Baku. Wenn man sagt, Annette Zischka sei für das leibliche Wohl der DTTB-Athleten – und anschließend auch für das von Deutschlands Badminton-Spielern – bei den European Games in Baku zuständig, dann hat das nichts mit Essen zu tun. Seit 2007 betreut sie als Physiotherapeutin am Olympiastützpunkt Hessen in Frankfurt am Main unter anderem die DTTB-Athleten. Ihr Einstieg waren die Jugend-Weltmeisterschaften im US-amerikanischen Palo Alto, nun sorgt sie dafür, dass bei Herren und Damen alles und jeder rundläuft.
Ihr wichtigster Patient im Moment: Dimitrij Ovtcharov, der bei den Europaspielen an einer Blockade des Iliosakralgelenks (ISG) laboriert. Das befindet sich am unteren Ende der Lendenwirbelsäule und verbindet über das Kreuzbein Wirbelsäule und Becken miteinander.
Annette Zischka: „Probleme am ISG kommen bei vielen Sportlern vor, egal ob sie Turner sind, Schwimmer oder eben Tischtennisspieler. Es ist ein sehr anfälliger Bereich. Dieses Gelenk macht nur eine minimale Bewegung, aber wenn es sich verhakt, zieht das eine ganze Kette nach sich. Die Muskeln drumherum verhärten, vom Becken geht’s in die Hüfte, in die Wirbelsäule oder ins Bein. Es kann immer wieder kommen und ganz schnell passieren.
Sechsmal Tischtennis, einmal Synchronschwimmen
Bei sechs Spielerinnen und Spielern habe ich hier alle Hände voll zu tun, in meinem Zimmer im Athletendorf, wo die Massagebank neben meinem Bett aufgebaut ist, oder in der Halle. Ich fahre morgens zum ersten Damen-Spiel mit in die Halle und nach dem letzten Herren-Spiel zurück. Mein Appartement im Dorf teile ich mir aber nicht mit unserem Team, sondern mit Solo-Synchronschwimmerin Michelle Zimmer und ihrer Trainerin. Sie haben mich noch nicht um Hilfe gebeten, würden das aber tun, denke ich. Wir haben hier alle keine Berührungsängste. Neulich hatte sie Probleme beim Wettkampf, aber da war ich gerade in der Halle beschäftigt. Also ist sie zu einem der anderen deutschen Physios hier im Dorf gegangen.
Großer Traum: Olympia in Rio als Physiotherapeutin
Baku ist meine erste Veranstaltung, bei der mehrere Sportarten zusammenkommen. Peter und Birgit (Anmerkung: ihre Physio-Kollegen am Olympiastützpunkt Hessen, Peter Heckert und Birgit Schmidt, die beide schon bei Olympischen Spielen waren) hatten mir im Vorfeld schon eine Menge erzählt, was mich wahrscheinlich erwarten wird. Genauso ist es hier auch von der Atmosphäre und den Leuten im Dorf. Mein großer Traum ist, bei den Olympischen Spielen in Rio als Physiotherapeutin dabei sein zu dürfen. Ob das klappt, erfährt man erst kurzfristig, wahrscheinlich Mitte des Jahres, und im August sind die Spiele dann schon. Die Fachverbände nominieren einen, der DOSB hat eine vorgegebene Quote und entscheidet, wer mitfahren darf.
Früher nie gedacht, das Tischtennis so spannend ist
Aktive Sportlerin war ich übrigens früher nicht im Tischtennis, sondern im Turnen. Ich hätte damals nie gedacht, dass Tischtennis so spannend sein kann. Gerade die knappen Spiele. Am besten gefallen mir die Mannschaftswettbewerbe. Da stehen unsere Spieler dann zwar trotzdem alleine am Tisch, aber es hat einen ganz anderen Reiz als ein reiner Einzelwettbewerb.
Während der Behandlung spreche ich mit den Damen und Herren über alles Mögliche. Ab und zu natürlich auch über die Spiele. Taktisch kann ich dazu ja nicht viel beitragen. Aber ich mache mich so langsam. Ying zum Beispiel hat sich gefreut, als ich ihr sagte, ich hätte sie noch nie so oft angreifen sehen wie im Spiel gegen Ungarn heute. Sie war ganz stolz, dass ich das gemerkt habe, denn sie hat es in den vergangenen Wochen intensiv trainiert und hier heute gut umgesetzt. So gut, dass es auch mir aufgefallen ist.“