Anzeige
Helmut Hampl (Foto: TMG / Guido Schiefer)
Helmut Hampl ohne Tischtennis ist genauso schwer vorstellbar wie Tischtennis ohne Helmut Hampl / Ein Porträt

Der „Schleifer“ geht

Rahul Nelson 29.12.2020

Düsseldorf. Beim ersten Anruf hat Helmut Hampl keine Zeit. „Ich bin grad in 'ner Telefonkonferenz, kannst du mich in einer Stunde noch mal anrufen?” Eine Stunde später läuft die Telefonkonferenz immer noch, aber wenig später ruft Deutschlands wohl renommiertester Tischtennistrainer zurück. Und erklärt entschuldigend: „Wir sind grad' dabei, ein neues Technik-Leitbild zu erstellen”, damit sei er in diesen Tagen reichlich beschäftigt. Dabei, klagt Hampl, „soll ich meinen Resturlaub nehmen”. Wohlgemerkt: Die Klage gilt nicht etwa der Tatsache, dass er womöglich in seinem Urlaub arbeiten muss, sondern dem Umstand, dass ihn dieser lästige Urlaub daran hindern könnte, noch mehr zu schaffen als ohnehin schon.

Helmut Hampl war schon immer einer, der viel geschafft hat. 38 Jahre hat der Hesse als Trainer hinter sich: zunächst in verantwortlicher Position beim Hessischen Tischtennis-Verband (HeTTV) sowie bei mehreren hessischen Klubs, in den letzten rund fünfeinhalb Jahren dann auch noch für den Deutschen Tischtennis-Bund, dessen Vorzeigeathleten Jörg Roßkopf, Timo Boll und Patrick Franziska Hampl bereits als Trainer des HeTTV maßgeblich geprägt hatte. Und das sind nur drei besonders prominente Namen von vielen. Auch Stars wie Ruwen Filus und den Deutschen Meister von 2013, Steffen Mengel, hat Hampl geformt, zuletzt die besten Spieler jener Generation maßgeblich vorangebracht, die in den nächsten Jahren nachrücken soll: Benedikt Duda, Dang Qiu, Ricardo Walther, Kilian Ort. Für all seine Schützlinge war er über Jahre hinweg viel mehr als nur ein Trainer, für viele auch eine Vaterfigur. Doch jetzt soll Schluss sein. Am 31. Dezember endet der Vertrag des 68-Jährigen mit dem Deutschen Tischtennis-Bund. Eigentlich hätte er schon vor ein paar Jahren in Rente gehen können, doch Helmut Hampl ohne Tischtennis, das ist genauso schwer vorstellbar wie Tischtennis ohne Helmut Hampl.

Als Spieler und Trainer: Leidenschaft, Disziplin, Einsatzbereitschaft

Der hochgewachsene Hesse, der als Spieler selbst zehn Jahre in der 1. Bundesliga bestritten hatte, ehe eine Knieverletzung das Ende seiner Laufbahn als Aktiver bedeutete, wechselte quasi über Nacht die Seiten und wurde Trainer. Mit derselben Leidenschaft, die den Menschen Hampl stets ausgezeichnet hat, mit derselben Disziplin und mit derselben Einsatzbereitschaft. Wenn irgendwann einer seiner Schützlinge anrief, weil er spontan noch eine Einheit trainieren wollte, ob morgens oder abends, ob wochentags oder sonntags, dann war er als Trainer immer da. „Selbstverständlich”, wie er sagt. Dann verließ Hampl die Wärme seines Wohnzimmers, fuhr zur Halle, schloss auf und machte.

Helmut Hampl war immer ein Macher, einer, der 100 Prozent gibt. Ein Vorbild in Sachen Einsatzbereitschaft und oft auch Vordenker. Seiner Idee und Initiative war es zu verdanken, dass der TTV Gönnern, dessen Cheftrainer er damals war, mit sämtlichen Stars ins 170 Kilometer entfernte Höchst im Odenwald zog, damit ein 14-jähriger Junge, den Hampl in dieses Team integrieren wollte, weiter daheim leben und doch mit den internationalen Spitzenspielern trainieren konnte. Timo Boll zahlte es mit Zins und Zinseszins zurück, dank ihm und Hampl gewann der TTV Gönnern unter anderem 2005 die Champions League.

„Wenn ich das Klacken der Bälle nicht höre, dann fehlt mir was”

Das Sichtungssystem, das Hampl beim Hessischen TTV installierte, trug bemerkenswerte Früchte. Mit Boll und Franziska folgten zwei absolute Weltklassespieler auf den früheren Doppel-Weltmeister Jörg Roßkopf, der zu jener ersten Gruppe junger Spieler zählte, mit denen Helmut Hampl, damals noch als Spielertrainer in der 2. Liga, arbeitete. Jener Jörg Roßkopf, der nach Abschluss seiner aktiven Karriere selbst die Seiten wechselte, Nationaltrainer wurde und seinen einstigen Ziehvater Hampl schließlich bat, ihn bei der Arbeit im DTTZ zu unterstützen. Eine Bitte, der Hampl folgte und die ihm in den letzten Jahren beim DTTB jene neuen Aufgaben als Trainer bescherte, die er selbst als unglaublich befriedigend und erfüllend erlebte. Und mit all dem soll jetzt Schluss sein?

Er wolle sich seine Zeit flexibler einteilen können, auch mal einen längeren Urlaub machen, mehr Zeit für die Familie haben, sagt Hampl, der mittlerweile Großvater ist und auch diese Rolle mit Begeisterung lebt. Was Helmut Hampl aber auch sagt: „Wenn ich das Klacken der Bälle nicht höre, dann fehlt mir was.”

Wer weiß, wie die Karriere von Stars wie Roßkopf, Boll und Franziska ohne den Mann verlaufen wäre, den manche ob seiner hohen Ansprüche, die letzten Reserven aus seinen Spielern herauszukitzeln augenzwinkernd den „Schleifer“ nannten? Seine Spieler, seine Vereine, aber auch die Fans in ganz Tischtennis-Deutschland haben Helmut Hampl enorm viel zu verdanken. Wenn er wirklich ganz aufhören sollte, würde er eine gewaltige Lücke hinterlassen. Doch wie Trude Herr einst sang: „Niemals geht man so ganz.”

Zitate: "Unglaublich viel zu verdanken"

Timo Boll:
"Wir werden Helmut in der Tischtennis-Szene vermissen. Seine mahnenden Worte, sobald man eine kleine Nuance falsch gemacht hat. Aber auch seine Passion, einen zu motivieren und aufzubauen. Ohne Helmut wäre ich nicht der Spieler geworden, der ich bin. Ich habe ihm sehr, sehr viel zu verdanken!"

Patrick Franziska:
"Helmut war immer für mich da. Er hat mich unter anderem jede Woche zwei Mal von der Schule abgeholt, dann hat er mich durch die Halle geschickt und danach wieder in der Schule abgesetzt. Nicht umsonst wird er von mir liebevoll 'der Schleifer' genannt. Für mich ist Helmut aber viel mehr als nur ein Trainer. Er ist ein ganz besonderer Mensch, der immer positiv durchs Leben geht und mir dies auch vermitteln konnte. Ich habe Helmut sehr viel zu verdanken und bin mir sicher, dass er die Trainingshalle niemals ganz verlassen wird."

Jörg Roßkopf, Herren-Bundestrainer, Rekord-Nationalspieler:
"Einer meiner besten Entscheidungen in meiner sportlichen Laufbahn war es, dich zu fragen, ob du dem DTTB und mir bei der Weiterentwicklung der Spieler helfen möchtest. Du sagtest mir sofort zu und warst ab diesem Zeitpunkt rund um die Uhr für den DTTB verfügbar. Für mich bist du einer der wichtigsten Personen beim DTTB. Ohne dich würde es kein Weltmeister-Doppel, keine Europameister und keine Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen geben. Ich werde dich sicherlich in Zukunft nach wie vor um Rat bitten.
Helmut, du bist und bleibst für mich eine Vaterfigur. Ich werde dich in der Halle sehr vermissen. Bleib gesund und genieße die freie Zeit mit deinen Lieben."

Richard Prause, Sportdirektor:
"Ich habe Helmut unglaublich viel zu verdanken. Als mein Trainer hat er mich in meinen jungen Jahren als Spieler geformt, in meinen späten Jahren als Spieler nach Gönnern geholt und mich dann auch in meiner Trainerkarriere begleitet. Seit 2015 arbeiten wir gemeinsam für den DTTB, und er ist hier immer mit seinem riesigen Erfahrungsschatz ein immens wichtiger Ratgeber. Ich habe ihm schon angedroht, dass ich ihn auch in Zukunft nicht zur Ruhe kommen lassen werde."

Michael Geiger, DTTB-Präsident:
"Ich durfte Helmut Hampl als Trainer in der Herren-Bundesliga und später der TTBL in meiner damaligen Funktion als Oberschiedsrichter erleben, als Trainer bei Jugendturnieren bei denen wir – das Ressort Schiedsrichter des DTTB – die praktische Prüfung zum Nationalen Schiedsrichter abgenommen haben und alleine seine Anwesenheit an der Box bei den Prüflingen für erhöhten Blutdruck gesorgt hat, und jetzt als Präsident des DTTB.
Helmut erlebe ich als Menschen, der sein Gegenüber 'antestet', Situationen hinterfragt, nicht bequem ist, aber umso mehr erfolgreich. Erfolgreich auch, weil er hinter manchmal vermeintlich rauer Schale einen sehr menschlichen Kern verbirgt und die, die sich auf ihn einlassen unter Zurückstellung eigener Interessen in andere Sphären bringt. Jüngstes Beispiel ist unser U23-Kader, dessen Spieler in den letzten Jahren eine hervorragende Entwicklung genommen haben. Er dient unserem Sport und 'seinen' Spielern, er hat sich deshalb große Verdienste um das deutsche Tischtennis erworben. Völlig zurecht hat er bereits 2016 das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Ich bin stolz darauf, dass ich in dieser besonderen Stunde dabei sein durfte und seit vielen Jahren mit ihm zusammenarbeiten darf."

Hinweis:

Voraussichtlich am 3. Januar 2021 sendet das HR-Fernsehen in der "Hessenschau" ab 19:30 Uhr ein ca. dreiminütiges Porträt von Helmut Hampl.

Links

Kontakt

Deutscher Tischtennis-Bund
Hauptsponsoren
weitere Artikel aus der Rubrik
Stars & Stories Nationalteams 13.03.2024

Road to Paris-Doku mit Nina Mittelham: Wie alles begann

Auch wenn es beim Singapur Smash nicht so richtig laufen wollte - das Jahr 2024 ist für Nina Mittelham richtig gut losgegangen: Erstmals eine Top 10-Spielerin geknackt beim WTT Star Contender in Goa und bei der WM in Südkorea kein Spiel verloren - Chapeau. Einen großen Anteil an Ninas Erfolg hat die Familie - deswegen schauen wir in Episode #3 mit ihr und ihrer Mama zurück auf ihre ersten Schritte im Tischtennis im kleinen Städtchen Willich.
weiterlesen...
Stars & Stories WM 22.02.2024

Ping, Pong & Prause WM-Spezial #2: Das Holz ist die Seele des Spielers

Nur zwei Stunden nach dem bitteren Viertelfinal-Aus unserer Damen sprechen Richard Prause, Benedikt Probst und Dennis Heinemann über verpasste Chancen, starke Französinnen und natürlich das bevorstehende Match der Herren gegen Taiwan. Und Richard sinniert noch einmal über die wahre Seele des Tischtennisspielers.
weiterlesen...
Stars & Stories 06.02.2024

Mittelham, Qiu und Kaufmann sind die Spieler des Jahres

Tischtennis-Deutschland hat abgestimmt und die Spieler des Jahres 2023 in den drei Kategorien Damen, Herren und Nachwuchs gewählt. Nach einer kurzen Pause im vergangenen Jahr nimmt Nina Mittelham den Titel ein drittes Mal entgegen, während sich Dang Qiu nach seiner Premiere im Vorjahr über die zweite Auszeichnung in Folge freuen darf. Annett Kaufmann baut ihre Serie derweil aus und ist zum fünften Mal hintereinander die Nachwuchsspielerin des Jahres.
weiterlesen...
Stars & Stories 29.01.2024

Wer sind die Spieler des Jahres 2023? Bis 5. Februar abstimmen!

Das Jahr 2024 ist zwar schon ein paar Wochen alt, einmal wollen wir aber noch zurück auf die vergangenen zwölf Monate blicken, um eine letzte wichtige Frage zu beantworten: Wer sind die Spieler des Jahres 2023 in den Kategorien Damen, Herren und Nachwuchs? Wie in jedem Jahr bitten der Deutsche Tischtennis-Bund, JOOLA und myTischtennis.de alle User zur Abstimmung an die Wahlurne. Zur Belohnung kann man einen von 15 Preisen gewinnen.
weiterlesen...
Stars & Stories 28.01.2024

Road to Paris mit Nina Mittelham: Episode #2 "Heimspiel" jetzt online

Nina Mittelham gehört seit vielen Jahren zur Weltspitze im Tischtennis - aber was ihr noch fehlt ist die Teilnahme bei den Olympischen Spielen als Spielerin. Wir begleiten Nina Mittelham auf ihrem Weg nach Paris - in der zweiten Folge geht es um ihr Heimspiel beim WTT Champions in Frankfurt, ums Leben aus dem Koffer und um das gelöste Olympia-Ticket im Mixed!
weiterlesen...
Podcast Stars & Stories 25.01.2024

Podcast: Als wir mit Elke Schall über alte Rivalinnen, Dämonen und andere gruselige Turniere sprachen

Das Tischtennisjahr 2024 hat aufregend begonnen und wird mindestens bis Olympia aufregend weitergehen. Mit der 5fachen-Olympionikin Elke Schall-Süß sprechen Richard & Benedikt über Timo Boll und Han Ying, über nervenaufreibende Olympia-Qualifikationsturniere von damals, Rivalinnen von früher, unbändigen Ehrgeiz und über Richards eigenartige Rituale. Ahja - und kann man Kampfgeist eigentlich lernen?
weiterlesen...
© Deutscher Tischtennis-Bund e.V. - DTTB - Alle Rechte vorbehalten

Datenschutz | Impressum