Anzeige
Vor 90 Jahren wurden sie mit 21 Jahren volljährig und Weltmeisterinnen im Doppel: Diane und Rosalind Rowe (Foto: privat)
„Lady Tischtennis“ wird am 14. April 90 Jahre alt. In den 1950er-Jahren war sie zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Rosalind Wegbereiterin für die Frauen im Sport

Die älteste Weltmeisterin wird 90: Happy birthday, Diane Schöler!

SH 13.04.2023

Kaarst. Es war der 14. April 1954, als sich in London das zutrug, was die Öffentlichkeit im Anschluss das „Märchen von Wembley“ nennen würde. Diane Schöler, damals noch unter ihrem Mädchennamen Rowe, schuf an diesem Tag an der Seite ihrer 20 Minuten älteren Zwillingsschwester Rosalind bei den Weltmeisterschaften in London einen der legendären goldenen Momente des Sports.

Das Duo hatte in der Wembley-Arena ein echtes Heimspiel, schließlich wurden die Schwestern im Londoner Stadtviertel Marylebone geboren, eine halbe Autostunde von Wembley entfernt. Im einzigen rein englischen Finale im Damen-Doppel der Tischtennis-Geschichte, schlugen die „Rowe Twins“ Kathy Best und Ann Haydon in einem wahren Herzschlagfinale mit 19:21, 21:10, 21:19, 22:20 und holten sich den Titel. Nebenbei war es der Tag, an dem die beiden ihre Volljährigkeit feierten – mit damals 21 Jahren.

Finale in Wembley gegen eine spätere Wimbledon-Siegerin gewonnen

Tischtennis-Publizist Ian Marshall fragte sich, wie die „Chancen standen, dass dieses charmante Doppel – Diane, die Linkshänderin, und Rosalind, die Rechtshänderin, am bedeutendsten aller Geburtstage Weltmeisterinnen werden, an einem Ort, der nur wenige Minuten von Ihrem Geburtsort entfernt liegt, und gegen Gegnerinnen, von denen eine 15 Jahre später, Ann Haydon-Jones nämlich, in Wimbledon das Damen-Einzel-Finale im Tennis gegen Billie Jean-King gewinnen sollte“? Seine Antwort: Es sei ungefähr so wahrscheinlich, wie Elvis Presley live und gesund beim Signieren von blauen Wildlederschuhen – nach dem Song „Blue Suede Shoes“ des 1977 verstorbenen Rockstars – in Graceland zu erleben.

"Wenn wir auf diesen besonderen Tag zurückblicken, hatten wir das überwältigende Gefühl, dass wir zum Titelgewinn bestimmt waren, aber wir wussten auch, dass unsere Gegnerinnen erstklassig waren und nicht auf die leichte Schulter genommen werden durften“, erzählte Diane Schöler Marshall über den Tag des Erfolgs vor einigen Jahren. Sie erinnerte sich: "Volle Konzentration war an diesem Tag angesagt. Am einprägsamsten war für mich aber die absolute Erleichterung nach dem letzten gewonnenen Punkt. Und die Unterstützung der 10.000 Zuschauer während des gesamten Turniers für die englischen Spieler: Sie war überwältigend!"

Vorkämpferinnen für die moderne Frau im Sport

Diane und Rosalind Rowe waren Wegbereiterinnen für Frauen im Sport, standen für die junge Generation mit fortschrittlichen Ansichten und Mut zur Meinung. Ihr sportlicher Erfolg allein im Doppel – sie erreichten zwischen 1951 und 1955 fünf Mal in Folge das Finale – ist ein Rekord, der immer noch Bestand hat.

Schon 1951 waren sie nach Schweden eingeladen worden und spielten gegen die damalige Königin Louise im königlichen Palast mit Prinz Carl Gustaf, dem heutigen König, als Balljunge, berichtete die britische Qualitätszeitung „Independent“ im Jahr 2015 in einem Rückblick. 1952 tourten sie einen Monat lang durch Neuseeland und spielten sich auch auf der anderen Seite der Erde in die Herzen der Menschen. Die damaligen Zeitungen beschrieben, dass die Fans "an den Fensterbrettern klebten, um einen Blick auf sie zu erhaschen“.

„Mit ihrem schicken Kleidungsstil, ihrem athletischen Körperbau und ihren tadellosen Umgangsformen wurden sie zu einem Begriff“, schrieb „Independent“-Autor Martin Childs. „Manche führten ihre Popularität auf ihre Weiblichkeit und die Tatsache zurück, dass sie Zwillinge waren.

Neue Tischtennis-Mode: „Lange Röcke sind unpraktisch“

Damals – im Zeitalter der überknielangen Röcke im Sport und Kleidung in gedeckten Farben – zu ihren umstrittenen Shorts und „bunten“ Trikots befragt, antworteten die Zwillinge: "Wir spielen gerne in kurzen Hosen. Wir fühlen uns darin wohl, und sie sehen gut aus. Lange Röcke sind unpraktisch für die schnellen Bewegungen, die beim Angriff notwendig sind."

Ihre hohe Popularität machte ihr Trainer, Ungarn 22-facher Weltmeister Viktor Barna, gleich an einer Reihe positiver Eigenschaften fest: „Sie sind beliebt, weil sie großes Talent, Kampfgeist, Persönlichkeit und Charme haben. Sie sind ordentlich gekleidet und ihr Verhalten am Tisch ist vorbildlich. Sie schreien nie, wenn sie einen Schlag verpassen, und spielen nie für die Galerie.“

Überall, wo sie auftauchten, zogen sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Die “famous Rowe twins”, wie man sie nannte, die berühmten Rowe-Zwillinge, waren regelmäßig Thema in Zeitungen und Zeitschriften sowie im Jahrbuch „Eagle Sports Annual“, das ihnen und dem Tischtennissport regelmäßig mindestens eine Seite widmete. Im Jahr 1955 veröffentlichten Diane und Rosalind selbst ein Buch, Titel: „The Twins on Table Tennis“.

Gäb: „Tänzerische Leichtigkeit und Fairplay“

„Diane und ihre Schwester Rosalind Rowe standen für eine Epoche unseres Sports, in der auch Weltmeister wie Johnny Leach, Richard Bergmann und Viktor Barna mit Noppengummischlägern die hohe Kunst des Spiels beherrschten. Es war eine Epoche, in der die Rowe-Sisters Weltmeister im Doppel waren, 10.000 Zuschauer ins Wembley-Stadion lockten und mit weiblicher Anmut und tänzerischer Leichtigkeit faszinierten“, beschreibt DTTB-Ehrenpräsident Hans Wilhelm Gäb anlässlich des 90. Geburtstags rückblickend, der die Rowe-Ära aus nächster Nähe als deutscher Nationalspieler verfolgte. „Und es war auch eine Zeit, in der es serienmäßig lange Ballwechsel gab, in der die Zuschauer Taktik und Aufbau eines Ballwechsels genau verfolgen konnten und dann einen gewonnenen Punkt als Ergebnis einer athletischen und technischen Leistung feierten. Dass Diane Schöler damals auch für Fairplay und tadelloses Benehmen stand, ein Verhalten, das auch ihren späteren Ehemann Eberhard Schöler kennzeichnete, rundet das großartige sportliche und menschliche Bild der Jubilarin ab.“

200 Länderspiele für England, 70 für Deutschland

Während Rosalind Mitte der 1950er-Jahre überraschend ihren Rücktritt aus dem Nationalteam verkündete, nachdem sie bei der WM 1955 in Utrecht zusammen mit Diane Silber im Doppel gewonnen hatte, heiratete und sich mit Ehemann John Cornett ins Privatleben zurückzog, spielte Diane viele Jahre erfolgreich weiter. Mit ihrer 1954er-Finalgegnerin Ann Haydon wurde sie bei den Weltmeisterschaften 1957 in Stockholm Zweite im Doppel. 1956 in Tokio und 1959 in Dortmund erreichte sie das Halbfinale. 1962 und 1964 wurde sie an der Seite von Mary Shannon Europameisterin im Doppel.

Bis 1966 absolvierte sie mehr als 200 Länderspiele für England und nahm in dieser Zeit an elf Weltmeisterschaften teil. Anfang 1966 heiratete sie Deutschlands Besten, Eberhard Schöler, den späteren WM-Finalisten im Einzel. Erstmals im Oktober 1966 bestritt sie ein Länderspiel für Deutschlands Nationalmannschaft. Es sollten 69 weitere folgen, außerdem vier WM-Starts im Trikot ihrer neuen Heimat.

Am 27. April 1973 trat sie vom internationalen Leistungssport zurück, nachdem sie ihr 70. und letztes Länderspiel für Deutschland bestritten hatte. Zwischen 1951 und 1971 gewann sie bei Welt- und Europameisterschaften nicht weniger als 34 Medaillen, darunter sechs goldene.

Die Karriere nach der Karriere: Trainerin und Funktionärin

Anders als ihre Schwester Rosalind blieb Diane immer nah dran an ihrem Sport. Bis 1997 arbeitete sie als Trainerin und Damenwartin des Westdeutschen Tischtennis-Verbands. Von 1997 bis 2013 fungierte die langjährige SCI-Geschäftsführerin als Präsidentin und damit erste Frau an der Spitze des Swaythling Club International, der Vereinigung der ehemaligen Weltklassespieler, Mannschaftskapitäne und derer, die in anderer Position Großes für die Tischtennissport geleistet haben.

1993 wurde ihr vom Weltverband der ITTF Merit Award verliehen, 2001 vom DTTB der "Dr. Dieter Mauritz"-Gedächtnispreis – beide Ehrenpreise werden an Persönlichkeiten vergeben, die sich um den Tischtennissport in besonderer Weise verdient gemacht haben.

Diane Schöler vor dem 90. Geburtstag: „Es ging mir schon mal besser“

Seit ihre Schwester Rosalind am 15. Juni 2015 verstarb, ist Diane Schöler allein die älteste lebende Weltmeisterin im Tischtennis. Am 14. April begeht sie in ihrem Wohnort Kaarst-Holzbüttgen im Kreise ihrer Familie ihren 90. Geburtstag. „Es ging mir schon mal besser“, sagt die zweifache Mutter und Großmutter. Die verhaltene, aber wahre Antwort wohl der meisten Menschen in diesem Alter auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden.

Tischtennis-Deutschland wünscht alles Gute und gratuliert sehr herzlich: Happy birthday, dear Diane!

Links

Kontakt

Deutscher Tischtennis-Bund
Hauptsponsoren
weitere Artikel aus der Rubrik
Personalie 24.03.2024

Hannovers "Mr. Tischtennis" stirbt mit 80 Jahren

Er holte reihenweise Länderspiele und Pokalfinals nach Hannover und präsentierte dem sportbegeisterten Publikum die Stars der Tischtennis-Szene. So festigte er in mehr als drei umtriebigen Jahrzehnten seinen Spitznamen als "Mister Tischtennis" in Niedersachsens Landeshauptstadt. Im Alter von 80 Jahren ist Uwe Rehbein nach kurzer schwerer Krankheit gestorben.
weiterlesen...
Personalie Trainer/in 23.03.2024

Richard Hoffmann neuer Schnittstellentrainer in Hannover

Richard Hoffmann wird ab 1. April neuer Schnittstellentrainer am Bundesstützpunkt in Hannover. Der Niedersachse folgt auf Frank Schönemeier, der zum gleichen Datum Hoffmanns Amt als Bundestrainer des Nachwuchskaders 2 (Jungen 15) beim Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) übernimmt.
weiterlesen...
Personalie 26.02.2024

Hans Wilhelm Gäb zieht sich nach 45 Jahren aus dem DTTB-Präsidium zurück

„Außer dem Zeitfaktor gibt es keine Gründe für diesen Schritt“, gibt die „moralische Instanz des deutschen Sports“ in einem Brief an die Tischtennis-Familie bekannt.
weiterlesen...
Personalie 15.02.2024

Tischtennis-Journalist Dieter Gömann ist tot

Niedersachsens Chefredakteur, Chefautor und -fotograf stirbt im Alter von 82 Jahren.
weiterlesen...
Personalie 14.02.2024

TTBW-Präsident Frank Tartsch verstorben

Frank Tartsch ist am am Dienstagabend nach einer schweren Krebserkrankung im Alter von 73 Jahren im Böblinger Krankenhaus verstorben. Er war amtierender Präsident von Tischtennis Baden-Württemberg, mit Unterbrechungen über 20 Jahre als Präsident und mehr als 30 Jahre im Präsidium im Einsatz.
weiterlesen...
Personalie 22.12.2023

Weihnachten der Stars: Pause fast nur an den Feiertagen

Von Januar bis Ende Dezember sind die Nationalspieler des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) nahezu ununterbrochen für ihre Vereine, die Nationalmannschaften oder bei internationalen Turnieren im Einsatz.
weiterlesen...
© Deutscher Tischtennis-Bund e.V. - DTTB - Alle Rechte vorbehalten

Datenschutz | Impressum