Kaarst. Mit Eberhard Schöler begann der erste große Boom des Tischtennissports in Deutschland. Seine Art zu spielen, sein Auftreten und seine Erfolge bescherten dem Sport bei der WM 1969 in München eine hierzulande nie gekannte öffentliche Anerkennung und ebneten den Weg für die Erfolge der nachfolgenden Generationen. Daran war allerdings nicht nur der Weltklassespieler, sondern später auch der Sportfunktionär Schöler maßgeblich beteiligt.
Leichtfüßig und elegant, mit überragender Spielübersicht und fantastischem Ballgefühl ausgestattet, dazu nervenstark wie kaum ein anderer Spieler in der Geschichte des deutschen Tischtennissports: Eberhard Schöler, so könnte man meinen, habe es mit seinen Talenten und Fähigkeiten vergleichsweise leicht gehabt, ein herausragender Tischtennisspieler zu werden. Um in die Weltspitze vorzustoßen und sich dort viele Jahre zu behaupten, waren aber zwei andere Qualitäten unentbehrlich, die den Düsseldorfer seit frühester Jugend auszeichneten: Fleiß und Charakterstärke. Auf die Frage, woran man ein großes Talent im Tischtennis erkenne, antwortete er einmal: „Hart arbeiten zu können, ist auch ein Talent.”
Das zeichnete ihn jedenfalls aus, den aktiven Sportler wie auch später den Funktionär Schöler: Fleiß und Disziplin sowie die Bereitschaft, sich auch dann richtig reinzuhängen, wenn andere längst abgewunken hatten. ?Der Lohn für den Sportler Schöler war eine Vielzahl von Erfolgen, von Titelgewinnen, Medaillen und Ehrungen. 155 Länderspiele. Neun Deutsche Meistertitel im Einzel, davon acht in Folge (1962 bis ’69). Drei WM-Medaillen im Einzel, auf Bronze 1965 und ’67 folgte bei den Weltmeisterschaften 1969 in München Silber, nach einem 2:3 im Finale gegen den Japaner Shigeo Itoh.
Wie oft er auf diese Partie angesprochen wurde, in der er mit 2:0 geführt hatte und im dritten Durchgang mit 19:21 nur denkbar knapp am Titelgewinn vorbeigeschrammt war, wie oft er gefragt wurde, wie dieses Spiel noch gekippt sei, das hat er nicht gezählt. Sicher ist: Nicht nur alle Tischtennisfans, sondern die ganze Sportnation Deutschland verfolgte 1969 den elektrisierenden Siegeszug des besten Abwehrspielers der Welt, der nicht nur im Einzel Silber gewann, sondern auch die DTTB-Auswahl ins WM-Finale führte.
Herzenswärme, Höflichkeit und Humor
Eberhard Schöler, der stets bescheidene, der immer faire und anständige Sportler mit der Ruhe des Abwehrspielers, war auf der Bühne des großen Sports das, was man heute als cool bezeichnen würde. Als er im Finale der Deutschen Meisterschaften 1969, nach sieben Titelgewinnen in ununterbrochener Folge, bei 15:20 im Entscheidungssatz gegen Bernt Jansen kurz vor der Niederlage stand – Jansen hatte bei 15:15 fünfmal in Folge gepunktet –, wehrte Schöler alle fünf Matchbälle ab, zudem einen weiteren bei 21:22, entstanden durch einen Fehlaufschlag des Favoriten, und gewann schließlich mit 24:22. Was folgte, war typisch Schöler: keine Jubelpose, kein Freudenschrei, schon gar keine theatralische Pose. Stattdessen nur der lakonische Kommentar: „Wirklich ein sehr merkwürdiges Spiel.”
Es waren Auftritte wie dieser, die ihm den Beinamen „Mr. Pokerface” verliehen, doch ein Pokerspieler, ein Bluffer, war Eberhard Schöler nie. Er war nur enorm nervenstark, und weil er stets so ruhig und bescheiden auftrat, nahmen viele in der breiten Öffentlichkeit einige der wichtigsten Qualitäten nicht wahr, die den heute 84-Jährigen noch immer auszeichnen: Herzenswärme, Höflichkeit und Humor. Was allerdings alle wahrnahmen, auch seine sportlichen Gegner, war seine außerordentliche Fairness. Nach den Weltmeisterschaften in München 1969 erhielt er die Barna-Trophy des Swaythling Club International für Fair Play, und im Auftrag der deutschen Sportjournalisten überreichte ihm Box-Legende Max Schmeling persönlich den Fair-Play-Pokal. Zu Schölers zahllosen Auszeichnungen zählen auch das Silberne Lorbeerblatt, die höchste verliehene sportliche Auszeichnung in der Bundesrepublik, und das Bundesverdienstkreuz am Bande; Schöler wurde 2011 in die "Hall of Fame des deutschen Sports" aufgenommen und ist Ehrenkapitän des DTTB.
Funktionär statt Privatmann nach der Nationalteamkarriere: drei Jahrzehnte lang
Seine internationale Laufbahn beendete er 1974, seine nationale 1979, und danach hätte Eberhard Schöler sich zurückziehen und ganz auf seine Familie und seinen Beruf konzentrieren können sowie auf die von ihm gegründete Sportartikelfirma, aus der später in einer Fusion mit dem Unternehmen seines früheren Mannschaftskameraden Wilfried Micke der Tischtennis-Fachhandel Schöler + Micke wurde. Doch Schöler tat, was typisch für ihn war. Er wollte etwas zurückgeben von all dem, was der Sport ihm beschert hatte und schlug den undankbaren Weg des Funktionärs ein. 26 Jahre lang war er im Präsidium des Deutschen Tischtennis-Bundes für den Leistungssportbereich verantwortlich. In dieser Zeit erlebte der Verband einen Aufstieg in die Weltspitze, der mit Jörg Roßkopf und Steffen Fetzner begann und zu der Ära von Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov führte.
Gäb über Schöler: "Das deutsche Tischtennis kann sich glücklich schätzen, jemanden wie ihn zu haben"
18 Jahre lang (1994 bis 2002) war Schöler Vizepräsident der European Table Tennis Union (ETTU), deren Ehrenmitglied er seit 2014 ist. Er gehörte zudem zum Vorstand des Tischtennis-Weltverbandes ITTF und engagierte sich unter anderem im Swaythling Club International, der Vereinigung ehemaliger Weltklassespieler. Im Swaythling Club arbeitete er auch mit seiner Frau zusammen, der gebürtigen Engländerin Diane Rowe, die in ihrer glanzvollen Karriere selbst 20 WM-Medaillen gewonnen hatte.
Eberhard Schöler und Diane Rowe, was für ein Paar! 1966 heirateten der beste Abwehrspieler und die beste Abwehrspielerin der Welt, eine Ehe, aus der zwei Kinder, Cindy und Christian, hervorgingen und die 57 Jahre lang hielt, bis zum Tod seiner Frau 2023, der Eberhard Schöler schwer traf. „Getting old is not for sissies”, sagt man in England, alt werden ist nichts für Memmen. Er hat nicht nicht nur seine geliebte Frau überlebt, sondern auch seinen guten Freund Hans Wilhelm Gäb, der über rund sieben Jahrzehnte Schölers engster Weggefährte war. Es war Gäb, der im Juni 2017 sagte, dass drei Personen maßgeblich die Geschichte des deutschen Tischtennissports geprägt hätten: „Boll, Roßkopf und Schöler, der sein ganzes Leben dem Tischtennissport gewidmet hat. Das deutsche Tischtennis kann sich glücklich schätzen, jemanden wie ihn zu haben, und er hat unser aller Dank verdient.”
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