Frankfurt/Main. Die Auftritte der deutschen Tischtennisspieler zählten zu den Highlights von Team D bei den Olympischen Spielen 2020. Zu den Besuchern im Tokyo Metropolitan Gymnasium zählte mehrfach auch Dirk Schimmelpfennig, wenn es seine knapp bemessene Zeit als Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft denn zuließ. Der 59 Jahre alte Hürther beeinflusste 24 Jahre lang als Damen-Bundestrainer, Spitzensport-Koordinator, Herren-Bundestrainer, Cheftrainer und Sportdirektor maßgeblich die leistungssportlichen Geschicke des DTTB, bevor er im März 2015 seine Aufgabe als 'Vorstand Leistungssport' beim Deutschen Olympischen Sportbund antrat. Nach seiner Rückkehr aus Tokio in der vergangenen Woche ordnete Schimmelpfennig gegenüber tischtennis.de die herausragenden Leistungen der deutschen Tischtennis-Asse in das sportliche Gesamtbild von Team D ein und schildert persönliche Eindrücke von den Sommerspielen.
Als Chef de Mission von Team D waren Sie rund um die Uhr im Einsatz. Haben Sie es geschafft, in Tokio bei allen Sportarten einmal zu Gast zu sein?
Dirk Schimmelpfennig: Bei den Spielen habe ich viele Sportarten sehen können, aber nicht alle. Deshalb haben wir uns die Wettkampfbesuche sowohl innerhalb der Delegationsleitung mit Präsident Alfons Hörmann, der Vorstandsvorsitzenden Veronika Rücker und Vizepräsidentin Uschi Schmitz als auch unter den Verbandsberatern systematisch aufgeteilt. So konnten wir überall präsent sein.
Zu welchen Gelegenheiten waren Sie bei den Tischtennis-Wettbewerben?
Schimmelpfennig: Wir haben uns auf den Besuch von Viertelfinals, Halbfinals und Finals konzentriert. Im Tischtennis konnte ich mir deshalb einige dieser Entscheidungen live vor Ort anschauen.
Gibt es Wettkämpfe, die Sie besonders beeindruckt haben, unabhängig von der Farbe des Edelmetalls oder vom Erfolg?
Schimmelpfennig: Im Tischtennis haben mich die Spiele von Dima sehr beeindruckt. Das Halbfinale gegen Ma Long war das beste Spiel, das ich von ihm gesehen haben. Auch die Leistungen der deutschen Herrenmannschaft waren wieder sehr überzeugend. Diese haben zu recht zu großer Begeisterung und Anerkennung der Sportfans in Deutschland geführt.
Schlägt der Puls auch als Chef de Mission und DOSB-Vorstand Leistungssport noch immer etwas höher, wenn die ehemaligen Schützlinge und Mitstreiter um Medaillen kämpfen?
Schimmelpfennig: Natürlich. Der persönliche und emotionale Bezug zu den Spielerinnen und Spielern, aber auch zu Trainern und Betreuern, die man so lange kennt, bleibt immer bestehen.
Der Ansturm auf die chinesische Mauer wurde auch diesmal abgewehrt. Hatte der Tischtennis-Insider Schimmelpfennig auch ein wenig auf den Tag der Tage gehofft?
Schimmelpfennig: Den Tag der Tage erhofft man sich bei jedem Aufeinandertreffen. In Tokio waren die deutschen Herren im Halbfinale von Dimitrij gegen Ma Long so nah dran wie nie. Das Spiel war auf Augenhöhe und völlig offen.
Silber für die Herren und Bronze für Dimitrij Ovtcharov, dazu weitere starke Resultate. Wie bewerten Sie das Abschneiden der DTTB-Asse im deutschen Gesamtbild?
Schimmelpfennig: Die deutschen Tischtennisspielerinnen und -spieler haben in Tokio auch innerhalb des Team D für Furore gesorgt. Die Bilanz mit zwei Medaillengewinnen, einem vierten Platz im Damen-Team und zwei weiteren Viertelfinalteilnahmen ist herausragend gut. Zudem haben sich die Aktiven des DTTB zum vierten Mal in Folge an deutschen Medaillengewinnen beteiligen können. Das ist überragend.
Corona hat für zwei Seiten der Medaille gesorgt: Erschwerte Organisation, strenge Hygienevorschriften, keine Zuschauer, eingeschränkter Kontakt zu den Medien, kontroverse Diskussionen über die Austragung sogar in Japan. Auf der anderen Seite großartige Leistungen und Sportler, die langer Vorbereitung froh waren, ihre Leistung zeigen zu dürfen. Wie lautet das Fazit des Chef de Mission zu Tokio 2020?
Schimmelpfennig: Das wir alle unter diesen Bedingungen die Olympischen Spiele in Tokio 2020 erleben durften, ist bemerkenswert positiv und war für den Sport in Deutschland, aber auch für den internationalen Sport sehr wichtig. Dass wir dazu alle Schutzmaßnahmen mit Impfungen, Testungen, Maskenpflicht, Hygiene- und Abstandsregelungen so erfolgreich umsetzen konnten, ist sehr erfreulich. Dies war nur mit großem Aufwand und großer Disziplin aller Beteiligten möglich.
Welches war für Sie persönlich in Tokio das eindrücklichste, das bewegendste Erlebnis?
Schimmelpfennig: Einerseits das Finale im Damen-Ringen, der letzten Kampf von Aline Rotter-Focken in ihrer erfolgreichen Karriere, der mit dem Olympiasieg endete. Andererseits neben den vielen sportlichen Erlebnissen der Abschied der Kanuten Max Hoff und Ronald Rauhe von ihren Weggefährten im Kanu-Nationalteam und von Team D zum Abschluss ihrer Leistungssportkarrieren. Im Rahmen unserer kleinen Empfänge für die Medaillengewinner im Olympischen Dorf. war dies sehr bewegend. Da war die große Leidenschaft der Leistungssportler sehr authentisch zu spüren. Gänsehautmomente.
Ergebnisse
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Herren-Team: Dimitrij Ovtcharov (Fakel Gazprom Orenburg, Russland), Timo Boll (Borussia Düsseldorf), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT), Ergänzungsspieler: Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt)
Damen-Team: Petrissa Solja (TSV Langstadt), Han Ying (KTS Enea Siarka Tarnobrzeg, Polen), Shan Xiaona (ttc berlin eastside), Ergänzungsspielerin: Nina Mittelham (ttc berlin eastside)
Herren-Einzel: Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll
Damen-Einzel: Petrissa Solja, Han Ying
Gemischtes Doppel: Patrick Franziska/Petrissa Solja
Teilmannschaftsleiter: Richard Prause (Sportdirektor)
Trainer-Team: Jörg Roßkopf (Bundestrainer Herren), Jie Schöpp (Bundestrainerin Damen), Lars Hielscher (Assistenztrainer)
Physiotherapeut: Peter Heckert (OSP Hessen)
Arzt: Dr. Antonius Kass (Düsseldorf)
Schiedsrichterin: Anja Gersdorf (Düsseldorf)
Öffentlichkeitsarbeit: Benedikt Probst (Frankfurt/Main)