Dossenheim. Eva Jeler steht als erste Frau des hauptamtlichen DTTB-Trainerteams seit 33 Jahren ihren "Mann" in einem Beruf, der bei ihrem Eintritt als reine Männerdomäne galt. Von 1989 bis 1996 zeichnete die studierte Diplom-Biologin und ehemalige Nationalspielerin für Jugoslawien als Cheftrainerin für den gesamten Sportbereich des DTTB verantwortlich, aktuell ist die charismatische Powerfrau Cheftrainerin des Jugendbereichs und Schüler-Bundestrainerin. Im Interview spricht die in Dossenheim bei Heidelberg lebende Jeler über ihre Erfahrungen als Frau im Trainerjob und ihren ganz persönlichen Ansatz, wie der Mädchen- und Frauensport wieder an Wachstum gewinnen könnte.
Frage: 1983 warst du die erste hauptberufliche Bundestrainerin des DTTB, im 33. Jahr deiner Tätigkeit sind weibliche Coaches längst ein normales Bild. Welche Bedeutung hat diese Entwicklung für dich?
Eva Jeler: Auch in Europa war ich wohl die Erste, weltweit zumindest eine der Ersten. Über die ganzen Jahre hinweg als Trainerin, teilweise auch als Ausbilderin, für manche vielleicht sogar als Vorbild dazu beigetragen zu haben, dass sich die Zahl der weiblichen Trainer seitdem auch ohne Quote erheblich nach oben verändert hat, zählt zu den Begleitentwicklungen meiner Karriere, die mich am meisten freuen.
Bei DTTB und DTTZ beispielsweise sind wir derzeit sogar bei den festangestellten Trainern mit 5:4 leicht in der Übermacht angekommen (Lacht.). Es ist ein gutes Gefühl zu sehen, dass nicht alles in diesen mehr als drei Jahrzehnten falsch gewesen sein kann, was man angepackt hat.
War deine Entscheidung für einen damals rein von Männern dominierten Beruf ein Wagnis oder eine besondere Herausforderung?
Jeler: Weder noch. Ich wollte es einfach nur machen. Der Gedanke, dass man es schwerer haben könne als andere, nur weil man eine Frau ist, hat für mich nie existiert. Das gehört nicht zu meinem Weltbild, und so bin ich auch nicht erzogen worden.
Sind dir häufig Widerstände gegen die Trainerin Jeler begegnet?
Jeler: Widerstände in der Sache gab es natürlich, Widerstände wegen meiner damaligen Jugend oder Weiblichkeit aber nicht, es war auch nicht geschlechterspezifisch. Mit mir ist es im Grunde ganz einfach: Mit souveränen Menschen komme ich leicht zurecht - wer hingegen Probleme damit hat, mit einer Frau zu arbeiten, für den bin ich rotes Tuch.
Das ist aber sehr selten passiert. Ich hatte das Glück, schon in meiner Anfangszeit mit souveränen Menschen wie Hans Wilhem Gäb, Eberhard Schöler, Charles Roesch und Istvan Korpa zusammenzuarbeiten.
Einmal in meiner Karriere allerdings wurde ich, auf hoher Ebene, mit starkem Widerstand konfrontiert, der nichts mehr mit einer sachlichen Auseinandersetzung zu tun hatte und sich gegen meine Person richtete. Das ist aber lange her und Schnee von gestern.
Reagieren Sportler, gleich welchen Alters und Geschlechts, unterschiedlich auf einen weiblichen Trainer? Hast du Vorbehalte erlebt?
Jeler: Das Geschlecht eines Trainers ist absolut kein Kriterium. Sportler haben ein sehr feines Gefühl dafür, ob jemand etwas kann. Bluffen reicht nicht - sie spüren die Intention, Kompetenz und die Qualität, nur das ist entscheidend. Und Vorbehalte waren nie ein Thema, mit Ausnahme eines einziges Spielers. Aber das ist in 33 Jahren ja keine allzu schlechte Quote.
Gibt es grundsätzliche Verhaltensunterschiede zwischen einem weiblichen Bundestrainer und einem männlichen Kollegen?
Jeler: Ja, natürlich. Das situative Einfühlungsvermögen von Frauen ist meiner Meinung besser ausgebildet. Das kann ein Vorteil sein, nicht nur, wenn man mit Mädchen oder Frauen arbeitet. Aber man muss als Trainerin auch immer sehr genau darauf achten, es nicht zu übertreiben. Der sachliche Blick darf nie verloren gehen.
Welches sind die wichtigsten Eigenschaften, die eine Frau für den Beruf als Trainerin mitbringen muss?
Jeler: Mir hat man oft nachgesagt, dass ich härter an Dinge herangehe, als manche Männer. Aber das ist meine Art, das kann man nicht verallgemeinern. Meine simple Empfehlung: Mit Kompetenz, Sachlichkeit und Selbstbewusstsein überzeugen, und nach Möglichkeit keines der Klischees bedienen, in die Männer manchmal gerne eine Frau pressen möchten.
Hast du auf deinen Reisen Erfahrung mit Sport für Frauen im Ausland gemacht, die dich besonders beeindruckt haben?
Jeler: Kulturen haben einen großen Einfluss. Sehr viel gelernt habe ich bei einem Lehrgang und Trainingscamp im Iran im Jahr 2012. Es hat mich extrem berührt, mit welchem Engagement die Frauen dort für uns unvorstellbare Hürden überwinden, um ihrem Sport nachzugehen. Das ist in der Vielzahl der muslimischen Ländern so, ebenso in weiten Teilen Afrikas. Die Kraft dieser Mädchen und Frauen verlangt mir größten Respekt ab. Wenn man das einmal erlebt hat, verändert es die Sicht auf den eigenen Alltag und die nichtigen Dinge, die wir manchmal schon als Probleme betrachten.
Die Zahl der Mädchen und Frauen im Tischtennissport ist schwindend. Was könnte aus deiner Sicht diesem Trend entgegenwirken?
Jeler: Ein Allheilmittel habe ich nicht. Aber es gibt meiner Meinung durchaus gute und kreative Ideen, der Verband hat eine hervorragende Struktur und kompetente Mitarbeiter, es gibt nur sehr wenige Sportverbände vergleichbarer Qualität. Was aber zur Umsetzung und damit auch zu einer Umkehr eines solchen Trends derzeit fehlt, ist Geld.
Ich weiß, dass ich mit meiner Meinung vielleicht anecke, aber: Das Sparen, das daraus resultiert, führt in einen Teufelskreis und damit in einen Abwärtstrend. Ich bin überzeugt: Nur Investitionen bringen uns wieder nach vorne. Denn wenn man keine Ziegel und keine Steine kaufen kann, dann wird kein Haus daraus, auch wenn der Plan des Architekten noch so gut ist.
Auf finanzielle Unterstützung von Dritten zu warten, bringt uns dabei nicht weiter. Das notwendige Geld sollten wir versuchen, aus uns heraus selbst zu "kreieren". Ein Stück gelebte Solidarität aus der gesamten Tischtennisfamilie heraus wäre dafür ein erster Ansatz!
Serie zur Mädchen- und Frauenförderung
Immer weniger Mädchen und Frauen spielen Tischtennis. Nur 20 Prozent beträgt der weibliche Anteil im DTTB, auch wenn es in Vereinen und Verbänden durchaus viele Positiv-Beispiele gibt. Dennoch sind die Zahlen rückläufig. Wie kann die Tischtennis-Gemeinde gemeinsam den Trend umkehren? Was kann man von Clubs lernen, in denen es besser läuft und welche Faktoren begünstigen die Mädchen- und Frauenförderung? Solchen und ähnlichen Fragen sind wir nachgegangen, die Arbeitsgruppe „Mädchen und Frauen“ im DTTB hat Standards für Vereine und Verbände entwickelt, welche von Präsidium und Beirat beschlossen wurden. Über zwei Wochen lang präsentieren wir Ihnen täglich Hintergrundinfos, Geschichten und Interviews zu dem Thema.
Teil 1: Rückläufige Zahlen, aber leichte Hoffnungsschimmer
Teil 2: Interview: „Wenn die Atmosphäre nicht stimmt, kann man Mädchen nicht halten“
Teil 3: 40 Jahre Damen-Bundesliga - ein Rückblick in drei Akten (I)
Teil 4: Mein Tischtennis-Leben: Nina Spalckhaver (18) aus Lübeck trainiert Flüchtlingskinder
Teil 5: Fünf Fragen - fünf Antworten
Teil 6: 40 Jahre Damen-Bundesliga - ein Rückblick in drei Akten (II)
Teil 7: Mein Tischtennis-Leben: Nachwuchstrainerin Nathalie Schröter vom TSV Butzbach
Teil 8: Mädchen-Training: Anregungen und Tipps
Teil 9: 40 Jahre Damen-Bundesliga - ein Rückblick in drei Akten (II)
Teil 10: Bundesweites Damen-Turnier mit Kennenlernen und Kinderbetreuung: BW Datteln macht's vor
Teil 11: Spielerische Wettkampfformen für Mädchen
Teil 12: Anja Gersdorf: Der Traum vom Highlight Olympia und kreativen Ideen
Teil 13: Interview mit Dr. Petra Tzschoppe: Frauen als Schlüssel zur Problemlösung für Vereine
Teil 14: Interview Eva Jeler: Über Selbstbewusstsein, Souveränität und Investitionen
Teil 15: Wiebke Julius: Sportreferentin, Demokratietrainerin, Tischtennisspielerin
Teil 16: Der "Perfekte Mädchentrainer"
Teil 18: Best Practice: Es geht auch anders!
Standards zur Mädchen- und Frauenförderung für Vereine und Verbände
Was können Vereine und Verbände tun, damit sich das ändert? Der Deutsche Tischtennis-Bund hat in seiner Arbeitsgruppe zur Mädchen- und Frauenförderung Standards für Verbände und Vereine entwickelt. Darin heißt es unter anderem, dass ein Verein „grundsätzlich geschlechtergerechte Zugangsvoraussetzungen schafft“, „die Möglichkeit des weiblichen Spielbetriebs forciert“ oder eine „Trainerin hat“.
In der Präambel der Standards für Verbände heißt es: "Ziel der Mädchen- und Frauenförderung des DTTB und seiner Landesverbände ist die gleichberechtigte und selbstverständliche Teilhabe von Mädchen und Frauen im Tischtennis..." Unter anderem soll bei der Planung von Maßnahmen, Lehrgängen und Veranstaltungen für beide Geschlechter darauf geachtet werden, dass der Anteil der weiblichen Teilnehmenden bei mindestens 30 Prozent liegt.
Standards zur Mädchen- und Frauenförderung im Tischtennis für Vereine und Verbände
Standards für die Mädchen- und Frauenförderung in Vereinen (pdf-Datei)
Standards für die Mädchen- und Frauenförderung in Verbänden (pdf-Datei)