Rio de Janeiro. Es war die Duplizität der Ereignisse: Gleicher Tisch, ein stark aufspielender Gegner aus den Top 30 der Welt, eine gemeinsame Rio-Vorbereitung mit dem Kontrahenten – und viel Erleichterung nach einem Siebensatz-Krimi. Wie Timo Boll am Sonntag hat es auch Dimitrij Ovtcharov in seinem Auftakteinzel in der Runde der letzten 32 spannend gemacht, sehr sogar. Mit 11:9 im Entscheidungssatz bezwang der an Position drei gesetzte Deutsche den für Katar startenden, früheren chinesischen Nationalspieler Li Ping.
„Ich habe ein sehr schweres Spiel erwartet. Wir haben uns sechs Wochen gemeinsam vorbereitet auf die Olympischen Spiele. Wir kennen und gut, das hat man gesehen, ich hatte sehr wenige Vorteile, er hat mich sehr clever angespielt. Spieler, die wie er in China ausgebildet wurden und Nationalspieler waren, sind technisch und taktisch auf einem sehr hohen Niveau. Er hat einfach auch gut gespielt“, bekannte Ovtcharov, der selbstkritisch anmerkte: „Das einzige, was ich mir vorwerfen kann, ist die Chancenverwertung. 8:4 im ersten Satz, 7:3 bei 3:2-Satzführung. Diese Sätze muss man holen, um es sich leichter zu machen. Gegen noch bessere Spieler kann man sonst nicht gewinnen“, sagte der Olympia-Dritte von London 2012.
"Olympia noch mal was ganz anderes"
Bei seinem ersten Auftritt in Rio wirkte der 27-Jährige phasenweise nervös, was sich etwa beim Timing des Aufschlags bemerkbar machte. „Vor Olympia gibt es sehr wenige Turniere. Man trainiert sehr viel, ist gefühlt in guter Form, weiß aber noch nicht richtig, wo man steht. Wenn die Zählgeräte umgeklappt werden bei Olympischen Spielen, die nur alle viere Jahre stattfinden, ist es einfach noch mal etwas ganz anderes“, erklärte Ovtcharov.
Bundestrainer Jörg Roßkopf hat seine beiden Schützlinge im Achtelfinale und ist daher zufrieden. „Es gibt genug Spieler, die schon draußen sind. Es war klar, dass das keine einfachen Spiele werden. Meine beiden Spieler sind weiter, deshalb ist alles gut“, sagte Roßkopf. In den beiden engen Matches habe auch die Erfahrung Ausschlag gegeben. „Die beiden haben über Jahre ja schon wichtige, große Spiele gemacht. Sie haben gezeigt, dass sie diese Spiele bestehen können. Bei 10:9 im siebten Satz zeigt sich dann der Unterschied, wie man den Ball reinspielt“, spielte Roßkopf auf den Matchball Ovtcharovs an.
Crisan schlägt Lee, Zhang Jike stark
Im Achtelfinale trifft der Europameister um 2.30 Uhr deutscher Zeit auf Bojan Tokic, der seinen in der Weltrangliste höher platzierten Saarbrücker Teamkollegen Tiago Apolonia aus dem Turnier warf. Am dritten Tag gab es weitere Überraschungen im Riocentro 3: So bezwang Adrian Crisan (Rumänien) den hoch eingeschätzten Koreaner Lee Sangsu in sieben Sätzen. Eine starke Vorstellung lieferte derweil der Titelverteidiger ab. Zhang Jike (China) schlug Chen Chien-An (TPE) mit 4:0 und scheint rechtzeitig zum Saisonhöhepunkt in Form zu sein.
Timo Boll trifft in seinem Achtelfinale um 22 Uhr deutscher Zeit auf Nigerias Quadri Aruna, der gestern sensationell mit 4:0 Chuang Chih-Yuan (TPE) ausgeschaltet hatte. Han Ying bekommt es um 16 Uhr mit Frankreichs Abwehrerin Li Xue zu tun.
Peti Solja: "Ich hatte kein Mittel gegen sie"
Im ersten olympischen Einzel ihrer Karriere musste Petrissa Solja die Überlegenheit von Ri Myong Sun aus Nordkorea anerkennen. Zweimal schon waren die beiden in der Vergangenheit aufeinandergetroffen, zweimal hatte die Abwehrspielerin relativ deutlich gewonnen – so auch diesmal. Was die 22-jährige Deutsche auch versuchte, ob schnelle oder langsame Bälle, eine andere Platzierung oder Rotationswechsel, Ri hatte meist die bessere Antwort parat und kam nicht in die Nähe eines Satzverlustes. „Ich habe sehr viel probiert, teilweise gute Bälle gespielt, aber eben zu selten gepunktet. Da frage ich mich dann, was ich noch spielen muss, um durchzukommen. Ich hatte einfach kein Mittel gegen sie. Sie ist in der Abwehr sehr dicht, spielt Schnittwechsel, greift gut mit der Vorhand an, klappt den Schläger ab, sodass man nicht weiß, wo sie hinzieht“, erklärte Solja.
Nach dem Aufstehen und dem Einspielen habe sie schon gemerkt, dass „ich heute nicht so flink bin. Da war ich nach der Eröffnungsfeier ja leichtfüßiger.“ Eine Erklärung könnte die Nervosität des Olympia-Debüts sein: „Ich habe schlecht geschlafen, gefühlt nur zwei Stunden. Normalerweise schlafe ich schnell ein, diesmal hat es eine halbe Stunde gedauert. Ich hatte auch Albträume, habe von Abwehr geträumt.“ Eine Ausrede sollte das aber nicht sein. „Spielerisch hat es nicht gereicht, ich bin einfach nicht durchgekommen“, so Solja. Die Nordkoreanerin wird in der Weltrangliste zwar nur auf Position 37 geführt und ist in Rio auf 21 gesetzt. Ihre wahre Leistungsstärke spiegelt das nicht wider. „Sie spielt nur zwei Turniere im Jahr und ist trotzdem auf 37. Von der Stärke schätze ich sie Top 15 oder sogar Top 10 ein. Für die erste Runde war das ein harter Brocken“, sagte die Deutsche und betonte: „Aber bei Olympia kann man es sich nicht aussuchen, da muss man gleich von null auf 100 Prozent oder mehr kommen.“
Für Solja geht es jetzt darum, das Einzel-Aus zu verarbeiten, der Mannschafts-Wettbewerb beginnt am 12. August. „Da bin ich dann nicht alleine in der Box sondern habe meine Kolleginnen an meine Seite, was auch noch mal hilft. Im Team haben wir eine ganz gute Auslosung und noch die Chance auf eine Medaille“, blickt die World-Cup-Dritte voraus.
Herren-Einzel
Letzte 32
Timo Boll – Alexander Shibaev RUS 4:3 (-12,4,-7,7,-10,10,6)
Dimitrij Ovtcharov – Li Ping QAT 4:3 (-8,4,9,-7,5,-9,9)
Achtelfinale
Timo Boll – Quadri Aruna NGR (Montag, 22 Uhr*)
Dimitrij Ovtcharov – Bojan Tokic SLO (Dienstag, 2.30 Uhr)
Damen-Einzel
Letzte 32
Han Ying – Nanthana Komwong THA 4:0 (2,4,4,3)
Petrissa Solja – Ri Myong Sun PRK 0:4 (-5,-7,-6,-6)
Achtelfinale
Han Ying – Li Xue FRA (Montag, 21 Uhr)
*deutsche Zeit
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