Düsseldorf. Beim ersten Anruf hat Helmut Hampl keine Zeit. „Ich bin grad in 'ner Telefonkonferenz, kannst du mich in einer Stunde noch mal anrufen?” Eine Stunde später läuft die Telefonkonferenz immer noch, aber wenig später ruft Deutschlands wohl renommiertester Tischtennistrainer zurück. Und erklärt entschuldigend: „Wir sind grad' dabei, ein neues Technik-Leitbild zu erstellen”, damit sei er in diesen Tagen reichlich beschäftigt. Dabei, klagt Hampl, „soll ich meinen Resturlaub nehmen”. Wohlgemerkt: Die Klage gilt nicht etwa der Tatsache, dass er womöglich in seinem Urlaub arbeiten muss, sondern dem Umstand, dass ihn dieser lästige Urlaub daran hindern könnte, noch mehr zu schaffen als ohnehin schon.
Helmut Hampl war schon immer einer, der viel geschafft hat. 38 Jahre hat der Hesse als Trainer hinter sich: zunächst in verantwortlicher Position beim Hessischen Tischtennis-Verband (HeTTV) sowie bei mehreren hessischen Klubs, in den letzten rund fünfeinhalb Jahren dann auch noch für den Deutschen Tischtennis-Bund, dessen Vorzeigeathleten Jörg Roßkopf, Timo Boll und Patrick Franziska Hampl bereits als Trainer des HeTTV maßgeblich geprägt hatte. Und das sind nur drei besonders prominente Namen von vielen. Auch Stars wie Ruwen Filus und den Deutschen Meister von 2013, Steffen Mengel, hat Hampl geformt, zuletzt die besten Spieler jener Generation maßgeblich vorangebracht, die in den nächsten Jahren nachrücken soll: Benedikt Duda, Dang Qiu, Ricardo Walther, Kilian Ort. Für all seine Schützlinge war er über Jahre hinweg viel mehr als nur ein Trainer, für viele auch eine Vaterfigur. Doch jetzt soll Schluss sein. Am 31. Dezember endet der Vertrag des 68-Jährigen mit dem Deutschen Tischtennis-Bund. Eigentlich hätte er schon vor ein paar Jahren in Rente gehen können, doch Helmut Hampl ohne Tischtennis, das ist genauso schwer vorstellbar wie Tischtennis ohne Helmut Hampl.
Als Spieler und Trainer: Leidenschaft, Disziplin, Einsatzbereitschaft
Der hochgewachsene Hesse, der als Spieler selbst zehn Jahre in der 1. Bundesliga bestritten hatte, ehe eine Knieverletzung das Ende seiner Laufbahn als Aktiver bedeutete, wechselte quasi über Nacht die Seiten und wurde Trainer. Mit derselben Leidenschaft, die den Menschen Hampl stets ausgezeichnet hat, mit derselben Disziplin und mit derselben Einsatzbereitschaft. Wenn irgendwann einer seiner Schützlinge anrief, weil er spontan noch eine Einheit trainieren wollte, ob morgens oder abends, ob wochentags oder sonntags, dann war er als Trainer immer da. „Selbstverständlich”, wie er sagt. Dann verließ Hampl die Wärme seines Wohnzimmers, fuhr zur Halle, schloss auf und machte.
Helmut Hampl war immer ein Macher, einer, der 100 Prozent gibt. Ein Vorbild in Sachen Einsatzbereitschaft und oft auch Vordenker. Seiner Idee und Initiative war es zu verdanken, dass der TTV Gönnern, dessen Cheftrainer er damals war, mit sämtlichen Stars ins 170 Kilometer entfernte Höchst im Odenwald zog, damit ein 14-jähriger Junge, den Hampl in dieses Team integrieren wollte, weiter daheim leben und doch mit den internationalen Spitzenspielern trainieren konnte. Timo Boll zahlte es mit Zins und Zinseszins zurück, dank ihm und Hampl gewann der TTV Gönnern unter anderem 2005 die Champions League.
„Wenn ich das Klacken der Bälle nicht höre, dann fehlt mir was”
Das Sichtungssystem, das Hampl beim Hessischen TTV installierte, trug bemerkenswerte Früchte. Mit Boll und Franziska folgten zwei absolute Weltklassespieler auf den früheren Doppel-Weltmeister Jörg Roßkopf, der zu jener ersten Gruppe junger Spieler zählte, mit denen Helmut Hampl, damals noch als Spielertrainer in der 2. Liga, arbeitete. Jener Jörg Roßkopf, der nach Abschluss seiner aktiven Karriere selbst die Seiten wechselte, Nationaltrainer wurde und seinen einstigen Ziehvater Hampl schließlich bat, ihn bei der Arbeit im DTTZ zu unterstützen. Eine Bitte, der Hampl folgte und die ihm in den letzten Jahren beim DTTB jene neuen Aufgaben als Trainer bescherte, die er selbst als unglaublich befriedigend und erfüllend erlebte. Und mit all dem soll jetzt Schluss sein?
Er wolle sich seine Zeit flexibler einteilen können, auch mal einen längeren Urlaub machen, mehr Zeit für die Familie haben, sagt Hampl, der mittlerweile Großvater ist und auch diese Rolle mit Begeisterung lebt. Was Helmut Hampl aber auch sagt: „Wenn ich das Klacken der Bälle nicht höre, dann fehlt mir was.”
Wer weiß, wie die Karriere von Stars wie Roßkopf, Boll und Franziska ohne den Mann verlaufen wäre, den manche ob seiner hohen Ansprüche, die letzten Reserven aus seinen Spielern herauszukitzeln augenzwinkernd den „Schleifer“ nannten? Seine Spieler, seine Vereine, aber auch die Fans in ganz Tischtennis-Deutschland haben Helmut Hampl enorm viel zu verdanken. Wenn er wirklich ganz aufhören sollte, würde er eine gewaltige Lücke hinterlassen. Doch wie Trude Herr einst sang: „Niemals geht man so ganz.”
Timo Boll:
"Wir werden Helmut in der Tischtennis-Szene vermissen. Seine mahnenden Worte, sobald man eine kleine Nuance falsch gemacht hat. Aber auch seine Passion, einen zu motivieren und aufzubauen. Ohne Helmut wäre ich nicht der Spieler geworden, der ich bin. Ich habe ihm sehr, sehr viel zu verdanken!"
Patrick Franziska:
"Helmut war immer für mich da. Er hat mich unter anderem jede Woche zwei Mal von der Schule abgeholt, dann hat er mich durch die Halle geschickt und danach wieder in der Schule abgesetzt. Nicht umsonst wird er von mir liebevoll 'der Schleifer' genannt. Für mich ist Helmut aber viel mehr als nur ein Trainer. Er ist ein ganz besonderer Mensch, der immer positiv durchs Leben geht und mir dies auch vermitteln konnte. Ich habe Helmut sehr viel zu verdanken und bin mir sicher, dass er die Trainingshalle niemals ganz verlassen wird."
Jörg Roßkopf, Herren-Bundestrainer, Rekord-Nationalspieler:
"Einer meiner besten Entscheidungen in meiner sportlichen Laufbahn war es, dich zu fragen, ob du dem DTTB und mir bei der Weiterentwicklung der Spieler helfen möchtest. Du sagtest mir sofort zu und warst ab diesem Zeitpunkt rund um die Uhr für den DTTB verfügbar. Für mich bist du einer der wichtigsten Personen beim DTTB. Ohne dich würde es kein Weltmeister-Doppel, keine Europameister und keine Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen geben. Ich werde dich sicherlich in Zukunft nach wie vor um Rat bitten.
Helmut, du bist und bleibst für mich eine Vaterfigur. Ich werde dich in der Halle sehr vermissen. Bleib gesund und genieße die freie Zeit mit deinen Lieben."
Richard Prause, Sportdirektor:
"Ich habe Helmut unglaublich viel zu verdanken. Als mein Trainer hat er mich in meinen jungen Jahren als Spieler geformt, in meinen späten Jahren als Spieler nach Gönnern geholt und mich dann auch in meiner Trainerkarriere begleitet. Seit 2015 arbeiten wir gemeinsam für den DTTB, und er ist hier immer mit seinem riesigen Erfahrungsschatz ein immens wichtiger Ratgeber. Ich habe ihm schon angedroht, dass ich ihn auch in Zukunft nicht zur Ruhe kommen lassen werde."
Michael Geiger, DTTB-Präsident:
"Ich durfte Helmut Hampl als Trainer in der Herren-Bundesliga und später der TTBL in meiner damaligen Funktion als Oberschiedsrichter erleben, als Trainer bei Jugendturnieren bei denen wir – das Ressort Schiedsrichter des DTTB – die praktische Prüfung zum Nationalen Schiedsrichter abgenommen haben und alleine seine Anwesenheit an der Box bei den Prüflingen für erhöhten Blutdruck gesorgt hat, und jetzt als Präsident des DTTB.
Helmut erlebe ich als Menschen, der sein Gegenüber 'antestet', Situationen hinterfragt, nicht bequem ist, aber umso mehr erfolgreich. Erfolgreich auch, weil er hinter manchmal vermeintlich rauer Schale einen sehr menschlichen Kern verbirgt und die, die sich auf ihn einlassen unter Zurückstellung eigener Interessen in andere Sphären bringt. Jüngstes Beispiel ist unser U23-Kader, dessen Spieler in den letzten Jahren eine hervorragende Entwicklung genommen haben. Er dient unserem Sport und 'seinen' Spielern, er hat sich deshalb große Verdienste um das deutsche Tischtennis erworben. Völlig zurecht hat er bereits 2016 das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Ich bin stolz darauf, dass ich in dieser besonderen Stunde dabei sein durfte und seit vielen Jahren mit ihm zusammenarbeiten darf."
Hinweis:
Voraussichtlich am 3. Januar 2021 sendet das HR-Fernsehen in der "Hessenschau" ab 19:30 Uhr ein ca. dreiminütiges Porträt von Helmut Hampl.