Berlin. Was für ein Spieltag in der 1. Bundesliga Damen mit teilweise kuriosen Ergebnissen! Nach dem Remis zwischen Kolbermoor und Bingen am Freitagabend, mussten die Bayern am Sonntag in Langstadt eine etwas unglückliche 4:6-Niederlage quittieren. Bingen kam im zweiten Teil seiner Bayern-Tour mit 0:6 beim neuen Spitzenreiter Dachau unter die Räder. Und der ESV Weil setzte dem Ganzen die Krone auf und gewann auch beim Serienmeister Berlin mit 6:4 – eigentlich unglaublich, aber dennoch wahr.
ttc berlin eastside – ESV Weil 4:6
Es lief alles so, wie es aus Berliner Sicht – zwei Tage nach dem Champions-League-Triumph in Metz – laufen sollte und wie es auch alle Experten getippt hatten. Aber nur bis zur 3:0-Führung für den ttc eastside.
Berlin war in derselben Aufstellung wie eine Woche zuvor beim Remis gegen Langstadt angetreten, also mit Sabina Surjan, Mia Griesel, Josi Neumann und Kathrin Mühlbach. Bei den Südbadenern fehlte die Ukrainerin Ievgeniia Sozoniuk, man ging mit Anna Hursey, Kornelija Riliskyte, Lea Lachenmayer und Daniela Ortega an die Tische. Die Chilenin Ortega zum zweiten Mal, während es für die junge Defensivkünstlerin Lachenmayer Saisonpremiere und somit ihr erster Einsatz in der 1. Bundesliga überhaupt war. Kein Mensch erwartete ernsthaft von dem Aufsteiger, dass er nach dem Coup gegen Kolbermoor erneut wieder einen der Topfavoriten schocken würde.
Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück: Bis zum 3:0 lief für die Hauptstädterinnen alles nach Plan. Erneut wurden beide Doppel gewonnen – Mia Griesel/Kathrin Mühlbach siegten deutlich gegen Riliskyte/Lachenmayer, Sabina Surjan/Josi Neumann knapp nach 0:2-Satzrückstand gegen Hursey/Ortega. Sabina Surjan baute durch ein 3:1 über Kornelija Riliskyte die scheinbar beruhigende Führung gegen den vermeintlichen Underdog aus.
Doch dann wendete sich das Blatt. Zunächst erkämpfte Anna Hursey das 1:3 aus Sicht der Gäste durch einen Fünfsatz-Sieg über eine keineswegs schwache Mia Griesel, die einen 0:2-Satzrückstand ausgleichen konnte. Daniela Ortega bewies erneut, dass Weil mit ihr einen guten Griff getan hat – die Südamerikanerin gönnte Josi Neumann keinen Satz, auch wenn es im zweiten Durchgang (15:13) extrem eng zuging. Es folgte der erste Auftritt von Lea Lachenmayer: Die erfahrene Kathrin Mühlbach gewann die ersten beiden Sätze sehr deutlich, die Weiler Defensivkraft erkämpfte sich den dritten Durchgang knapp (12:10) und bewies im vierten Satz bei einem 7:9-Rückstand, den sie in ein 11:9 ummünzte, Nervenstärke. Im Entscheidungssatz ging Lachenmayer mit 5:1 in Führung, Mühlbach kämpfte sich heran, auf 5:6, 6:7 und 8:9 – doch die Debütantin machte mit 11:8 den Sack zu. 3:3 – Weil war wieder mittendrin statt nur dabei und hatte Spaß an dem Duell gefunden, bei dem es nur etwas zu gewinnen gab.
Spitzenspiel Sabina Surjan vs. Anna Hursey: Die Berlinerin erkämpfte sich eine 2:1-Satzführung, Hursey glich aus, Surjan führte im Entscheidungssatz 9:7, doch dann war wieder Weils Nummer eins am Zug, die von den nachfolgenden sechs Punkten fünf machte und mit 12:10 gewann. Es war höchste Zeit für die Berlinerinnen, sich zurückzumelden. Mia Griesel tat es und entschied das umkämpfte Match gegen Kornelija Riliskyte mit 3:1 zu ihren Gunsten. 4:4, die Entscheidung musste im hinteren Paarkreuz fallen. Lea Lachenmayer krönte ihr tolles Erstliga-Debüt mit einem 3:1-Erfolg über Josi Neumann, der an diesem Tag ein wenig das Glück fehlte, und Daniela Ortega machte gegen Kathrin Mühlbach den Deckel drauf. Doch auch hier war es eine enge Geschichte: Ortega legte eine 2:0-Führung vor (11:8, 15:13), die Mühlbach egalisierte (11:9, 11:9), und im fünften Satz machte die erste Chilenin in der Geschichte der Damen-Bundesliga das Rennen (11:7). Das Unerwartete war eingetreten, der ESV Weil am Rhein klaut auch dem ttc eastside die Punkte!
„Wir haben heute tatsächlich nicht unseren besten Tag erwischt und müssen Weil zum verdienten Sieg gratulieren“, so Berlins Trainer Jens Ruland. „Unsere Aufstellung war eigentlich etwas anders geplant, aber manchmal kommen dann im Leistungssport auch Blessuren dazwischen. Damit müssen wir umgehen, und wir sind ja auch mit zwei gewonnenen Doppeln gut aus den Startlöchern gekommen und hatten unsere Chancen. Weil konnte sich dann in den Einzeln steigern und wir haben es nicht in jeder Situation geschafft, so dagegen zu halten, wie es notwendig ist, wenn man ein Bundesligaspiel gewinnen will. Wir werden die richtigen Lehren ziehen. Kompliment noch einmal an die Mannschaft aus Weil.“
Weils Abteilungsleiterin Doris Spiess gestand ein: „Wir sind selbst überrascht. Dass wir auch von Berlin nach dem Überraschungscoup vor einer Woche mit einem Sieg heimkehren, war nicht unbedingt zu erwarten. Zumal dieses Mal Ievgeniia Sozoniuk nicht mit dabei war. Zugegeben, Berlin trat auch nicht mit der besten Besetzung an und zu Beginn sah es gar nicht gut aus für uns. Erst beim Stand von 3:1 für Berlin lief es besser.“ Das hintere Paarkreuz sei der Schlüssel zum Erfolg gewesen: „Einer der Knackpunkte war das Match von Lea Lachenmayer, die einen deutlichen 0:2-Satzrückstand gegen Kathrin Mühlbach aufgeholt und in einen Sieg verwandelt hat. Überhaupt war das hintere Paarkreuz bärenstark und ließ weder gegen Josi Neumann noch gegen Kathrin Mühlbach einen Sieg zu. Anna Hursey tat sich zwar etwas schwer, hatte aber im entscheidenden Moment doch die Nase vorn. Alles in allem sind wir natürlich überglücklich über diesen Erfolg.“
TSV Dachau 65 – TTG Bingen/Münster/Sarmsheim 6:0
Der TSV Dachau, der sich als bisher einziger Bundesligist auf die Fahne schreiben darf, den ESV Weil geschlagen zu haben, vermieste den Rheinhessinnen ein Wochenende, das mit dem 5:5 in Kolbermoor so vielversprechend begonnen hatte.
Man trat vor 130 Besuchern in starker Aufstellung an, mit der Südkoreanerin Seoyoung Byun und Sabine Winter im vorderen Paarkreuz, hinten mit Tin-Tin Ho und der jungen Koharu Itagaki. Und erledigte vollkommen humorlos den „Job“ und gönnte den TTG-Assen Lea Rakovac, Diya Chitale, Elena Kuzmina und Karolina Mynarova nicht einen Matchgewinn. Nur fünf Sätze gingen an Bingen, das es lediglich in einem Doppel in den Entscheidungsdurchgang schaffte und ansonsten dem Gegner noch einige enge Sätze lieferte.
So hatte sich das der Gast nicht vorgestellt, auch wenn sich gezeigt hat, wie stark Dachau ist – im Vorfeld der Saison waren alle auf Berlin und Kolbermoor fixiert, einige Experten sahen auch Langstadt als Anwärter auf Titel und Erfolge, doch von Dachau war nie die Rede. Ein Fehler, wie man sieht, denn diese Truppe muss erst einmal geschlagen werden. Kolbermoor hat das zwar vor drei Wochen geschafft, doch da war Dachau personell deutlich schwächer besetzt als in Weil und gegen Bingen.
Das 0:2 in den Doppeln stimmte die letzte Saison so doppelstarken Bingenerinnen aber schon darauf ein, dass Ungemach drohte – mit 2:3 unterlagen Rakovac/Chitale ihren Gegnerinnen Byun/Itagaki, während Kuzmina/Mynarova sich gegen Winter/Ho zwar den ersten Satz schnappen konnten, danach aber keinen Stich mehr machten. Seoyoung Byun hatte mit Diya Chitale wenig Mühe (11:6, 11:8, 11:5) und Sabine Winter besiegte Lea Rakovac in einem sehenswerten Match mit 3:1.
4:0 für Dachau, würde dem Gast im hinteren Paarkreuz noch etwas einfallen, um das Schlimmste abzuwenden? Nicht wirklich muss man konstatieren. Karolina Mynarova konnte beim 0:3 gegen Englands Nummer eins Tin-Tin Ho nur den dritten Durchgang offen gestalten und Dachaus „Nesthäkchen“ Koharu Itagaki wollte ihren Kolleginnen nicht nachstehen und lieferte der erfahrenen Elena Kuzmina, in Kolbermoor noch überragend, ein heißes Duell, das sie nervenstark ins Ziel brachte (11:8, 10:12, 12:10, 13:11).
„Es war ein perfektes Heimspiel, es haben alle super gespielt und das Team hat gut funktioniert“, lobte Dachaus Trainer Alexander Yahmed. „Sowas freut den Trainer.“ Yahmed räumte ein: „6:0 ist etwas hoch, aber wenn alles passt und alle ihr volles Potential abrufen, kann so etwas passieren, doch uns ist schon klar, dass so etwas nicht allzu oft passieren wird und schon das nächste Spiel wieder eine 50/50-Angelegenheit sein wird.“
Der Vorsitzende Joachim Lautebach kommentierte für Bingen: “Sehr starke Mannschaft von Dachau in Bestbesetzung, in dieser Aufstellung kann Dachau auch Berlin und Kolbermoor gefährlich werden. In drei Spielen hatten wir die Möglichkeit, das Ergebnis freundlicher zu gestalten, was uns aber leider nicht gelungen ist. Ein verdienter Sieg von Dachau.“
Erst am 8. Dezember gehen die Oberbayern wieder an die Tische – und das auch noch beim ttc berlin eastside. Dass es da kein weiteres 6:0 für Winter und Co. geben dürfte, liegt auf der Hand, zumal der Rekordmeister nach zwei durchwachsenen Partien sicher in starker Besetzung auflaufen wird. Die TTG kann sich bereits am kommenden Wochenende den Frust von der Seele spielen, muss dazu aber in Weinheim und gegen Langstadt bestehen – echte Herausforderungen für das Team aus Rheinland-Pfalz, doch wer weiß schon, was in dieser im besten Sinne verrückten Liga noch alles passiert.
TSV Langstadt – SV DJK Kolbermoor 6:4
Keiner der 200 Tischtennisfans am Sonntagnachmittag in der Langstädter Eckehard-Colmar-Halle bereute sein Kommen. Sie erlebten ein phasenweise hochklassiges, äußerst intensives Bundesligaspiel mit vielen umkämpften Matches. Und dem Gastgeber, der zum Rundenbeginn etwas schwer aus den Startlöchern gekommen war, glückte im dritten Spiel der erste Saisonsieg.
Und das gegen das hoch gehandelte Team aus Kolbermoor, dem viele in dieser Saison den Meistertitel zutrauen. Zwar fehlte beim Gast die erkrankte Nummer zwei Qianhong Gotsch, ansonsten waren aber namhafte Spielerinnen aus Oberbayern angereist, so die neue Spitzenspielerin Annett Kaufmann, Hana Arapovic und Kristin Lang. Position vier nahm Laura Tiefenbrunner ein.
Bei den Südhessen spielte Chantal Mantz nur im Doppel, das sie an der Seite von Izabela Lupulesku spektakulär gegen Kaufmann/Arapovic mit 12:10 im fünften Satz gewann. Die etatmäßige Nummer zwei des TSV pausierte aber in den Einzeln, da fünf Spielerinnen an Bord waren. Man entschied sich für die Aufstellung Paranang, Schreiner, Lupulesku, Klee.
Das Heimdebüt der beiden Langstädter Neuzugänge wurde zu einer Erfolgsstory. Sie blieben in ihren Einzeln ungeschlagen und verbuchten somit vier wichtige Punkte.
Orawan Paranang spielte beeindruckend vor ihren neuen Fans auf, die sie zum ersten Mal zu Gesicht bekamen und staunten. Zunächst hatte die 27-jährige, 1,53 Meter kleine Thailänderin die Kroatin Hana Arapovic gut im Griff, später kam Annett Kaufmann an die Reihe, die in ihrem ersten Match gegen Franziska Schreiner (3:0) noch Traumbälle in Serie gespielt hatte. Auch die Olympia-Heldin von Paris fand kein Rezept gegen Langstadts Asiatin und musste ein drastisches 2:11, 8:11, 2:11 quittieren.
Aber auch Sophia Klee brillierte. 4:9 hatte die Nordhessin in Diensten der Südhessen im Entscheidungssatz gegen Kristin Lang zurückgelegen. Nach einer furiosen Aufholjagd hieß es am Ende 12:10 für Klee, die später im letzten Match des Tages dann für ihr Team den Sack zumachte und Laura Tiefenbrunner beim 3:0 keine Chance ließ. Gegen Tiefenbrunner hatte zuvor auch Izabela Lupulesku, ebenfalls ohne Satzverlust, punkten können.
Für Kolbermoor waren das Doppel Lang/Tiefenbrunner (3:0 gegen Schreiner/Klee), Annett Kaufmann (3:0 gegen Schreiner) sowie beim Stand von 2:5, als man nochmals einen Zwischenspurt einlegte, Hana Arapovic (3:2 gegen Schreiner) und Kristin Lang (3:2 gegen Lupulesku) erfolgreich.
„Ein tolles Spiel“, freute sich der Sportliche Leiter Manfred Kämmerer. „Die Fans waren super und haben unsere Mädels immer wieder nach vorne gepeitscht. Sensationell war der Heimeinstand unserer beiden Neuzugänge Orawan und Sophia. Wie Orawan gegen Kaufmann und Arapovic dominiert hat, war absolut beeindruckend.“ Auch die Thailänderin war von den Zuschauern begeistert: „Meine Teamkameradinnen hatten mir vorher gesagt, dass die Stimmung in Langstadt sehr gut ist. Aber was hier heute los war, hat mich doch sehr beeindruckt. So kannte ich das nicht beim Tischtennis, das war unglaublich.“ Sophia Klee war ebenfalls rundum zufrieden: „Das hat heute richtig Spaß gemacht. Bislang habe ich die Langstädter Fans als Gast „gefürchtet“, heute haben sie für mich gejubelt. Nach dem verpatztem Start im Doppel bin ich sehr froh, zwei Einzel gewonnen zu haben. So kann es gerne weitergehen.“
„Für uns natürlich wieder eine bittere Niederlage“, räumte Dr. Michael Fuchs, Trainer des SV DJK Kolbermoor, ein. „Leider konnten wir auch diesmal zwei der engen Spiele nicht gewinnen. Das Doppel Hana und Annett hatte auf jeden Fall seine Chance und Kristin hatte gegen Sophia Matchbälle, die sie leider nicht nutzen konnte. Eigentlich sind wir sehr gut gestartet - Kristin und Laura haben souverän ihr Doppel gewonnen und da hatten wir natürlich die Hoffnung, mit 2:0 aus den Doppeln zu gehen.“ Fuchs konstatierte: „Das Niveau war phasenweise gut, es gab aber auch Momente, wo die Auswirkungen von Verletzungen/Krankheit/Trainingsrückstand sichtbar wurden. Annett war kaum noch gehandicapt. Da sie allerdings die ganze Woche pausieren musste, fehlte ihr verständlicherweise etwas Spielpraxis, was man in ihrem zweiten Einzel gesehen hat.“ Im Spitzenpaarkreuz spielte man 2:2: „Sowohl Annett als auch Hana haben sehr gut gegen Franzi gespielt, gegen Orawan Paranang gab es allerdings heute wenig zu holen. Sie hat wirklich sehr gut gespielt - das muss man dann auch einfach akzeptieren. Im hinteren Paarkreuz war es dann sozusagen das Break von Sophia gegen Kristin, das den Unterschied gemacht hat.“ Das Fazit aus Sicht der Gäste: „Insgesamt für uns ein sehr schweres Wochenende. Unter den Voraussetzungen müssen wir mit dem einen gewonnen Punkt gegen Bingen zufrieden sein, auch wenn wir uns natürlich im Vorfeld mehr erhofft hatten.“
Langstadt verbesserte sich auf Platz drei (3:3 Punkte), empfängt am kommenden Samstag den Favoritenschreck Weil und muss tags darauf nach Bingen, während Kolbermoor (3:5 Punkte, Platz vier) erst wieder am 06.12. an die Tische geht – der Gegner ist kein Geringerer als der ttc berlin eastside.
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