Berlin/Weil am Rhein. Manche sagen, dass mit den Play-offs die Saison erst richtig beginne. Das teilen wir so nicht, schließlich haben wir seit Oktober 2024 so viele spannende, teilweise dramatische Bundesligapartien mit begeisterten Fans erlebt. Was aber zutrifft ist, dass nun die Karten komplett neu gemischt werden. Gerade in dieser Saison scheint in Hinblick auf den Titel alles möglich. Am Freitag und Sonntag steigt die mit Spannung erwartete erste Play-off-Runde. Wer möchte schon Prognosen wagen, wenn der ttc berlin eastside und der SV DJK Kolbermoor sowie der ESV Weil und der TSV Langstadt aufeinandertreffen. Welche beiden Klubs aus diesem Quartett den Einzug in die Halbfinals schaffen, erscheint völlig offen. Vielleicht werden wir ja auch wieder ein Golden Match erleben, was eine prickelnde Atmosphäre bis zur letzten Sekunde bedeuten würde. Lassen wir uns überraschen.
Freitag, 18 Uhr: ttc berlin eastside – SV DJK Kolbermoor; Sonntag, 14 Uhr: SV DJK Kolbermoor – ttc berlin eastside
Jetzt gilt es. Am Freitag beginnt die heiße Phase im Kampf um die Deutsche Meisterschaft mit den Viertelfinal-Play-offs, zwei Tage später fällt in den Rückspielen die Entscheidung. berlin eastside und Kolbermoor, der Rekordmeister gegen den Champion von 2022 – zwei überaus klangvolle Namen im deutschen Damen-Tischtennis. Ein Klassiker, der den Fans schon so viele hoch spannende Duelle beschert hat. Vielleicht stehen wir unmittelbar vor zwei weiteren Aufeinandertreffen der Superlative.
Die junge Berliner Mannschaft hat natürlich Rückenwind und reichlich Selbstvertrauen, denn vor einer Woche wurde im polnischen Tarnobrzeg das Unmögliche möglich gemacht und der Finaleinzug in die Champions League geschafft, und das nach einem 1:3 im Hinspiel in eigener Halle. 3:0 hieß es in Polen sensationell für die Hauptstädterinnen, die anschließend auch im Golden Match kein Spiel abgaben – und das bei einem Team, das dreimal in Folge Europas Thron bestiegen hatte und als das Nonplusultra des kontinentalen Tischtennis galt.
Dabei glänzten Sabina Surjan und Mia Griesel, die natürlich auch gegen Kolbermoor aufschlagen werden. Auch wenn die routinierte Shan Xiaona und die ohnehin verletzte Nina Mittelham in den Play-offs nicht startberechtigt sind, sieht es nach einer guten Berliner Aufstellung aus. Die 18-jährige japanische Defensivspielerin Yuka Kaneyoshi könnte auf der Spitzenposition aufschlagen – und die müssten auch die Kolbermoorer Asse erst einmal bezwingen. Bei ihren bisherigen drei Punktspieleinsätzen, alle in der Rückrunde, hat Kaneyoshi unter anderem die Weinheimerinnen Chien Chung-Tuan und Yuan Wan, Dachaus Abwehrkünstlerin Byun Seoyoung und Weils Jungstar Anna Hursey besiegt. Nur einer Sabine Winter in Galaform musste sie gratulieren. An Position zwei wird Sabina Surjan spielen, an drei die in der Liga sowie in Tarnobrzeg so starke Mia Griesel und an vier die 15-jährige Josi Neumann. Damit wird abermals ein sehr junges Berliner Team an die Tische gehen, das aber schon jetzt auf einem sehr hohem Niveau agiert.
Kolbermoor wird wohl das 18-jährige Angriffs-Ass Annett Kaufmann, die in der Rückrunde nur zwei Matches verloren hat, sowie die 20-jährige Kroatin Hana Arapovic und die erfahrenen Kräfte Qianhong Gotsch und Kristin Lang dagegenstellen. Das sind nicht nur wohlklingende Namen, sondern bürgt für sportliche Qualität.
Das letzte Aufeinandertreffen liegt erst vier Wochen zurück. Am 4. April standen sich beide Teams zum Abschluss der Punktrunde in der Berliner "Heyse25" gegenüber. Am Ende hieß es 6:3 für die Oberbayern. Dennoch ist es ein Muster ohne Wert gewesen, aus dem sich keine Schlüsse für das nun anstehende Duell zweier Giganten des deutschen Damentischtennis ziehen lassen. Abgesehen davon, dass die Zuschauer ein munteres Spiel erlebt hatten, war der ttc eastside stark ersatzgeschwächt an die Tische gegangen und Kolbermoor gar nur zu dritt angereist, da Qianhong Gotsch aus privaten Gründen unabkömmlich war und aufgrund internationaler Turnierverpflichtungen niemand einspringen konnte. Dies wird nun anders sein, beide Teams werden sich in Bestbesetzung gegenüberstehen, sodass es sehr, sehr spannend zu werden verspricht.
Das Hinspiel Anfang Dezember in Kolbermoor endete mit einem 6:4 für den Gastgeber. Damals war natürlich noch keine Kaneyoshi bei eastside am Start, dennoch war die Mannschaft gar nicht so weit von einem Punktgewinn entfernt. Allerdings fehlte beim Gastgeber die routinierte Kristin Lang.
Für den ttc eastside äußert sich im Vorfeld der Viertelfinal-Partien Manager Andreas Hain: „Wir gehen davon aus, dass Kolbermoor in Bestbesetzung gegen uns antreten wird und deshalb auch klarer Favorit ist. Die Saison geht eh erst in den Play-offs so richtig los…. Wir werden mit unserer jungen Mannschaft aber alles geben und wie schon in der Champions League auf eine Überraschung hinarbeiten. Unser Team ist fokussiert und alle wollen liebend gerne die Saison auch in der Bundesliga noch ein bisschen verlängern.“
Kolbermoors Trainer und Abteilungsleiter Dr. Michael Fuchs sagt: „Die Karten werden neu gemischt. Sowohl wir als auch Berlin werden in einer anderen Aufstellung auflaufen, weshalb das letzte Spiel in der Hauptrunde nicht aussagekräftig ist. Berlin geht sicher mit breiter Brust ins Spiel nach der Champions League, was uns aber jetzt nicht vor Angst erstarren lässt beziehungsweise für uns die Situation nicht ändert. Mir war davor auch klar, dass Berlin ein harter Brocken ist, wenn sie mit der Japanerin spielen sollten, und dass wir sie auch trotz der von anderen oft etwas belächelten Jugendlichkeit nicht unterschätzen werden.“ Die Oberbayern werden mit „voller Kapelle“ am Start sein: „Wir werden bestmöglich mit kompletter Mannschaft vor Ort sein und stellen uns auf einen harten Kampf ein. Es gibt viele 50/50 Spiele und ich sehe weder uns noch Berlin als Favoriten - wie so oft werden Kleinigkeiten, vielleicht die Doppel, entscheiden.“
Beide Partien werden in guter Qualität im Livestream zu sehen sein.
In Berlin wird wieder das bewährte TV-Team um Bernd Guder im Einsatz sein. Hier die Links zu den beiden Tischen:
www.youtube.com/live/Fil0j4Rznis
www.youtube.com/live/R0GkgTkvEII
Das Rückspiel wird der SV DJK Kolbermoor auf seinem Youtube-Kanal übertragen.
Hier der direkte Link zum Spiel: https://www.youtube.com/live/OpL7hQTIigY
Man könnte sich durchaus vorstellen, dass es zwischen den alten Rivalen über die volle Distanz inklusive Golden Match geht. Über die Play-offs sowie das Golden Match sollte man folgendes wissen: Der Modus ist einfach. Sieger einer Play-off-Runde ist die Mannschaft, die beide Spiele gewinnt. Steht es nach den beiden Spielen unentschieden, egal wie die Ergebnisse lauten – also auch bei einem 6:0 und 4:6, natürlich auch bei zweimal 5:5 – wird ein Entscheidungsspiel direkt im Anschluss an das Rückspiel ausgetragen, das sogenannte Golden Match. Es werden nochmals zwei Doppel und vier Einzel gespielt. Dabei besteht jedes Spiel aus nur einem Satz, der bis zum elften Gewinnpunkt gespielt wird, ohne Verlängerung. Sieger ist diejenige Mannschaft, die zuerst vier Punkte erzielt. Sollte es nach den sechs Spielen 3:3 stehen, entscheidet die Balldifferenz. Ist auch diese gleich, wird jeweils eine Spielerin pro Mannschaft benannt, die in einem Satz bis sechs Punkte ohne Verlängerung (Aufschlagwechsel nach jedem Punkt) das Siegerteam ermitteln. Es geht dann Schlag auf Schlag - viel schneller, als es sich manche vorstellen, die es noch nicht erlebt haben -, und die Atmosphäre ist hoch emotional und richtig prickelnd.
Freitag, 19 Uhr: ESV Weil – TSV Langstadt; Sonntag, 14 Uhr: TSV Langstadt – ESV Weil
Nach einer sehr guten Vorrunde und einer durchwachsenen Rückserie kam der TSV Langstadt als Tabellenvierter der Bundesliga-Punktrunde über die Ziellinie.
Somit haben sich die Südhessinnen in den Play-offs zunächst mit dem Ligafünften ESV Weil auseinanderzusetzen. Am Freitagabend geht es im badischen Dreiländereck an die Tische, das Rückspiel steigt zwei Tage später in der Langstädter Eckehard-Colmar-Sporthalle – dort wird definitiv die Entscheidung fallen, wer ausscheidet und wer sich in den Halbfinals am 30.05. und 01.06. mit dem Punktrundengewinner Weinheim um den Einzug in die beiden Endspiele duelliert.
Der Eisenbahner Turn- und Sportverein Weil am Rhein 1926 e.V. ist keine Laufkundschaft und hat sich in dieser Saison wiederholt als Favoritenschreck entpuppt. Als Aufsteiger die Teams aus Kolbermoor, Berlin und Weinheim sowie, im Rückspiel, den TSV Langstadt zu schlagen – das muss man erst einmal schaffen. Und das 5:5 im letzten Spiel beim Tabellenzweiten Dachau war ebenfalls aller Ehren wert. Ein vollkommen unberechenbarer Gegner, der unbeschwert aufspielen kann, da er mit dem Einzug in die Viertelfinals sein Saisonziel bereits erreicht hat. Unerfahren ist man aber in Sachen Play-offs nicht, schließlich ist es für den ESV bereits die dritte Endrunden-Teilnahme im vierten Bundesligajahr.
Mit der erst 18-jährigen Anna Hursey aus Wales hat Weil eines der hoffnungsvollsten Talente in Europa in seinen Reihen. Ihre Bundesliga-Bilanz im Spitzenpaarkreuz ist mit 13:5 erste Sahne. Auch die Chilenin Daniela Ortega, die vor der Runde überhaupt niemand auf dem Schirm hatte, hat sich als echte Bereicherung der Liga entpuppt und die Runde mit 10:5 Siegen klar positiv beendet. Auf der Hut sein muss man auch vor der Ukrainerin Ievgeniia Sozoniuk, deren virtuoses Kurznoppenspiel immer gefährlich ist. An Position vier spielt die 20-jährige deutsche Abwehrspielerin Lea Lachenmeyer, die in ihrer Bundesliga-Premierensaison beinahe ausgeglichen spielte (6:7). ebenfalls zum Team zählt die 22-jährige Litauerin Kornelija Riliskyte. Sehr gut harmoniert das Weiler Spitzendoppel Hursey/Sozoniuk, das eine 5:2-Bilanz erzielt hat.
„Wir freuen uns schon auf das Kräftemessen mit dem TSV Langstadt“, bekundet Weils Abteilungsleiterin Doris Spiess. „In der regulären Runde gab es ja zwei völlig verschiedene Spiele der beiden Kontrahenten. Jetzt werden die Karten neu gemischt und es ist alles völlig offen. Es wird natürlich sehr stark von der Aufstellung der Langstädter abhängen. Bei uns sind jedenfalls alle Spielerinnen mit an Bord und auch heiß auf das Play-off-Viertelfinale.“
Langstadts Sportlicher Leiter Manfred Kämmerer gibt zu Protokoll: „Das wird natürlich eine ganz schwere Aufgabe für unser Team. Vor einigen Wochen haben wir in Weil eine schwere Niederlage kassiert. Da müssen wir diesmal auf jeden Fall ganz anders auftreten, um eine Chance zu haben.“ Kämmerer spielt auf das Rückrundenspiel des TSV am 9. Februar in Weil an, das gründlich in die Hose ging. Obwohl der Gastgeber ohne Hursey auskommen musste, ließ er Mantz und Co. beim 6:3 ziemlich alt aussehen. Das Hinspiel Ende November hatten die TSV-Asse noch klar dominiert (6:1), auch damals fehlte indes Hursey und Langstadt trat in absoluter Topformation auf.
„Unser letztes Saisonspiel ist nun schon über acht Wochen her“, so Langstadts Trainerin Anna Rauch. „Da bleibt natürlich auch abzuwarten in welcher Form sich die Spielerinnen befinden. Natürlich haben sie in der Zwischenzeit einige internationale Turniere gespielt. Ein Play-off-Spiel ist aber eine ganz andere Nummer.“
Wie immer macht Langstadt keine Angaben zur Aufstellung. Es bleibt also vorerst offen, ob die Thailänderin Orawan Paranang dabeisein wird, die zuletzt am 24. November 2024 für den TSV an den Tisch gegangen war und in der gesamten Rückrunde zu keinem einzigen Einsatz gekommen ist. Die 27-jährige Linkshänderin hatte mit ihrer 9:1-Bilanz erheblichen Anteil an der guten Langstädter Vorrunde. Ansonsten würde es einmal mehr auf die Aufstellung Chantal Mantz, Franziska Schreiner, Izabela Lupulesku, Sophia Klee hinauslaufen.
Auch hier erscheint ein Golden Match alles andere als undenkbar. Die Langstädter Fans wissen, wie spannend es da zugeht. Sie haben sicher noch das Viertelfinal-Duell vor einem Jahr gegen Bingen in Erinnerung, das der TSV erst im “Nachsitzen” hauchdünn für sich entscheiden konnte. Damals kamen ihre Idole nach einem 3:3 mit 60:57 Bällen weiter.
Livestream Hinspiel: https://www.youtube.com/watch?v=llmHTJK_MU4
Livestream Rückspiel: https://tsv-langstadt.de/tischtennis/livestream
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Der Erste und Zweite der Punktrunde – Weinheim und Dachau – greifen erst in einem Monat in den Halbfinals ins Geschehen ein. Dies bringt zunächst einmal den Vorteil mit sich, dass man bereits unter den besten Vier vertreten ist, während sich das Quartett, das am Freitag an die Tische geht, erst einmal dort hinarbeiten muss, wobei ein Duo naturgemäß auf der Strecke bleibt. So spät einzugreifen hat aber auch Nachteile, so etwa dass man zumindest als Team extrem lange ohne Wettkampfpraxis ist, wenn es dann alles oder nichts heißt. Und dass man den Fans weniger Tischtennis bieten und ein Heimspiel weniger vermarkten kann. Also wie im „richtigen Leben“: Alles hat seine Licht- und Schattenseiten. Das Scheinwerferlicht fällt nun erst einmal auf die Teams aus Berlin, Kolbermoor, Weil und Langstadt, die von Freitag bis Sonntag im Fokus der Tischtennisfans stehen werden.
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