Rio de Janeiro. Genau eine Woche nach Ankunft in Rio geht es für das deutsche Team ans Eingemachte. Im Einzel-Wettbewerb machen Han Ying und Timo Boll am Sonntagabend Ortszeit den Anfang, am Montag ziehen Petrissa Solja und Dimitrij Ovtcharov nach. Die jeweiligen Gegner werden am Sonntag ermittelt. Stimmen von Trainern und Spielern vor dem Auftakt.
Am Samstag standen für das deutsche Team in der Trainingshalle des Riocentro Pavillion 3 noch mal zwei einstündige Trainingseinheiten auf dem Plan. Zur Nachmittagssession hatten sich Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll koreanische Sparringspartner organisiert, Ovtcharov absolvierte ein Trainingsmatch gegen den Weltranglisten-15 Lee Sangsu, Boll spielte gegen den Junioren-Weltmeister von 2013, Jang Woojin. „Das ist eine gute Abwechslung für die Jungs, sie versuchen immer mal, andere Leute beizukriegen. Da wir die gleichen Trainingszeiten hatten wie Korea, hat es gepasst“, erklärte Bundestrainer Jörg Roßkopf. Das einstündige Training bestand aus 20 Minuten Einspiel-Übungen und ca. 40 Minuten Matchpraxis. „Das Ergebnis ist da egal, man versucht ein wenig Spannung reinzukriegen. Die kommt dann aber automatisch mit dem Adrenalin und dem Einmarsch in die Halle“, meint der Bronzemedaillengewinner von Atlanta 1996. Am Nebentisch trainierten Topfavorit China mit Ma Long und Xu Xin, unter der Aufsicht von Generalcheftrainer Liu Guoliang. Von Titelverteidiger Zhang Jike war nichts zu sehen.
„Man weiß vorher nie genau, wie gut man drauf ist. Heute die Einheit gegen Lee Sangsu war sehr gut, ich konnte gegen ihn auch gewinnen. Ich habe mich schnell gefühlt, frisch gefühlt, heute – muss ich sagen – stimmt alles. Trotzdem geht es am Ende darum, das, was wir trainiert haben, im Match umzusetzen“, sagte Dimitrij Ovtcharov, der am Vormittag zusammen mit Assistenztrainer Zhu Xiaoyong am Balleimer an Kleinigkeiten gefeilt hatte. Für Timo Boll, den deutschen Fahnenträger, gehe es nach ereignisreichen Tagen vornehmlich darum, „wieder in den Tunnel zu kommen“.
"Da muss man klaren Kopf bewahren"
Nach einer Woche in Rio werde es nun Zeit, dass es losgeht, sagt Jörg Roßkopf. „Wir hatten eine sehr lange Vorbereitung. Dima und Timo sind gut in Form, mehr und besser können sie es nicht machen, als sie es bis jetzt gemacht haben. Aber die Anspannung ist dafür sehr groß. Sie wissen noch nicht richtig, wo sie stehen. In der Runde der letzten 32 einzusteigen ist sehr gefährlich. Die Gegner haben dann schon ein Spiel gewonnen, kommen mit Selbstvertrauen rein und treffen auf Spieler, die Ziele haben, die vielleicht ein bisschen nervös sind. Das ist keine einfache Situation. Da muss man von Anfang an klaren Kopf behalten, vielleicht auch mal einen Ball mehr auf den Tisch spielen, ohne das Risiko zu hoch zu halten“, sagt der Bundestrainer. Verlaufen die Zweitrundenpartien gemäß Setzung würde Dimitrij Ovtcharov auf Katars Li Ping und Timo Boll auf den Russen Alexander Shibaev treffen – beides hinreichend bekannte Spieler, die sogar Teil der deutschen Olympia-Vorbereitung waren.
Vom Flieger zum Frühstück und dann gleich in die Halle ging es am frühen Samstagmorgen für die Team-Nachzügler Bastian Steger und Patrick Franziska, die eine erste lockere Einheit absolvierten. „Die beiden sind heute früh angereist, haben sich dann mit einem leichten Schlagtraining akklimatisiert, um den Flug aus den Beinen zu trainieren“, so DTTB-Sportdirektor Richard Prause. Noch bleibt für die beiden Zeit, die Team-Wettbewerbe starten am 12. August.
Han Ying: Foto mit Nadal, dann wieder Fokus
Die vier DTTB-Damen in Rio absolvierten ebenfalls zwei Einheiten am Samstag. „Wir haben uns lang eingelebt und die Spannung aufgebaut. Peti und Ying machen einen konzentrierten Eindruck und sind auf alles vorbereitet. Mein Eindruck ist, dass beide gut drauf sind. Wie es letztlich am Tisch aussieht, werden wir sehen“, sagt Bundestrainerin Jie Schöpp. Für Han und Solja sind es die ersten Olympischen Spiele. Von solchen Gedanken und zu vielen Nebengeräuschen möchte sich die Weltranglistensiebte Han Ying so gut es geht freimachen. Bilder mit den Tennis-Stars Rafael Nadal und Serena Williams, ein bisschen das Olympische Dorf erkunden, das war’s, der Fokus liegt auf dem Wettkampf. „Ich versuche, mich einfach auf meine Sachen zu konzentrieren und keine anderen Gedanken zuzulassen. Mit den Bedingungen komme ich hier gut klar“, sagt die auf dem Papier derzeit beste Abwehrspielerin der Welt, die von Ehemann Lei Yang ab Sonntag seelisch-moralische Unterstützung erhält. Ihre möglichen Gegnerinnen in der Runde der besten 32 sind keine Unbekannte, egal wer es wird, Han Ying wird die Favoritin sein.
Petrissa Solja übte am Morgen gegen Han Ying schon mal das Angriff-Abwehr-Szenario, dass sie voraussichtlich in ihrem Auftaktmatch gegen Abwehrspielerin Ri Myong Sun (Nordkorea) bestreiten wird. Ein denkbar bitteres Los für die 23-Jährige. „Peti ist keine, die vorher aufgibt. Sie hat sich gegen Abwehr verbessert, auch wenn sie da noch nicht die Stärken aufweist wie gegen Angriff. Aber sie wird richtig stark kämpfen“, sagt Bundestrainerin Jie Schöpp. Die Weltranglisten-15. Solja hat derweil noch etwas Probleme mit dem Material. „Mit der Rückhand stimmt es noch nicht“, sagt die World-Cup-Dritte. Bis zum Montag sollte sich dies hoffentlich beheben lassen.
Die Spiele der Deutschen in der Runde der letzten 32
Herren-Einzel
Timo Boll – Alexander Shibaev RUS, Montag, 2 Uhr* (Shibaev 4:0 gegen Jakub Dyjas POL)
Dimitrij Ovtcharov – Li Ping QAT, Montag, 17 Uhr (Li 4:0 Adam Pattantyus HUN)
Damen-Einzel
Han Ying – Nanthana Komwong THA, Montag, 0 Uhr (Komwong 4:3 Fu Yu POR)
Petrissa Solja – Ri Myong Sun PRK, Montag, 16 Uhr (Ri 4:1 gegen Petra Lovas HUN)
*deutsche Zeit
Alle Ansetzungen: https://www.rio2016.com/en/table-tennis