidenheit bewies: „Es sollte eben nicht sein. Ito war der Stärkere.“ Auch vom Doping seines Gegners wollte er nichts wissen. Beobachter sahen Ito, wie er nach dem dritten Satz vor Millionen TV-Zuschauern eine „schnelle Pulle“ zu sich nahm, schrieb die „Zeit“ damals. Zudem gewann die Ostberlinerin Gabriele Geissler Silber für die DDR. Dem DTTB bescherten die Erfolge einen beispiellosen Aufschwung – bis 1973 wuchsen die Mitgliederzahlen um 68 Prozent.

Roßkopf und Fetzner werden zu Legenden

„Meine Damen und Herren, sie wurden soeben Zeuge eines historischen Augenblicks“, kommentierte Hallensprecher Jörg Wontorra den zweiten Meilenstein deutscher WM-Geschichte nach Schöler 1969. In den Dortmunder Westfalenhallen gewannen Jörg Roßkopf und Steffen Fetzner die erste und bis heute letzte Goldmedaille für Deutschland bei einer Weltmeisterschaft im eigenen Land. Im Finale besiegten sie im Entscheidungssatz das Duo Zoran Kalinic und Leszek Kucharski, bejubelt von 10.000 Zuschauern. Es wäre wie in einem englischen Fussballstadion gewesen, beschrieb der frühere ITTF-Präsident Roy Evans die Stimmung in der Westfalenhalle 1 während des Doppel-Finals. Der WM-Titel überstrahlte das sonst mäßige Abschneiden des deutschen Teams und auch den 5:0 Sieg der Schweden über China im Mannschaftsfinale. Ähnlich wie 1969 löste der Titel einen kleinen Tischtennis-Boom in Deutschland los. Außerdem war die WM das Fundament für die Modernisierung des Sports. In Dortmund selbst wurde erstmals eine Center Court-Atmosphäre geschaffen, der heute übliche „rote Boden“ verlegt und Computer eingesetzt. Dinge, die heute auf der World Tour und anderen Tischtennis-Events Gang und Gebe sind. Und insgesamt wurde die Sportart von da an auf eine professionellere Eben gehoben und Verdienstmöglichkeiten deutlich verbessert: „Unser Titel war ein Anfang für viele Strukturen und Ideen, die das Tischtennis nach vorne gebracht hat“, resümierte der Weltmeister Steffen Fetzner mehr als zwei Jahrzehnte später.

Waldners Karriereende in Bremen

Für die letzten beiden Heim-Weltmeisterschaften muss man im Geschichtsbuch gar nicht so weit zurückblättern. Im Jahr 2006 war die Tischtennis-Welt in Bremen zur Mannschafts-WM zu Gast. Mit 10.500 Zuschauern in der Halle bot Bremen an den Finaltagen eine gewaltige Kulisse, das Los verhinderte jedoch bei den Herren das Traumfinale Deutschland gegen China. Bereits im Halbfinale unterlagen Boll, Rosskopf, Süß & Co. den Spieler aus dem Reich der Mitte. Die Damen taten sich ungleich schwerer, scheiterten im Achtelfinale gegen Österreich und wurden am Ende 11. Dabei sorgte Nicole Struse für den Aufreger der WM, als sie gegen die Österreicherin Li Qiangbing wegen übertriebenen Jubels einen Punktabzug bekam und das Match letztendlich verlor. Längst dominierten die Chinesen die Tischtennis-Welt, ihr ehemaliger härtester Widersacher und Tischtennis-Mozart Jan-Ove Waldner beendete in Bremen seine internationale Karriere.

Rückkehr nach Dortmund

Nur sechs Jahre später konnten sich die deutschen Tischtennis-Fans erneut auf eine Heim-WM freuen, zum dritten Mal in Dortmund – wieder eine Mannschafts-WM. Vor allem die deutschen Herren waren angetreten, um die übermächtigen Chinesen endlich vom Tischtennis-Thron zu stoßen. „Wir wollen in dieser Halle Geschichte schreiben“, sagte ausgerechnet Herren-Bundestrainer Jörg Rosskopf. Boll, Ovtcharov und Baum waren im Finale, der Einzug gelang souverän, in jedem Match dran, am Ende unterlagen sie aber doch mit 0:3. Den emotionalen Höhepunkt der 51. Weltmeisterschaft lieferten aber die DTTB-Damen gegen Singapur im Viertelfinale. Zwei Punkte fehlten Kristin Silbereisen gegen den Titelverteidiger Singapur, dann wären sie mit 3:0 ins Halbfinale eingezogen. Stattdessen endete das Match 2:3. Dennoch brodelte der Hexenkessel Westfalenhalle. Sowieso bleibt die letzte Heim-WM in Dortmund, wie schon 1989, vor allem wegen der grandiosen Stimmung in Erinnerung. An den beiden Finaltagen kamen je 11.000 Zuschauer, insgesamt waren es über 55.000. Selbst Zhang Jike meinte, noch nie vor solch einer Kulisse gespielt zu haben und ITTF-Präsident Thomas Weikert bekommt heute noch Gänsehaut, wenn er an die WM 2012 zurückdenkt.

LIEBHERR Weltmeisterschaften werden ein unvergessliches Erlebnis

In Düsseldorf wird kaum noch etwas an die Anfänge der Tischtennis-WM in Berlin erinnern. 700 Spieler aus 100 Nationen, hunderte an Journalisten, LED-Banden, Lichtshows, Musik, ein eigenes Stadion in einer Messehalle – in den fast 90 Jahren hat sich vieles verändert und ganz im Gegenteil: Früher war nicht alles besser!  Aber eines ist gleich geblieben: Jede Weltmeisterschaft in Deutschland war bis heute auf ihre Art ein Tischtennis-Fest. Ein Fest mit einer einzigartigen und enthusiastischen Kulisse, die in unserem Sport seinesgleichen sucht. Auch in Düsseldorf werden vom 29. Mai bis zum 5. Juni 2017 wieder 50.000 Zuschauer erwartet. Noch bleibt zwar ungewiss, ob dann jemand die Chinesen ärgern wird, wer zum heimlichen Star und Publikumsliebling avanciert, oder wohin die Reise unsere Stars geht. Aber eines ist sicher: Die Liebherr Weltmeisterschaften 2017 werden ein unvergessliches Erlebnis – für Zuschauer und Spieler.   

Haben Sie Lust bekommen, bei der nächsten Heim-WM auch dabei zu sein? Dann sichern Sie sich Tickets für die LIEBHERR Weltmeisterschaften 2017 in Düsseldorf vom 29. Mai bis 5. Juni. Alle Infos finden Sie auf www.wttc2017.com    

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