Dortmund. Wie erlöst wirkte Guo Yue. Es war ihr ungefährdetes 3:0 an Position drei über Li Jiawei, das ihrem Team den dritten Punkt und damit den Weltmeister-Titel bei der LIEBHERR Team-WM in Dortmund sicherte. Nach ihrem verwandelten Matchball war die Einzel-Weltmeisterin von 2007 ihren Schläger hoch in die Luft und versuchte nicht einmal, ihn aufzufangen. Eigentlich ein Sakrileg für einen Profi, dessen Arbeitsmaterial fast heilige Züge hat. Aber der Sieg der Tischtennis-Supermacht bei den Damen war ein besonderer für sie.
Lange galt die 23-jährige Linkshänderin als Jahrhunderttalent im Land der Dekadentalente, war die jüngste Spielerin, die einen Pro-Tour-Titel im Einzel gewann – im Alter von 14 Jahren. Doch dann kam ihre Karriere ins Stocken. Eigentlich hätte sie die Olympiasiegerinnen und Dauer-Weltmeisterinnen Zhang Yining und Wang Nan beerben sollen. Doch der Sprung vom Talent zur Führungsspielerin misslang, die Jüngeren wie Ding Ning und Li Xiaoxia zogen sogar an ihr vorbei, die Älteren wie Guo Yan blieben gefährlich im internen Vergleich.
In Dortmund bekam Guo Yue eine weitere Chance von Nationaltrainer Shi Zhihao. Nur in zwei Partien wurde sie nicht eingesetzt – dort bekam Guo Yan den Vorzug –, Guo Yue gewann alle Einzel ohne Satzverlust. Ihre Chancen auf einen Startplatz bei den Olympischen Spielen in London stehen nun gut, das zumindest zeigte sich in ihrer Reaktion direkt im Anschluss an das Finale. Fürs chinesische Staatsfernsehen stand sie zu Interviews nach dem Spiel und im Anschluss an die Siegerehrung zu Verfügung. Die offizielle Pressekonferenz aber schwänzte sie. „Die Dopingkontrolle ist mir jetzt wichtiger“, war die knappe Antwort. Das Reden überließ sie anderen.
Singapur: "eine Menge Raum für Verbesserungen“
"Die acht Tage waren wirklich hart“, bekannte Singapurs Nummer eins, Feng Tianwei. Zweimal hatte ihre Mannschaft am Rande der Niederlage gestanden, sich gegen Deutschland im Viertelfinale und Südkorea in der Vorschlussrunde noch ins Ziel gerettet. Die Zielstellung für die kommenden Monate ist klar: Singapur will seine Rolle als Nummer zwei hinter China untermauern. „Es gibt noch eine Menge Raum für Verbesserungen“, ergänzte sie.
"China war wirklich stärker als Singapur“, fasste Singapurs Coach Zhou Shusen knapp zusammen, „aber es war eine interessante Begegnung". Die Revanche für die unerwartete Finalniederlage von Moskau gelang den Chinesinnen mit Bravour. Für Olympia stehen die Zeichen längst wieder auf Gold. Nur ein Einzel hatte China auf dem Weg zum Titel verloren, Li Xiaoxia musste sich im Halbfinale Hongkong Tie Yana in vier Sätzen geschlagen geben.
Chinas Shi Zhihao hat das Publikum begeistert
"Ich gratuliere beiden Teams. Es war ein hohes Niveau, das dem deutschen Publikum geboten wurde und sehr schön anzuschauen war“, lobte Shi Zhihao beide Seiten – und auch eine dritte. „Die Atmosphäre beim und nach dem Spiel auf dem Feld war erstaunlich gut. Die Tischtennis-Fans in Deutschland sind sehr engagiert und Spezialisten in ihrem Sport.“ Dieses Dankeschön für die tolle Stimmung unter den vorwiegend deutschen und chinesischen Fans hatte er übers Hallenmikro auch direkt an die Zuschauer weitergegeben, sogar auf Deutsch als ehemaliger Bundesligaspieler.
Die Weltranglistenerste, Ding Ning, war einmal mehr ihrer Favoritenrolle gerecht geworden und entsprechend zufrieden. „Ich habe mich wirklich verbessert und bin in der Lage, weitere große Spiele zu gewinnen“, erklärte sie, die Einzel-Weltmeisterin von Rotterdam im vergangenen Jahr. „Die WM zu gewinnen war auch sehr wichtig. Ich habe nicht viel an die Olympischen Spiele gedacht und mich auf die WM konzentriert, ein Schritt nach dem anderen." Den nächsten kann sie jetzt in Angriff nehmen, der zu ihrem ersten olympischen Gold.
Finale, Damen
China - Singapur 3:0
Ding Ning - Feng Tianwei 3:1 (12,-8,4,3)
Li Xiaoxia - Wang Yuegu 3:1 (9,-11,10,5)
Guo Yue - Li Jiawei 3:0 (8,6,9)