Düsseldorf. Am Schlusstag der LIEBHERR Weltmeisterschaften in der ausverkauften Düsseldorfer Messehalle 6 war kein Deutscher mehr im Einsatz. Zeit für die Abschluss-Pressekonferenz des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) aus Sicht des Sports. Heike Ahlert, Vizepräsidentin Leistungssport des DTTB, Sportdirektor Richard Prause sowie die verantwortlichen Bereichstrainer Jörg Roßkopf (Herren) und Jie Schöpp (Damen) zogen Bilanz und kommentierten das Abschneiden der Deutschen.
Richard Prause war mehr als nur zufrieden mit der LIEBHERR WM 2017. „Sportlich haben wir eine gute und erfolgreiche WM aus deutscher Sicht gesehen“, sagte der DTTB-Sportdirektor und lieferte direkt die Begründung mit: Mit Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov, Ruwen Filus und Kristin Silbereisen stand ein DTTB-Quartett im Einzel-Achtelfinale. Boll schaffte es später noch bis unter die letzten Acht und verlor erst gegen den alten und neuen Weltmeister Ma Long. Eine WM-Medaille holte zudem Petrissa Solja an der Seite von Fang Bo (China) im Mixed.
Heike Ahlert (Vizepräsidentin Leistungssport) über das Abschneiden der DTTB-Mannschaft: „Im Vorfeld der WM gab es das Ziel, eine Medaille gewinnen zu wollen. Petrissa Solja hat dies im Mixed erreicht. Das ist ein großer Erfolg für uns. Erwähnen möchte ich auch die Leistungen von Kristin Silbereisen und Ruwen Filus, die besser als ihre Setzung abgeschnitten haben. Das Achtelfinale im Herren-Doppel zwischen Timo Boll/Ma Long und Fan Zhendong/Xu Xin war das vorgezogene Endspiel. Bei einer anderen Auslosung hätten wir vielleicht noch eine Medaille mehr geholt.“
Richard Prause (Sportdirektor) zu den Leistungen der DTTB-Starter: „Neben den vier Deutschen im Einzel-Achtelfinale haben wir auch einige gute Ergebnisse im Doppel erzielt. Allerdings wurden auch Chancen nicht genutzt. Trotzdem haben sich alle deutschen Damen und Herren sehr gut präsentiert. Beim Achtelfinale von Ruwen Filus und Fan Zhendong herrschte Gänsehaut-Atmosphäre in der Halle. Die Fans hoben mit ihrer lautstarken Unterstützung Ruwen fast in die nächste Runde. Die Art und Weise, wie Timo Boll und Ma Long im Viertelfinale gegeneinander Tischtennis gespielt haben, war herausragend. Das hat alle begeistert.“
Prause zur Bildung und Zukunft der deutsch-chinesischen Doppel: „Die Kombination, mit China internationale Duos zu bilden, war erfolgreich. Wir hatten uns gewünscht, dass Boll/Ma Long erst später auf Fan Zhendong/Xu Xin treffen. Dieses Duell im Achtelfinale war ein Spiel auf höchstem Niveau. Im Mixed haben Petrissa Solja und Fang Bo die Möglichkeit genutzt, Bronze zu gewinnen. Für die Zukunft sind noch keine Gespräche geführt worden. Es besteht aber ein Dauerkontakt. Deshalb schließe ich auch eine Wiederholung nicht aus. Allerdings wird sich das, wie auch diesmal, wieder kurzfristig entscheiden.“
Jie Schöpp (Damen-Bundestrainerin) zu den Vorstellungen der drei WM-Debütantinnen: „Nina Mittelham hat nicht ganz optimal gespielt und war sehr, sehr nervös. Es war ihre erste Teilnahme an einer Einzel-Weltmeisterschaft. Sie muss weiter viel an sich arbeiten. Bei Yuan Wan war deutlich die noch fehlende Erfahrung im taktischen Bereich sichtbar. Technisch steigerte sie sich in den vergangenen Monaten. Chantal Mantz gewann die letzten zwei Duelle gegen Adina Diaconu. Deshalb rechnete sie sich gute Chancen auf einen Sieg in der ersten Runde aus. Es zeigte sich aber, dass die Nervosität und der Druck bei einer Heim-WM doch größer ist als bei einem internationalen Turnier im Ausland.
Schöpp zum Abschneiden von Sabine Winter: „Seit langer Zeit hat Sabine mit Schulterproblemen zu kämpfen. Deshalb war es für sie nicht einfach, die sehr guten Leistungen aus dem vergangenen Jahr beim Europe Top 16 und World Cup erneut abzurufen.“
Schöpp über den Achtelfinal-Einzug von Kristin Silbereisen: „Sie war die positive Überraschung. Trotz ihres beruflichen Stresses (Anm.: Silbereisen arbeitet halbtags als Physiotherapeutin) hat sie versucht, so viel wie möglich zu trainieren. Mit viel Ehrgeiz hat sich Kristin weiterentwickelt. Sehr schade war, dass sie sich beim Stand von 2:2-Sätzen und einer 7:3-Führung im Achtelfinale gegen Feng Tianwei noch die Partie hat nehmen lassen. Ich freue mich aber für sie über ihre Entwicklung.
Schöpp zu den Leistungen von Petrissa Solja im Einzel: „Für ihre Fitness muss Petrissa noch was tun. Deshalb hat es am Mittwochabend unter anderem auch nicht mehr gereicht, gegen Szandra Pergel zu gewinnen. Seit ihrem Muskelfaserriss beim Europe Top 16 hat sie nicht mehr voll trainieren können. Wir mussten Petrissa in den Einheiten zurückhalten. Sie hatte Angst, das gesamte Programm mitzumachen und sich dann wieder zu verletzen.“
Jörg Roßkopf (Herren-Bundestrainer) zum Turnier allgemein: „Das war eine tolle WM mit tollen Momenten. Die Spieler haben viel Druck aushalten müssen. Unsere Mitglieder des U23-Kaders standen nicht nur zum Einspielen bereit, sondern haben auch als Zuschauer auf der Tribüne viel gelernt. Ich bin froh, dass von ihnen richtig Druck gemacht wird.“
Roßkopf zum Abschneiden im Doppel-Wettbewerb: „Wir wussten, dass Timo Boll und Ma Long eine schwere Auslosung haben würden. Xu Xin hat im Achtelfinale überragend gegen Timo und Ma gespielt. Patrick Franziska war mit Jonathan Groth an Position zwei gesetzt. Beide zählten damit zum Kreis der Medaillenfavoriten. Das war für sie nicht einfach, mit dieser Situation umzugehen. Patrick und Jonathan haben es nicht geschafft, auf ihrem Level zu spielen. Aber sie sind jung und werden noch viele Turniere zusammen bestreiten. Von der Konstellation passen beide nämlich perfekt zusammen.“
Roßkopf zu den Leistungen im Einzel: „Bastian Steger war sehr lange verletzt, kam wieder gut in Form und gewann die Slowenien Open. Danach verletzte sich Bastian leider wieder und hatte daraufhin Trainingsrückstand. Deshalb stand er gegen Tamas Lakatos auch oft schlecht zum Ball. Ricardo Walther hat gezeigt, dass er es verdient hatte, hier zu spielen. Er besaß gegen Alexander Shibaev Siegchancen. Trotz der Niederlage hat Ricardo eine tolle WM gespielt. Das gibt ihm Selbstvertrauen. Patrick Franziska hat mit einer sehr hohen Erwartungshaltung umzugehen. Wir geben ihm die Zeit, sich zu entwickeln. Er wird irgendwann wieder, so wie vor zwei Jahren, in einem WM-Viertelfinale stehen.“
Roßkopf zum Erreichen des Achtelfinals von Ruwen Filus: „Ich war zunächst überrascht, dass Ruwen seine gute Form aus den Wochen zuvor in den ersten zwei Runden nicht abrufen konnte. Danach hat er aber eine überragende WM gespielt und ein sehr starkes Spiel im Achtelfinale gegen Fan Zhendong gezeigt. Er ist kein richtiger Abwehrspieler. Er ist taktisch schwer auszurechnen und für mich der beste Allrounder der Welt.“
Roßkopf zum Ausscheiden von Dimitrij Ovtcharov im Achtelfinale: „Ich hatte schon gehofft, dass er einen Schritt weiter geht. Er selbst und wir hatten uns das Viertelfinale gewünscht. Dimitrij war knapp dran, aber mit Koki Niwa hatte er einen überragenden und aggressiven Gegner. Dimitrij ist mega ehrgeizig und muss noch viel lernen. Er ist unser Mann für die Zukunft.“
Roßkopf zur Viertelfinale-Niederlage von Timo Boll: „Timo hatte sich sehr gut vorbereitet und besaß eine überragende Form. Die Auslosung war schwer. Der Sieg über Jang Woojin gab ihm viel Selbstvertrauen. Das Spiel gegen Ma Long war der perfekte Abschluss für die WM. Timo stand kurz vor dem Erreichen des siebten Satzes und zeigte ein riesen Spiel. Das hätten ihm alle gegönnt. Er ist konditionell in Topform und wird noch lange weiterspielen.“
Roßkopf zum nächsten Highlight, den Mannschafts-Europameisterschaften (13. bis 17. September 2017 in Luxemburg): „Wir wollen den EM-Titel. Ich möchte keine EM mehr sehen, wo eine andere Nation oben steht.“