Linz. „Der Musterprofi“, so lautete mal der treffende Titel des Porträts über Benedikt Duda im Fachmagazin „tischtennis“. Im schnellsten Rückschlagspiel der Welt eher ein Spätzünder hat sich der 30-jährige Bergneustädter mit Fleiß, Disziplin und unbedingtem Willen Schritt für Schritt in Europas Spitze gespielt, Rückschlägen getrotzt und stattdessen immer weiter an sich gearbeitet.
Bei der EM in Linz hatte er „das Tafelsilber des europäischen Tischtennis“ geschlagen, wie es der ARD-Tischtennis-Fachmann Christian Adolph im Interview mit ihm salopp formulierte, und nach dem topgesetzten französischen Überflieger Felix Lebrun am Samstag im Halbfinale den zweifachen Einzel-Europameister Dimitrij Ovtcharov geschlagen.
„Alles, was Lebrun hier mit dem Schläger berührt, wird zu Gold“
Doch gegen einen beeindruckend auftretenden Alexis Lebrun im Finale der Europameisterschaften war am Sonntagabend selbst Benedikt Duda machtlos. „Alles, was Lebrun hier mit dem Schläger berührt, wird zu Gold“, brachte Livestream-Kommentator Fraser Riley das machtvolle 0:4 auf den Punkt. Mit diesem Einzeltitel ist Alexis Lebrun aus dem Schatten seines 18-jährigen Bruders Felix herausgetreten. Nach mehreren Medaillen bei kontinentalen Titelkämpfen im Einzel, Doppel und mit der Mannschaft für den 21-jährigen Rechtshänder aus Montpellier ist es der erste Einzel-Titel für den diesjährigen Team-WM-Zweiten und Olympia-Dritten mit der Mannschaft. Im Doppel hatten sich die Lebrun-Brüder zuvor ebenfalls EM-Gold gesichert, dabei im Endspiel das schwedische Duo Anton Källberg/Truls Möregardh in drei Durchgängen deklassiert.
"Das ging schnell“, stellte Benedikt Duda nach der Einzel-Niederlage fest. „Auf alles, was ich mir vorgenommen habe, hat er taktisch immer eine Antwort gehabt. Er wusste genau, was zu tun ist, und hat mich überrollt.“ Der eigene Aufschlag brachte Duda keinen Vorteil, „bei seinem eigenen hat er mich komplett platt gemacht und bei jedem Aufschlag auch das Selbstbewusstsein gehabt, dass er den Punkt gewinnt. Das hat mir das Genick gebrochen. Klar wäre ich gerne den einen Schritt noch gegangen und bin jetzt schon enttäuscht“, gab der Unterlegene zu, stellte aber auch fest: „Ich bin sehr stolz auf mich und werde mich in ein, zwei Tagen sehr freuen.“
Weder „Außenseiter“ noch „Sensation“, jedoch lange im Schatten von Boll, Ovtcharov und Co.
Vor dem EM-Finale in Linz hatten die Medien über Dudas Durchmarsch von „Sensation“ und „Außenseiter“ geschrieben, dabei war es nicht zuletzt ihm zu verdanken, dass Deutschlands Herren ohne das Star-Trio aus Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska bei der Team-WM 2022 in Chengdu das Finale erreichten. Und ohne Ovtcharov, Franziska und Dang Qiu ein Jahr danach bei der Mannschafts-EM nur im Endspiel von Turnier-Gastgeber Schweden gestoppt werden konnten. Im Juni dieses Jahres hat Benedikt Duda beim WTT Contender Mendoza seinen ersten Einzel-Titel auf der World-Table-Tennis-Tour gewonnen. „Er hat immer wieder gezeigt, wie weit er auf seinem absoluten Maximum kommen kann“, erzählt Richard Prause, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes. „Jetzt hat er im Einzel noch mal einen draufgesetzt. Das freut mich sehr für ihn.“
Auch national liefert er schon lange Topergebnisse. Duda ist zweifacher Deutscher Einzel-Meister und an der Seite seines Dauer-Doppelpartners Dang Qiu mit sechs Titeln in Folge der Rekord-Seriensieger vor den Ex-Weltmeistern Steffen Fetzner und Jörg Roßkopf. Trotzdem: Eine Einzel-Medaille bei einer großen europäischen Meisterschaft war dem Weltranglisten-28. Benedikt Duda immer versagt geblieben. Und so gehört er zwar seit Jahren zu den „Big Five“ im deutschen Herren-Tischtennis, stand aber in der Öffentlichkeit meist im Schatten von Boll und Co.
Vom Fußball-Trainer vergrault: Erst mit zehn Jahren zum Tischtennis gewechselt
Obwohl in einer waschechten Tischtennisfamilie aufgewachsen, spielte Benedikt Duda in seiner Kindheit zunächst Fußball. Erst mit zehn Jahren griff er beim heimischen TTC Schwalbe Bergneustadt im Bergischen Land in Nordrhein-Westfalen zum Schläger. Der neue Trainer seines Fußball-Vereins hatte den begeisterten Mittelstürmer vergrätzt, so begann der kleine „Benne“ mit dem Sport seiner Eltern Martina und Heinz, die ihn auch in der TipsArena Linz anfeuerten. Beide hatten es als Spieler bis in die Regionalliga gebracht. Und mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Frederik, der ihn noch heute teilweise als Coach begleitet, war er in der Kindheit teilweise gemeinsam auf Lehrgängen.
„Benne“ Dudas Leistungsbereitschaft war schon in der Jugend enorm. Wegen technischer Mängel hatte er es jedoch zeitweise schwer, den Ansprüchen der regionalen und nationalen Kadertrainer zu genügen, denn die versiertere Konkurrenz war groß. Nach dem Fachabitur setzte Duda auf die Profikarte und zog gemeinsam mit Kumpel Dang Qiu in eine Spieler-WG nach Düsseldorf, um sich am dortigen Deutschen Tischtennis-Zentrum unter Erfolgstrainer Helmut Hampl im U23-Kader weiter zu verbessern. Von seinen Sondertrainingseinheiten um halb sieben morgens gibt es auch jetzt noch ein Video bei YouTube. Eine Stunde Balleimer vor allen anderen in der Halle und nach dem Frühstück eine halbe Stunde Aufschlagtraining, bevor die eigentliche Einheit begann. Im Anschluss wieder Balleimer und vor der Nachmittagseinheit arbeitete weitere 20 Minuten an seinem Service. An vier Tagen pro Woche ging er zusätzlich in den Kraftraum. Das war lange Zeit sein Tagesablauf. „Das könnte mein Bonus sein, etwas, das die anderen nicht machen. Du musst eben zehn Prozent mehr investieren, um aus der Menge herauszustechen“, erklärte er gegenüber dem „tt-“Magazin vor der Corona-Pandemie. Und tatsächlich: Benedikt Duda begann das Jahr 2016 auf Platz 130 der Weltrangliste und schloss es auf Platz 43 ab. Einen größeren Satz nach vorn machte zu der Zeit niemand in diesen Regionen des Rankings. Regelmäßig probierte er zusätzlich etwas Neues aus und guckt, ob es ihn voranbringt. Mal trainierte er seine Augenschnelligkeit mit einem speziellen Programm, mal arbeitete er mit einem Mentaltrainer und meditierte.
Sogar Bundestrainer Roßkopf musste ihn bremsen
Das Pensum hatte aber auch Schattenseiten. So musste sogar Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf, selbst ein leistungsbereiter Vielarbeiter als Spieler und Coach, ihn manchmal bremsen, „damit er bei den Turnieren nicht zu kaputt war“ (Zitat Roßkopf). Inzwischen ist es anders. Die Termindichte mit der Vielzahl von WTT-Turnieren in allen Teilen der Welt und der ständigen Hatz nach Weltranglistenpunkten ließ auch den Mann mit den Power-Schlägen sein Programm ändern. Zwei Einheiten pro Tag plus zwei- bis dreimal Athletiktraining in der Woche sind es inzwischen. Wenn kein WTT-Turnier ist, steht die Bundesliga mit seinem Heimatverein auf dem Plan.
„Trotz reduzierten Programms wegen der hohen Wettkampfdichte gehört er nach wie vor zu den Trainingsfleißigsten“, weiß DTTB-Sportdirektor Richard Prause und sagt über die Trainingsgruppe von Deutschlands Assen in Düsseldorf: „Die Jungs pushen sich nach oben. Sie bringen sich gegenseitig dazu, immer höhere Umfänge zu trainieren.“
Lange Zwangspause im Sommer
Diesen Sommer folgte die längste Auszeit in Benedikt Dudas bisheriger Spielerkarriere. Eine Knorpelverletzung im rechten Knie zwang ihn zu zwei Monaten Wettkampfpause. „Er ist sehr gestärkt aus dem Reha-Programm zurückgekehrt“, bemerkte Sportdirektor Prause. Beim China Smash Ende September setzte seine Erstrunden-Niederlage gegen Afrikameister Omar Assar ihm trotz ordentlicher Leistung nach der Zwangspause zu. Weder konditionell noch körperlich hatte sich „Mr. 110 Prozent“ bereit gefühlt für höhere Aufgaben. Doch Richtung EM wurde es besser und besser: „Im Training fühlt es sich schon alles ganz gut an“, sagte er vor der Abreise nach Linz.
„Er spielt unglaublich konstant und bewegt sich sehr gut. Hier in Linz überzeugt er zusätzlich mit einer sehr starken Rückhand“, analysierte Richard Prause. „Meist baut ‚Benne‘ sein Spiel über die Vorhand mit enormer Beinarbeit auf. Hier ist seine Rückhand die absolute Stärke. Er spielt die Bälle aus seiner Rückhand aggressiv zurück, um dann mit der Vorhand nachzusetzen.“ Auch ein weiteres Plus war in Österreich bis zum Finale deutlich zu erkennen: „Er spielt sehr komplett im Aufschlag-Rückschlag-Bereich. In Kombination mit der verbesserten Rückhand ergeben die Mosaik-Steinchen jetzt das komplette Puzzle.“
Benedikt Dudas großes Ziel war immer die Einzelmedaille bei Europameisterschaften. Dass es diesmal „nur“ Silber geworden ist und vor allem ein 0:4 im Finale gegen Alexis Lebrun, mag ihn noch eine kurze Weile wurmen. Sie wird ihn aber wie immer auch zu weiteren Höchstleistungen antreiben.
Positive Bilanz bei der ersten EM ohne Rekord-Titelträger Boll
Deutschlands Bilanz bei den Herren fällt auch ohne Titel positiv bei der ersten EM ohne Rekord-Titelträger Timo Boll aus. Fünf Deutsche hatten das Achtelfinale erreicht, davon vier die Runde der besten Acht. Mit „Dima“ Ovtcharov und „Benne“ Duda hatten zwei den Sprung ins Halbfinale geschafft. „Das war rundum eine gelungene Veranstaltung. Natürlich will man ein Finale gewinnen, wenn man es erreicht hat, aber auch Schweden und Frankreich sind gute Nationen, die starke Spieler aufbieten“, kommentierte Bundestrainer Jörg Roßkopf. „So wird es die nächsten Jahre weitergehen: eine EM mit vielen guten Spielerinnen und Spielern.“ Ein Sonderlob ging an den besten DTTB-Herrn im Turnier: „Für ‚Benne‘ ist ein so klares Ergebnis zwar bitter, aber er hat wirklich ein Riesenturnier gespielt. Vor kurzer Zeit saßen wir beim China Smash in Peking noch zusammen und haben analysiert, was er nach seiner Verletzung noch verbessern muss, und jetzt war er im Finale der EM.“
Alexis Lebrun habe der Viertelfinal-Erfolg gegen Dang Qiu den entscheidenden Impuls gegeben. Im Halbfinale dann hatte er selbst Mitfavorit Truls Möregardh keine Chance gelassen. „4:0 im Halbfinale und im Finale – Alexis hat herausragend gespielt. Aber auch bei ihm hätte man vor einigen Wochen nicht gedacht, dass er Europameister wird. Man hätte andere eher auf der Rechnung gehabt. Aber so ist es in Europa: Es kann alles passieren“, sagte Coach Roßkopf. Die ARD war vier Tage in Linz am Ball. Die Sportschau zeigte vom Duda-Finale am Sonntagabend eine fünfminütige Zusammenfassung.
Bei den Damen war Österreichs Lokalmatadorin Sofia Polcanova das Maß aller Dinge. Sie verteidigte ihren Einzel-Einzel im Finale gegen ihre rumänische Doppelpartnerin Bernadette Szöcs. Im Doppel und im Mixed gewann sie Silber. Im Damen-Doppel ganz oben auf dem Treppchen steht erstmals das tschechisch-slowakische Duo Hana Matelova/Barbora Balazova.
Herren-Einzel, Halbfinale
Benedikt Duda - Dimitrij Ovtcharov 4:2 (8,8,5,-8,-6,8)
Alexis Lebrun FRA - Truls Möregardh SWE 4:0 (10,5,5,6)
Finale
Benedikt Duda - Alexis Lebrun FRA 0:4 (-5,-8,-6,-2)
Herren-Doppel, Finale
Alexis Lebrun/Felix Lebrun FRA - Anton Källberg/Truls Möregardh SWE 3:0 (2,6,8)
Damen-Einzel, Halbfinale
Maria Xiao ESP - Bernadette Szöcs ROU 1:4 (-3,9,-7,-6,-6)
Nina Mittelham - Sofia Polcanova AUT 1:4 (-10,-7,10,-4,-6)
Finale
Sofia Polcanova AUT - Bernadette Szöcs ROU (8,-11,10,6,9)
Damen-Doppel, Finale
Hana Matelova CZE/Barbora Balazova SVK - Sofia Polcanova AUT/Bernadette Szöcs ROU 3:2 (7,-7,9,-7,6)
Herren-Einzel
Hauptfeld: Dang Qiu (Borussia Düsseldorf, Weltranglistenplatz 13), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT, WR: 12), Dimitrij Ovtcharov (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell, WR: 16), Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt, WR: 28)
Qualifikation: Andre Bertelsmeier (1. FC Köln, WR: 135), Fanbo Meng (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell, WR: 151)
Damen-Einzel
Hauptfeld: Nina Mittelham (ttc berlin eastside, WR: 20), Sabine Winter (TSV Dachau, WR: 57), Annett Kaufmann (SV DJK Kolbermoor, WR: 103), Franziska Schreiner (TSV Langstadt, WR: 106), Yuan Wan (TTC Weinheim, WR: 108)
Qualifikation: Sophia Klee (TSV Langstadt, WR: 232), Mia Griesel (ttc berlin eastside, WR: 253), Elisa Nguyen (DJK Sportbund Stuttgart, WR: 501)
Damen-Doppel*
Hauptfeld: Annett Kaufmann/Nina Mittelham, Yuan Wan/Sabine Winter
Herren-Doppel*
Hauptfeld: Benedikt Duda/Dang Qiu
Qualifikation: Fanbo Meng/Andre Bertelsmeier
Gemischtes Doppel*
Qualifikation: Patrick Franziska/Annett Kaufmann, Andre/Bertelsmeier/Mia Griesel
*Pro Nation dürfen für die Doppel-Wettbewerbe maximal zwei Kombinationen gemeldet werden
Sportliche Leitung
Richard Prause (Sportdirektor)
Trainerteam Damen
Tamara Boros (Bundestrainerin Damen), Zoltan Batorfi (Assistenz-Bundestrainer Damen), Lara Broich (Bundestrainerin Nachwuchskader 1 weiblich / U19)
Trainerteam Herren
Jörg Roßkopf (Bundestrainer Herren), Lars Hielscher (DTTB-Cheftrainer Düsseldorf), Dustin Gesinghaus (Bundestrainer Nachwuchskader 1 männlich / U19)
Medizinische Abteilung
Dr. Thomas Garn (Teamarzt), Birgit Schmidt, Annette Zischka (Physiotherapeutinnen OSP Hessen)
Organisationsleiter
Kolja Rottmann (DTTB-Leistungssport)
Presse
Manfred Schillings
Schiedsrichter
Michaela Hübener (Stellv. Oberschiedsrichterin, Hürth), Nico Zorn (Bremen)