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Bei den Damen ist die Bank eine Bank: Annett Kaufmann mit Sabine Winter nach Spielende gegen Indien (Foto: Birgit Schmidt)
Annett Kaufmann beschreibt die Abläufe rund um ein WM-Länderspiel, analysiert die Indien-Partie und verrät, welches Kartenspiel hoch im Kurs steht

Annetts WM-Tagebuch: Mit dem Team gekämpft - von der Bank aus

Annett Kaufmann 01.10.2022

Chengdu. Annett Kaufmann führt im Wechsel mit Fanbo Meng auf tischtennis.de Tagebuch über ihr WM-Debüt in Chengdu. In Teil fünf beschreibt die 16-jährige sportartübergreifende Newcomerin des Jahres den Ablauf vor einem WM-Länderspiel, währenddessen und danach, lässt die Indien-Partie Revue passieren und verrät, welches Kartenspiel bei Team Deutschland in Chengdu hoch im Kurs steht.

Ying hat einfach herausragend gespielt

"Wir hatten im Spiel gegen Indien einen sehr guten Start. Ying hat Manika Batra gar keine Chance gelassen. Sie hat in ihren beiden Einzeln einfach herausragend gespielt, sehr konstant. Bei Nina war es im ersten Einzel zum Teil unglücklich und schade. Ich kenne ihre Gegnerin. Sie spielt sehr gut mit ihrem Material und hat ihre Chancen genutzt. Nina wiederum musste erst einmal ins Turnier hineinfinden.

Das ging Sabine wohl ähnlich. Wir konnten vorher nicht oft in der Haupthalle trainieren. Die Bälle springen dort anders. Es ist teilweise so, als würden sie in der Luft stehen bleiben. Nana und ich hatten von der Bank aus den Eindruck, dass Sabine das Probleme bereitet hat. Ihre Gegnerin hat aber gut platziert und jede Chance genutzt, die sich ihr geboten hat, und sich bei Rückständen immer wieder aufgebaut. Es ist schwer zurückzukommen, wenn eine Gegnerin echt gut spielt. Als es das 'Medial Timeout' gab, weil ihre Gegnerin sich verletzt hatte, konnte Sabine danach leider nicht das Spiel zumachen. Das lag auch an der mentalen Stärke ihrer Gegnerin. Nach 9:10 und Verletzung so gute Ballwechsel zu spielen und in der Verlängerung zu gewinnen, ist sehr stark.

Bei 1:2 waren wir schon nervös, als Nina gegen Manika Batra gespielt hat. Aber wir kennen ja Nina: Sie mag es, gegen Material zu spielen. Ich denke, ihr lag das Spiel, dass Manika nicht nur mit der langen Noppe gespielt, sondern auch gedreht hat und somit ein Rhythmus entstanden ist. Ein anderer Rhythmus zwar als im Spiel davor, aber sie hat sich reingekämpft. Nach dem ersten Satz hat sie das mega gut gemeistert und ihrer Gegnerin kaum Chancen gelassen.

Am Ende hat Ying wieder herausragend gespielt. Das war wirklich eine Topleistung von Ying heute. Aber auch von den anderen, auch wenn es in einigen Spielen nicht so ausgegangen ist, wie wir uns das erhofft hatten. Alle haben ihr Bestes gegeben. Wir sind bei einer WM, da wird kein Punkt geschenkt, sondern jeder Punkt erarbeitet. Schließlich sind unsere Gegnerinnen aus einem bestimmten Grund hier!

So ein Match ist schwer allein durch spielerische Leistung zu gewinnen

Nana, Tamy und ich haben von der Bank aus angefeuert, wenn die anderen beiden sich eingespielt haben oder in der Umkleide waren. Wir sind ein starkes Team, und das war wirklich richtig wichtig heute, denn so ein Match ist schwer allein durch spielerische Leistung zu gewinnen.

Vorher waren wir alle ziemlich nervös, nicht schlimm nervös, sondern positiv aufgeregt. Es wäre falsch, nicht nervös zu sein. Immerhin war es das erste Spiel bei dieser WM, und dann noch gegen Indien mit seinen guten Materialspielerinnen. Wir haben unsere Nervosität gut überspielt, so dass man es von außen kaum gemerkt hat. Und wir waren bereit zu kämpfen.

Wie eine Verrückte herumgeschrien

Vor dem Match habe ich Sabine eingespielt, ein paar andere Übungen gespielt und Aufschlag - frei, damit sie gut reinkommt. Im Spiel war meine Aufgabe, von der Bank aus anzufeuern. Zusammen mit Tamy und Nana war ich Team-Supporter. Ich habe Sachen aus der Players' Lounge für die anderen geholt, wenn sie etwas gebraucht haben. Ich habe die Drei am Tisch unterstützt und wie eine Verrückte herumgeschrien. Das haben wir vor allem gegen Ende alle gemacht. Ich habe mit dem Team gekämpft, bloß halt von der Bank aus, so würde ich das beschreiben.

Vor dem Einzel habe ich versucht, ein bisschen Zuspruch und Selbstvertrauen zu geben. Nach dem Spiel bin ich in die Players' Lounge gelaufen, habe ich meine Teamkolleginnen erst ein bisschen in Ruhe gelassen und dann versucht aufzubauen. Viel habe ich davor und danach aber nicht gemacht, eher währenddessen. Jeder hat nämlich seine eigenen Rituale vor einem Match, jeder hat seine eigenen Sachen nach dem Match, je nachdem ob er gewonnen oder verloren hat. Da möchte ich mich nicht einmischen. Falls die Person etwas braucht, bin ich da, falls nicht, ist das auch nicht schlimm.

Spiele-Tipp: Cabo

Unser Ablauf vor dem Indien-Spiel: Nach der Teambesprechung am Freitag sind wir alle gemeinsam zum Abendessen gegangen. Danach haben Sabine, Nina und ich Cabo gespielt, ein Kartenspiel, das Sabine von unserer Physiotherapeutin Annette Zischka zum Geburtstag überreicht bekommen hat. An den Vortagen haben unsere Physios Annette und Birgit noch mitgespielt, und Tamy hat zugeschaut. Es ist eine Routine geworden, dass wir abends Gesellschaftsspiele spielen. Wir haben zwar mehr Spiele dabei, bleiben aber meist bei Cabo, weil uns allen das so gut gefällt. Sabine gewinnt meistens, egal wer sonst noch mitspielt. Übrigens: Wenn man müde und nicht mehr konzentriert ist, hat man bei dem Spiel ein echtes Problem!

Danach ging's zum Schlafen. Heute Morgen haben wir zusammen gefrühstückt, jede hat sich fertig gemacht, die Tasche gepackt und den Shuttle-Bus um 10.30 Uhr zur Halle genommen. Dort haben wir uns aufgewärmt, danach habe ich mit Nana trainiert und als die anderen es gebraucht haben auch mit ihnen: Bälle geblockt, Aufschläge gemacht - alles was sie jeweils brauchten. Nachdem Tamy und Xiaoyong bei der Auslosung waren, konnten sich Nina, Ying und Sabine genauer auf ihre Gegnerinnen einstellen. Als alle fertig waren, hieß es umziehen, Sachen aus der Players' Lounge holen, an die Box und dort warten, bis die Drei eingelaufen sind. Ab dann Support geben, für jeden Ball aufstehen und klatschen, einfach fighten.

Nach unserem Spiel haben wir noch schnell gegessen - das haben wir knapp geschafft - und jede hat dann ihre Sachen gemacht. Ich habe geschlafen, andere waren bei der Physiotherapie. Ich war nach der Teambesprechung für das Ägypten-Spiel bei Birgit zur Physio und anschließend mit den anderen essen. Nach dem Abendessen haben wir wieder Karten gespielt, aber nicht so lange, denn morgen müssen wir früh raus.

 

Über Annett Kaufmann

Geboren am 23. Juni 2006 in Wolfsburg
Weltrangliste: 126
Deutsche Rangliste: 9
Spielsystem: Linkshänderin, Shakehand, Angriff
Verein: SV Böblingen (1. Damen-Bundesliga)
Besonderheit: sportartenübergreifend Deutschlands Newcomerin des Jahres 2021

Erfolge

Weltmeisterschaften
2. Platz Doppel Jugend-Weltmeisterschaften 2021 (mit Mia Griesel)

Europameisterschaften
1. Platz Damen-Mannschaft 2021 in Cluj (ROU)
Achtelfinalistin Damen-Doppel 2022 in München
1. Platz U21-Europameisterschaften 2021 in Spa (BEL)
1. Platz Europameisterschaften Jugend U19 2022 im Einzel und Mixed Belgrad (SRB)
1. Platz Europameisterschaften Jugend U15 2021 Einzel, Mixed und Mannschaft
2. Platz Mixed (mit Mike Hollo) 2019 in Ostrava (CZE)
3. Platz Jugend-Mannschaft U15 2019 in Ostrava (CZE), U19 2022 in Belgrad (SRB)

Europe Youth Top 10 (Ranglistenturnier)
1. Platz Einzel 2020 - Berlin 2020
2. Platz Einzel 2019 - Noordwijk (NED) 2019

Deutsche Meisterschaften
3. Platz Damen-Einzel Deutsche Meisterschaften 2021, 2022
2. Platz Damen-Doppel Deutsche Meisterschaften 2022

Das Aufgebot des DTTB in Chengdu (China)

Damen
Ying Han (KTS Enea Siarka Tarnobrzeg POL / Top Nagoya JPN), Nina Mittelham (ttc berlin eastside / Kyushu Asteeda JPN), Xiaona Shan (ttc berlin eastside / Kyoto Kaguya JPN), Sabine Winter (TSV Schwabhausen), Annett Kaufmann (SV Böblingen)

Herren
Dang Qiu (Verein: Borussia Düsseldorf), Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt), Ricardo Walther (ASV Grünwettersbach), Kay Stumper (Borussia Düsseldorf), Fanbo Meng (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell)

Trainer-Team
Richard Prause (Sportdirektor), Tamara Boros (Damen-Bundestrainerin), Xiaoyong Zhu (Bundesstützpunkttrainer), Jörg Roßkopf (Herren-Bundestrainer), Lars Hielscher (Cheftrainer Düsseldorf)

Physiotherapeutinnen
Birgit Schmidt und Annette Zischka (OSP Hessen in Frankfurt/Main)

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