Saarbrücken/Lüdenscheid. Sein erstes Länderspiel absolvierte er im März 1965 im Alter von 20 Jahren gegen Jersey. 1967 wurde er in Stockholm WM-Dritter mit der deutschen Herren-Mannschaft, zwei Jahre später in München gehörte er zum Silberteam. Seinen ersten Titel als Deutscher Einzel-Meister aber gewann Wilfried Lieck erst 1970 und läutete damit das Ende der Dominanz Eberhard Schölers ein, der von 1962 bis 1969 acht Mal in Folge ganz oben auf dem Treppchen beim wichtigsten nationalen Turnier gestanden hatte.
„In einem unerbittlichen Fight und mitreißendem Angriffswirbel drängte Lieck den Abwehrkünstler Eberhard Schöler von seinem Thron“, schrieb das Fachmagazin „deutscher tischtennis-sport“ in Heft 3/1970. In der Jahrhunderthalle in Frankfurt-Höchst war Lieck mit Goldmedaillen im Einzel, Doppel (mit Martin Neß) und Mixed (mit Christel Kaib) der erfolgreichste DM-Teilnehmer. Dieses Triple gelang bei den Herren außer ihm nur eine Handvoll Topspielern: Herbert Wunsch (1943), Heinz Schneider (1952), Conny Freundorfer (1956), Jochen Leiß (1974) und Jörg Roßkopf (1989).
Tischnahes, schnelles Block- und Konterspiel mit grandioser Sicherheit
Niemand der fast 2.000 Zuschauer in der Jahrhunderthalle an diesem 18. Januar 1970 zweifelte an Schölers abermaligen Titelgewinn, als dieser im ersten Satz Wilfried Lieck mit traumhaft sicherer Abwehr über 12:8, 14:11 und 16:14 zunächst in Schach hielt. Es folgte eine Kanonade knallharter Schüsse und erstmals, unter brausendem Beifall, die Führung für Lieck, der mit 21:19 zum Satzgewinn kam. Nach ebenfalls knappem zweiten Durchgang gewann Schöler Satz drei in der Verlängerung. Die Wende jedoch blieb aus. Satz vier dominierte Wilfried Lieck, der sich schließlich mit 21:19, 21:18, 22:24 und 21:11 den Finalsieg sicherte. Zwar verlor Lieck im folgenden Jahr noch einmal im DM-Endspiel gegen Schöler, aber bereits 1972 gelang ihm die Revanche im Endspiel. Weitere Einzel-Titel holte er in den Jahren 1973, 1975 und 1976.
Lieck war der Meister im tischnahen, schnellen Konterspiel und agierte mit einer grandiosen Sicherheit. Seine Topspins spielte er nahezu ansatzlos aus dem Handgelenk, so dass der Gegner die Richtung der Bälle erst sehr spät erkennen konnte. Die ihm attestierten flinken Beine bewertete er selbst in der Rückschau ganz anders. "Ich habe immer rationell gespielt und bin nicht so viel gelaufen“, erläuterte Lieck mit einem Schmunzeln seinen unnachahmlichen Spielstil in einem Beitrag auf tischtennis.de anlässlich seines 75. Geburtstags vor knapp zwei Jahren. Über Neumünster war er als Flüchtlingskind 1953 nach Bochum gekommen, wo er als Kind des Ruhrgebiets aufwuchs und beim Post SV Bochum das Tischtennisspielen erlernte. Seit rund 50 Jahren wohnt der ehemalige Lehrer inzwischen in Lüdenscheid und ist fest mit dem TTC Altena verbunden, für den er den Großteil seiner 403 Bundesliga-Spiele absolvierte.
DM 2022