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Wenzel, Kamizuru, Nemes (v.l., Montage: SH)
Gleich mehreren Damen gehörte die Aufmerksamkeit der Tischtennis-Szene in den 1980ern: Ursula Kamizuru, Susanne Wenzel und Olga Nemes

DM Classics: Kamizuru, Wenzel und Nemes teilten sich die 80er auf

SH 14.06.2022

Frankfurt/Main. So unterschiedlich sie in Spielstil, Herkunft und Karriereverlauf auch waren: Diese drei Damen teilten die 1980er-Jahre an der deutschen Spitze unter sich auf – "Uschi" Kamizuru, Susanne Wenzel und Olga Nemes.

„Die Kleinste war die Größte“, titelte der dts über dem DM-Nachbericht im Jahr 1977 – es war eine Schlagzeile, die noch oft bemüht werden würde. Eine Überraschung war der Einzel-Sieg der 1,49 Meter großen Ursula Kamizuru, geborene Hirschmüller, bei den naionalen Titelkämpfen schon 1977 nicht. Bundestrainer Christer Johansson hatte schon vor Turnierbeginn gesagt: "In diesem Jahr kann nur sie gewinnen.“ Und das trotz hochkarätiger Konkurrentinnen wie Agnes Simon, Edit Wetzel und Wiebke Hendriksen.

Von 1974 bis 1982 absolvierte die gebürtige Sennfelderin 110 Länderspiele für Deutschland. 1977 erreichte sie bei der WM in Birmingham als einzige Europäerin das Viertelfinale im Einzel. 1982 gewann sie bei der EM in Budapest Bronze im Einzel und Silber mit der Mannschaft. Bei Deutschen Meisterschaften triumphierte sie fünf Mal im Einzel (1977, 1979, 1980, 1981 und 1982). Der erste Erfolg war lang ersehnt und so kommentierte die Angriffspielerin: "Endlich hat es auch bei Deutschen Meisterschaften geklappt. Dieser Titel hat in meiner Sammlung bislang noch gefehlt". Es sollten besondere Siege werden. Als einzige Deutsche gelang Kamizuru der Triple-Hattrick. In drei aufeinanderfolgenden Jahren – 1979, 1980 und 1981 gewann sie jeweils die Einzel-, Doppel- und Mixed-Konkurrenz.

1979 heiratete sie den Japaner Hideyuki Kamizuru, der für die Tischtennis-Firma Butterfly arbeitete, und siedelte ein Jahr später mit ihm nach Japan über. Zusammen mit den beiden Söhnen kehrte die Familie 1985 nach Deutschland zurück, als Hideyuki Kamizuru die Geschäftsführung von Butterfly Europa übernahm. Noch bis in die späten 1980er-Jahre gewann „Uschi“ die Deutschen Mannschaftsmeisterschaften mit "ihrem" DSC Kaiserberg, zuletzt 1988. Über Zwischenstationen in der 2. Bundesliga und Oberliga war der TuS Rheinberg am Wohnort der Familie schließlich ihr letzter Klub. Sie engagierte sich dort auch als Nachwuchstrainerin. Im August 2008 verstarb Ursula Kamizuru nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von nur 54 Jahren.

Erstes Ausrufezeichen bei der DM mit 13: Susanne Wenzel

Susanne Wenzel hatte den Zuschauern bereits 1977 beim ersten Erfolg Kamizurus imponiert, warf die damals 13-Jährige vom norddeutschen Oberliga-Tabellenführer Holstein Kiel doch völlig unbekümmert aufspielend nacheinander die favorisierten Jutta Brunn (Rheinhessen), Barbara Lang (SSV Hagen) und die gesetzte vierfache DM-Finalistin Monika Kneip (WRW Kleve) aus dem Rennen. Erst in Defensiv-Ass Edit WetzeI fand der auch noch ein Jahr später in der Schülerinnen-Klasse spielberechtigte Blondschopf seine Meisterin. „Gegen Abwehrspielerinnen reichen ihre Mittel zurzeit noch nicht aus", erklärte ihre damalige Trainerin Annegret Steffien. dts-Autor Uwe Freise urteilte: „Wenn nicht alles täuscht, reift in der Kielerin ein Talent heran, an dem der DTTB noch einmal viel Freude haben kann.“ Er sollte recht behalten. 1983 bis 1985 war kein Vorbeikommen an Wenzel, der 1985 in Saarbrücken der Hattrick gelang, im Doppel mit Anke Schreiber (geborene Olschewski), im Mixed mit Jürgen Rebel, an dessen Seite sie 1979 und 1981 Jugend-Europameister geworden war.

40 Länderspiele absolvierte sie für die deutsche Nationalmannschaft, erstmals mit 19 Jahren 1982. Bei den Europameisterschaften in dem Jahr gehörte sie zu der Mannschaft, die die Silbermedaille gewann. Vier Jahre später in Prag gab es Bronze. Für die „Spielerin des Jahres“ 1983 und 1984 war bereits 1986 im Alter von 24 Jahren Schluss in der Nationalmannschaft.

Den Rückzug kommentierte der damalige DTTB-Präsident Hans Wilhelm Gäb im Magazin „dts“ verbunden mit einer Hoffnung, die sich nicht erfüllen sollte: „(…) Susanne Wenzel, eine unglaublich begabte Meisterin unseres Sports, hin- und hergerissen zwischen der Freude am Spiel und der Furcht vor dem Druck, den Belastungen und den Erwartungen der Umwelt, die aus dem sportlichen Erfolg zwangsläufig resultieren – eine Sportlerin, deren internationale Laufbahn sicherlich neu gestartet werden kann, wenn sie nur will.“

Wenzel hingegen fühlte sich vom DTTB „ausgemustert (…), obschon ich der Meinung bin, dass ich international sicherlich einiges bringen kann“ (Wenzel im dts, Ausgabe Januar 1987). Sie spielte im Anschluss noch vier Jahre lang für Luxemburg und war weiter in der Bundesliga aktiv. In der Saison 85/86 war die gebürtige Kronshagenerin mit einer 61:7-Bilanz die zweitbeste Akteurin hinter einer weiteren Dame, mit der sie gemeinsam für den ATSV Saarbrücken in einer Mannschaft spielte und die die 80er-Jahre ab der Mitte dominierte …

Langjährige Nummer eins: Olga Nemes

Die später fünffache Deutsche Einzel-Meisterin Olga Nemes war in ihrer Hochphase die Dominatorin in Europa. Die gebürtige Rumänin ungarischer Herkunft lebt und spielte seit 1984 in Deutschland. Mit ihren damals 14 Jahren ist sie bis heute die jüngste Siegerin des europäischen Ranglistenturniers, damals Europe Top 12, das sie nach 1983 auch noch 1989 gewann, außerdem dreimal Silber und zweimal Bronze holte. 1997 gehörte Nemes zur WM-Bronze-Mannschaft neben Nicole Struse, Jie Schöpp, Elke Schall und Christina Fischer.

Für die deutsche Nationalmannschaft seit 1985 spielberechtigt wurde die Konter- und Blockspezialistin, vor deren druckvoller, tischnaher Spielweise sich auch so manch hochklassiger Herr fürchtete, 170-mal in die Nationalmannschaft berufen. Sie nahm jeweils achtmal für Deutschland an Welt- und Europameisterschaften teil, holte in den 90ern zweimal EM-Team-Gold mit den DTTB-Damen.

Insgesamt gewann sie je fünfmal den Titel bei Deutschen Meisterschaften im Einzel und im Mixed sowie dreimal im Doppel. Der bedeutendste der DM-Titel war der im Jahr 1995. „Den habe ich nur acht Wochen nach der Geburt meines Sohnes Steven gewonnen“, erzählte sie später bei einem ihrer Starts auf der internationalen Bühne der Senioren.

Neben Lust und Spaß am Spiel zeigte sie bei ihrem Comeback aus der kurzen Baby-Pause in Böblingen 1995 die alte Reaktionsschnelligkeit und große Kondition. Dreimal ging sie über fünf Sätze, und dabei räumte sie mit Nicole Struse (Halbfinale) und Jie Schöpp (Endspiel) zwei Weltklassespielerinnen aus dem Weg. Als Zubrot gab’s den Doppel-Titel an der Seite von Kinga Lohr. Ihre Hoffnung, dass sie nach dem Überraschungserfolg kurzfristig für die WM-Mannschaft nachnominiert würde, erfüllte sich trotzdem nicht.

Trotz so mancher Tiefen war eines immer klar: „Tischtennis ist meine Liebe“, betont Olga Nemes. Der Erfolg am Tisch ist ihr nicht in den Schoß gefallen. Durch ihren Vater beeinflusst, hat sie sich den Erfolg  hart erarbeiten müssen. So lautet das Motto der inzwischen 54-Jährigen und als Trainerin Tätigen bis heute: „Talent ist viel Übung und Erfolg ist kein Glück.“

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