Nairobi/Frankfurt. Kenia und Tischtennis – das ist auch für Tischtennisinteressierte hierzulande ein eher unbeschriebenes Blatt. Geht es nach dem Willen von Andrew Mudibo, dem Präsidenten des kenianischen Tischtennisverbandes, dann soll sich das bald ändern. Um hierbei Unterstützung zu leisten, weilte der ehemalige Damen-Bundestrainer Martin Adomeit im Rahmen des Sportkooperationsprogrammes des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und des Auswärtigen Amtes im Mai für zwei Wochen in dem ostafrikanischen Land. Adomeit erlebte eine Tischtennisnation im Aufbruch, aber auch viele Baustellen.
Der Afrika erfahrene Adomeit hatte alle Hände voll zu tun, denn der Wissensdurst der Kenianer war hoch, und das auf den unterschiedlichsten Ebenen. So stand an den Vormittagen die Coach-Ausbildung auf dem Programm. Hier beschäftigte man sich sehr viel mit den Möglichkeiten, Training unter taktischen Gesichtspunkten zu gestalten, aber auch mit methodischen Gesichtspunkten. "Wie kann man Training sinnvoll gestalten, wenn man zwei Tische, mehr als zwanzig Kinder und maximal zehn Bälle hat", war nur eine der vielen Fragen, mit denen sich die Teilnehmer praxisnah beschäftigten.
90-minütiger Fußmarsch zum Training, aber keine Fehlminute
In den Nachmittags- und Abendstunden sowie an den Wochenenden stand das Training der Kinder und Jugendlichen aus Nairobi im Blickpunkt des Lippstädters. Mit teilweise acht Spielern pro Tisch mit einem Platz von maximal 1,50 Meter zur Seite und 2,50 Meter nach hinten war dies auch für den erfahrenen Trainer eine nicht ganz alltägliche Herausforderung. Die Motivation der Spieler war jedoch so groß, dass auch Bedingungen mit 30 bis 40 Kindern an sechs Tischen der Freude und dem Ehrgeiz kaum Schranken setzten. Vor allem die Jüngsten, acht bis neun Jahre alt, zeigten enorme Einsatzbereitschaft. Schule von sieben bis halb vier, dann eine 90-minütige Anreise zu Fuß und mit dem Bus quer durch Nairobi, trainieren mit acht Spielern pro Tisch, teilweise ohne eigenen Schläger oder barfuß, anschließend wieder nach Hause. Und dies über die gesamten zwei Wochen ohne ein einziges Mal zu fehlen.
Olympiateilnahme 2028 nicht unrealistisch
Die Trainingsgruppe ist ein Spiegelbild der Nairobis. Neben den Schwarzafrikanern waren die andere Hälfte der Jugendlichen indischen Ursprungs, deren Familien in der zweiten oder dritten Generation in Ostafrika leben. Die erwachsenen Nationalspieler Kenias stehen international auch in Afrika nur in der zweiten und dritten Reihe und trainierten nur vereinzelt mit, denn der kenianische Verband setzt eindeutig auf den Nachwuchs. „Olympia 2020 ist unser Ziel“, sagte Andrew Mudibo mit einem Augenzwinkern, wohlwissend dass eine Olympiateilnahme nicht vor 2024 oder 2028 in den Bereich des Möglich rücken kann.
Martin Adomeit hält dies für realistisch, sollte es gelingen, neben dem Training auch die Struktur zu verbessern: „Die guten Ansätze sind ersichtlich, vor allem bei den jungen Mädchen waren einige wirkliche Talente dabei.“ Zur Strukturverbesserung gab es zahlreiche Gesprächsrunden mit dem erfahrenen deutschen Trainer, der berichtet: „Tische, geeignete Sporthallen, Beläge und Bälle fehlen in ausreichender Anzahl gerade für die sportbegeisterten Kids aus den Slums.“ Ein zweiter Ansatzpunkt ist die Verbesserung der Trainerausbildung. Hierzu wird gerade ein Lizenzsystem entwickelt, ein kenianischer Trainer weilte zu einer Ausbildung gerade für sechs Monate in Leipzig. Punkt drei ist die notwendige Entwicklung eines funktionierenden Wettkampfsystems. Vor einem Jahr wurde erstmals eine Nationalliga ins Leben gerufen, nun gilt es regelmäßige Wettkampfmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche im Einzel- und Mannschaftssport ins Leben zu rufen.
Mudiobe setzt auf Kontinuität
All dies ist wichtig, funktioniert jedoch nur mit einer Bündelung der Kräfte: Zusammenarbeit der Klubs, gemeinsame Trainingsmöglichkeiten für die Talentiertesten, Ausbau der Schulprojekte schaffen. An über hundert Schulen allein Nairobi wird Tischtennis gespielt, unter anderem auch an der deutschen Schule, die Martin Adomeit kurz besuchte. Helfen will auch die deutsche Botschaft in Nairobi, die diese Maßnahme unterstützte und weitere bereits in Planung hat, nicht nur in Nairobi. So wird auf Initiative der Botschaft eine Tischtennispräsentation beim Rugby-Länderspiel Kenia gegen Deutschland vor über 50.000 Zuschauern stattfinden.
Eines weiß Verbandspräsident Andrew Mudiobe bereits jetzt: Im Rahmen der LIEBHERR Weltmeisterschaften in Düsseldorf will er für Kontinuität in der ITTF unter der Führung von Präsident Thomas Weikert stimmen und damit für eine verlässliche Fortsetzung der Entwicklungsprojekte. Unabhängig davon will Mudiobe das Gespräch mit DTTB-Generalsekretär Matthias Vatheuer suchen und über weitere Projekte beraten.
In Düsseldorf wird Kenias Verbandspräsident dann auch ein Wiedersehen mit Martin Adomeit feiern, der dann als Betreuer der nigerianischen Stars Quadri Aruna und Segun Toriolla im Einsatz sein wird.
Enge Zusammenarbeit von ITTF und DTTB, DOSB und Auswärtigem Amt
Seit nunmehr 2006 engagiert sich der Deutsche Tischtennis-Bund in Zusammenarbeit mit dem Weltverband für die Entwicklung des Tischtennissports in afrikanischen Ländern. Der DTTB finanzierte u.a. Materialausrüsterpakete und förderte Projekte in Burundi, Kongo, Djibouti, Namibia und Togo. 2017 weitet der DTTB seine Tischtennis-Entwicklungshilfe auf neue Initiativen nicht nur in Kenia, sondern auch in der Elfenbeinküste und für syrische Flüchtlinge in der Türkei aus. Alle drei Projekte werden mit der Unterstützung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt realisiert.
Projekte auch in der Elfenbeinküste und für syrische Flüchtlinge
Unter der Leitung des deutschen Experten Felix Schmidt-Arndt bieten DOSB und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland im Juni 2017 eine Trainer-Aus- und Weiterbildung in der Elfenbeinküste an. Schwerpunkt des Workshops ist es, Multiplikatoren der Elfenbeinküste in der Sportart Tischtennis auszubilden. Die Coaching Klinik greift nicht nur bei der Umsetzung von Konzepten und Trainingsinhalten unter die Arme und bildet Multiplikatoren aus, Schmidt-Arndt berät den Verband auch in strukturellen und organisatorischen Fragen. Vor wenigen Tagen erst war in der Türkei ein Tischtennis-Ausbildungsprojekt für syrische Flüchtlinge zu Ende gegangen, das vom Deutschen Olympischen Sportbund in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt wurde.