Düsseldorf. Die Rheinische Post zeichnete am Montag wieder Frauen und Männer in sechs Kategorien als "Düsseldorfer/innen des Jahres 2024" aus. In der Kategorie "Ehrenamt" wurde die Golden Badge-Schiedsrichterin und Wahl-Düsseldorferin Anja Gersdorf geehrt.
Norbert König, langjähriger TV-Spormoderator und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Tischtennis-Bundes hielt im Rahmen der Gala eine Laudatio auf Anja Gersdorf:
"Vernünftige Regeln sollte man einhalten. Andere sagen, manche zum Glück nur scherzhaft: Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden. Ich möchte ganz kurz über eine Regel sprechen, die in der Sportart, für die ich ein besonderes Faible habe, tagtäglich weltweit millionenfach gebrochen wird. Bei der Erklärung hilft mir dieses auf exakt sechzehn Zentimeter gestutzte Stückchen Zollstock. So hoch nämlich soll beim korrekten Aufschlag der Tischtennisball mindestens geworfen werden – und ich will jetzt gar nicht von den mindestens drei anderen Bedingungen reden, die eine Spielerin oder ein Spieler im Kreisklassen-Duell oder im WM-Finale auch noch erfüllen muss, damit sein oder ihr Aufschlag ein regulärer ist, in der schnellsten Rückschlagsportart der Welt.
Und hier kommt nun die Regelhüterin ins Spiel. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und Kollegen im Spitzensport Fußball hat Anja Gersdorf keinen VAR in der Hinterhand, der im Düsseldorfer Keller beim Match zwischen Timo Boll und Dima Ovtcharov nach dem Rechten sehen würde. Umso mehr sind bei ihr am Tischtennis-Tisch Augenmaß und Fingerspitzengefühl gefordert – und jede Menge Herzblut, denn Tischtennis-Schiedsrichterin zu sein, ist ein Ehrenamt auf Lebenszeit, so sagt sie selbst.
Aus reiner Neugier hat die Freizeitspielerin Anja noch als Teenager den Weg durch die verschiedenen Leistungsstufen des Schiedsrichterwesens beschritten und darf sich jetzt „International Umpire Gold Badge“ nennen – das ist absolute Weltklasse – weniger als 25 Menschen sind bisher vom Weltverband mit diesem Titel geadelt worden.
Mit Gelassenheit, Ruhe und Kompetenz und einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein hat sich Anja Gersdorf diesen Ruf verdient und schreckt auch nicht davor zurück, einem olympischen Medaillengewinner die ersten Aufschläge abzuzählen - und dem Gegner gutzuschreiben -, wenn denn die Regeln allzu deutlich verletzt wurden. Denn Fair geht vor im Sport ganz allgemein, und im Tischtennis-Sport ganz besonders – deshalb halten sich die großen Konfliktfälle da auch in Grenzen.
Tischtennis ist für Anja Gersdorf eine Herzenssache. Dafür investiert sie viel Zeit, Energie und Geld. Sie ist nicht nur weltweit als Unparteiische unterwegs, sondern auch aktive Spielerin und Damenwartin in ihrem Club, und obendrein noch Beauftragte für Schiedsrichter-Gewinnung und Vernetzung im Deutschen Tischtennis-Bund. Sie will Kolleginnen und Kollegen inspirieren, motivieren, und natürlich neue gewinnen für den unbezahlten Nebenjob am Tisch.
So ganz nebenbei engagiert sie sich noch für die Versorgung bedürftiger Menschen, rettet schnell am Unterbacher See ein paar Kröten (echte Kröten natürlich, nicht Moneten) – ach ja, und drei Kinder sind ja auch noch zu erziehen.
Übrigens: Diese Laudatio widme ich gleichzeitig einem Mann, der heute nicht hier sein kann – es ist Anja Gersdorfs Ehemann Eike, ebenfalls ein internationaler Schiedsrichter im Tischtennis. Er hat sich schon vor vielen Jahren entschieden, hier und da kürzer zu treten, um seiner ehrenamtlich viel beschäftigten Frau den Rücken freizuhalten. So ist er irgendwie mit verantwortlich, dass Anja Gersdorf heute der Titel „Düsseldorferin des Jahres“ im Bereich Ehrenamt verliehen wird."