Geelong. Patrick Franziska ist bei den mit 332.000 Dollar dotierten Australian Open nicht zu stoppen. Einen Tag nach dem triumphalen 4:2-Erfolg über Chinas Superstar Fan Zhendong bezwang der Saarbrücker im Viertelfinale auch Schwedens WM-Finalisten Mattias Falck in einem Siebensatzkrimi nach Abwehr von vier Matchbällen. Im Halbfinale trifft der Weltranglisten-17. nun am Sonntag um 8.45 Uhr deutscher Zeit auf Chinas Nummer 1 der Welt, Xu Xin.
Drei Chinesen und ein dritter Deutscher
Der Blick auf das Tableau der Australian Open verrät auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches. Drei Chinesen und ein Deutscher bei einem Platinum-Event der World Tour im Halbfinale. Aber: Erstmals lautet in einer derartigen Konstellation der Name des DTTB-Stars weder Timo Boll noch Dimitrij Ovtcharov - sondern Patrick Franziska. Das ist neu - wirklich überraschend aber kommt es nicht. Der mit dem gestrigen 4:2-Triumph über den 15 Monate an der Spitze der Weltrangliste vollzogene und heute mit dem Sieg über den WM-Zweiten Falck noch einmal untermauerte Schritt in den kleinen Kreis der Gefährder der Topchinesen ist die konsequente Folge eines langsamen, aber kontinuierlichen Aufstiegs. Bereits seit etwas mehr als zwei Jahren liefert der seit einem Monat 27 Jahre alte Saarbrücker konstant Weltklasseleistungen ab. Zur Erinnerung: Doppel-Europameister 2016, Finalist bei den Korean Open 2017, Halbfinalist bei den German Open 2018, EM-Dritter 2018, WM-Dritter im Mixed 2019, China-Open-Sieger im Doppel mit Timo Boll 2019, parallel dazu Weltranglistenaufstieg bis auf Position 13 im November 2018. Fortsetzung folgt. Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf freut's: "Wir haben gewusst, dass Patrick das schaffen kann. Das haben seine Ergebnisse in den letzten Jahren ja auch immer wieder belegt. Die Siege geben ihm natürlich noch mehr Selbstvertrauen, das in den Duellen mit den Topspielern besonders wichtig, wie man heute auch im Match gegen Falck gesehen hat."
Franziska: "In die Stärken vertraut und riskiert"
Dass Franziska auch gegen den vor Selbstbewusstsein strotzenden Vizeweltmeister Falck, die aktuelle Nummer neun der Weltrangliste, in der Lage war, beim 11:6, 10:12, 9:11, 3:11, 12:10, 11:8 und 11:9 einen 1:3-Rückstand mit vier Matchbällen des Schweden bei 10:6 im fünften Durchgang noch in einen Sieg umzuwandeln, zeugt von den spielerischen und mentalen Qualitäten des Saarbrückers. Schon gestern hatte Franziska gegen den Weltranglistendritten Fan Zhendong einen 0:2-Rückstand wett gemacht und damit an den Grundfesten eines ungeschriebenen Gesetzes gerüttelt, gelten Chinesen bei klaren Führungen doch als nahezu unbezwingbar. Franziska beschreibt das Duell heute: "Ich bin sehr stark in das Spiel gestartet, bin meinem Plan gefolgt und hatte keinerlei Mühe mit Falck und seinen Noppen bis zum 1:0 und 7:2. Ich weiß eigentlich gar nicht wieso, aber dann habe ich den Satz noch irgendwie verloren, er wurde stärker und bei mir war plötzlich ein Bruch im Spiel. Ich habe permanent nach Lösungen gesucht, aber keine wirklich guten gefunden." Die Wende kam mit dem Rücken zur Wand bei den Matchbällen seines Kontrahenten. Franziska weiter: "Ich habe mir dann noch einmal gesagt, dass ich in meine Stärken, besonders die Rückhand, vertrauen kann und dann noch mehr riskiert. Dass es dann gut ging, ist natürlich Wahnsinn. Eigentlich erinnere ich von den nächsten Sätzen am Ende nur noch einen Moment: Beim Matchball habe ich ihm eine Vorhand reingeknallt! - Das war ein super Gefühl." Franziska wäre aber nicht Franziska, würde er im Moment eines Triumphes nicht auch an seinen Kontrahenten denken: "Ich habe super gespielt, aber Mattias hätte es heute genauso verdient gehabt."
Franziska: "Einen Masterplan gegen Xu Xin erstellen"
Das Aufeinandertreffen mit Xu Xin, der sich heute gegen den Brasilianer Hugo Calderano mit 4:2 behauptete, am Sonntagfrüh um 8.45 Uhr ist das insgesamt vierte Duell des Deutschen mit dem Weltranglistenersten. Das erste Mal gab es den Vergleich Franziska gegen Xu im März 2018 in Bremen in einem begeisternden Halbfinale der German Open. Nach dem 2:4 brachte Franziska den Linkshänder auch beim 1:3 im Finale der Team-WM 2018 in Halmstad in Bedrängnis. Das letzte Duell fand vor Jahresfrist an gleicher Stelle statt und ging im Viertelfinale der Australian Open ebenfalls an den Chinesen. In allen drei Vergleichen spürte Franziska: "Im Grunde liegt er mir und ich konnte immer gut mithalten. Am Ende ist er mir bisher immer davongezogen." In Australien würde Franziska die Niederlagenserie gerne beenden: "Ich werde heute noch ein paar Videos schauen und mir für morgen dann einen Masterplan zurechtlegen. Wenn der nicht funktioniert, versuche ich es zur Not wieder mit dem Mut der Verzweiflung. Ich bin jedenfalls sehr heiß auf dieses Match, in das ich mit viel Selbstrauen gehe. Auch wenn es in den ersten drei Anläufen noch nicht geklappt hat: Vielleicht sind ja in meinem Fall ja aller guten Dinge vier!"
Im ersten Halbfinale um 8 Uhr treffen Weltmeister Ma Long, der gestern im Achtelfinale Dimitrij Ovtcharov besiegte, und Wang Chuqin aufeinander.
Die Matches im Live-Streaming auf itTV
https://www.ittf.com/tournament/5007/2019/2019-ittf-world-tour-australian-open/
Die Ergebnisse im Herren-Einzel am Samstag
Viertelfinale
Patrick Franziska - Mattias Falck SWE 4:3 (6,-10,-9,-3,10,8,9)
Xu Xin CHN - Hugo Calderano BRA 4:2 (7,10,5,-8,-7,9)
Wang Chuqin CHN - Liang Jingkun CHN 4:1 (8,10,6,-7,10)
Ma Long CHN - Lin Gaoyuan CHN 4:0 (6,7,6,6)
Die Spiele im Herren-Einzel am Sonntag
Halbfinale
Patrick Franziska - Xu Xin CHN 8.45 Uhr
Ma Long CHN - Wang Chuqin CHN 8 Uhr
Finale
11.45 Uhr
Die bisherigen Ergebnisse im Einzel (Auszug)
Achtelfinale (Freitag)
Patrick Franziska - Fan Zhendong CHN 4:2 (-8,-7,4,9,4,7)
Dimitrij Ovtcharov - Ma Long CHN 0:4 (-7,-13,-7,-9)
Beste 32 (Donnerstag)
Patrick Franziska - Kazuhiro Yoshimura JPN 4:0 (8,3,3,6)
Dimitrij Ovtcharov - Yukiya Uda JPN 4:2 (2,7,4,-7,-9,8)
Die Matches im Live-Streaming auf itTV
Australian Open: Ergebnisse, Auslosungen auf der Event-Homepage der ITTF
Das deutsche Aufgebot in Geelong (Australien)
Herren-Einzel: Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT), Dimitrij Ovtcharov (Fakel Gazprom Orenburg, Russland), Qiu Dang (ASV Grünwettersbach), Bastian Steger (SV Werder Bremen), Ricardo Walther (Borussia Düsseldorf)
Damen-Einzel: Nina Mittelham (ttc berlin eastside), Han Ying (KTS Tarnobrzeg, Polen)