Düsseldorf. Timo Boll macht es, Peti Solja macht es und jetzt auch Nina Mittelham: Die Nationalspielerin ist unter die Camper gegangen und gönnt sich nach Tokio an der Nordsee zehn freie Tage. „Ich habe das mit Tammy (Anm. d. Red.: gemeint ist die nach den Olympischen Spielen verantwortliche neue Bundestrainerin Tamara Boros) so besprochen, dass ich besser jetzt zwei Wochen komplett abschalte, auch im Kopf. Die Saison ist wieder sehr lang. Ich brauche das ab und zu, damit die Frische und der Spaß wiederkommen. Mir nützt es nichts, müde ins Training zu gehen und dann nur halb dabei zu sein“, sagt Mittelham, die auf das WTT-Contender in Budapest bewusst verzichtet.
Frische Seeluft nach den Tagen von Tokio
Ein paar Tage Ruhe und Seeluft ist das, was die 24-Jährige in diesen Tagen gut gebrauchen kann. Tokio sei unheimlich anstrengend gewesen, viele Eindrücke, viele Leute, „laut und voll“. Das habe sich vor allem in der großen Essenshalle bemerkbar gemacht. „Ich liebe meine Ruhe beim Essen und wenn ich mich unterhalten kann“, so Mittelham. Das war in diese Form nicht möglich, auch weil coronabedingt Plexiglasscheiben eine normale Gesprächslautstärke verhinderten. Dadurch herrschte in der „Main Dining Hall“ ein sehr hoher Geräusch-Pegel. Das olympische Flair kam trotz Corona zumindest zeitweise auf, wenn Mittelham mal andere Athleten traf wie Alex Zverev, Novak Djokovic oder auch die Handball-Nationalmannschaft. „Viel geredet wurde da nicht, weil sich die Sportler schon bewusst etwas abgeschottet haben, aber es war mal schön, andere Sportler zu treffen. Normalerweise ist man ja nur in seiner Tischtennis-Bubble unterwegs und kennt alle Spieler“, erzählt Mittelham. Dass sie, ebenso wie alle anderen deutschen Tischtennis-Asse, nicht bei der Eröffnungsfeier war – der DTTB hatte als Vorsichtsmaßnahme darauf verzichtet – findet sie im Nachgang schade. Und es sei komisch gewesen, in einer leeren Halle zu spielen, die für mehrere tausend Zuschauer ausgelegt ist. „Wenn man sich vorstellt, wenn diese Halle voll ist und die Leute mitgehen, wäre das noch mal ein ganz anderes Feeling gewesen.“ Insofern bleiben von Tokio eher gemischte Gefühle hängen. „Ich hoffe einfach, dass ich in Paris 2024 dabei sein kann - und dann nicht unter Corona-Bedingungen.“
Als Dankeschön gab es von den Kolleginnen Karten fürs Disneyland
In Tokio erledigte Nina Mittelham ihre Rolle als Ergänzungsspielerin tadellos, stand immer Gewehr bei Fuß, wenn es darum ging, die Kolleginnen auf die Matches vorzubereiten. Mittelham spielte häufig Han Ying ein, ging auf die Wünsche der Mannschaft ein, imitierte zum Beispiel auch Aufschläge von anderen Spielerinnen, „die ich sonst nicht machen würde, sozusagen copy and paste.“ Zwar spielte Mittelham in Tokio jeden Tag Tischtennis, mit einem normalen Trainingsalltag sei das aber nicht vergleichbar gewesen. Als Dankeschön schenkten ihr die Teamkolleginnen Eintrittskarten für das Disneyland in Paris. „Das war am letzten Abend, als wir noch mal alle zusammensaßen. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet und mich riesig gefreut, zumal Disney und Achterbahn-Fahren etcetera auch mein Ding sind“, betont die Spielerin des Jahres von 2020.
Nächste Station DM in Bremen: „Ich muss mich nicht verstecken“
Das nächste Ziel sind die Deutschen Meisterschaften Ende August in Bremen. Mittelham hat in den letzten beiden Jahren jeweils im Einzel und Doppel gewonnen und gehört zumindest auf dem Papier wieder zu den Favoritinnen. „Natürlich ist es mein Ziel zu gewinnen, aber ich denke, es wird in diesem Jahr schwieriger, weil ich keine echte Vorbereitung habe.“ Nach dem Urlaub bleibt ihr knapp eine Woche Training. „Das ist sehr kurz, aber ich weiß auch, was ich kann und dass ich mich oft im Turnierverlauf steigere. Ich weiß auch nicht, in welcher Verfassung die anderen sind. Ich muss mich nicht verstecken.“ Im Doppel tritt Mittelham dieses Mal mit Kristin Lang (Kolbermoor) an, mit der sie 2018 Europameisterin wurde. „Wir wollten schon vor zwei Jahren spielen, aber es hat damals nicht geklappt.“ Im vergangenen Jahr wurde sie mit Sabine Winter, ein Jahr zuvor mit Franziska Schreiner Deutsche Meisterin. „Ich finde das immer spannend, sich auch auf verschiedene Systeme einzulassen, da kann man viel lernen.“ Auf familiäre Unterstützung in Bremen kann Mittelham jedenfalls schon mal bauen. Ihre Eltern, ihre Schwester und eventuell Freund Sascha kommen in die Hansestadt. „Er weiß noch nicht, ob er es einrichten kann, aber es wäre ein gutes Omen, weil er die letzten beide Male dabei war, als ich gewonnen habe“, erzählt die Mixed-Europameisterin, die in Warschau den Titel mit Dang Qiu gewann. Die Aussicht auf den Titel-Hattrick seiner Freundin gibt Sascha vielleicht den letzten Ruck, einen Besuch doch möglich zu machen.