Bochum. Das Geburtstagskind ist eine Art „Tischtennis-Legende“, dem in seiner aktiven Zeit von offizieller Stelle mehrfach das Etikett angehängt wurde, ein „Querkopf“ zu sein. „Ich habe mich aber nie so gesehen, sondern nur meine Rechte geltend gemacht“, ist bis heute Berni Vossebeins unveränderte Sichtweise.
Die Nichtberücksichtigung für die WM 1952 in Bombay sowie 1954 in London hatte schon für prächtige Schlagzeilen gesorgt. Erst recht 1956, als er das Einzelfinale der Deutschen Meisterschaften gegen Conny Freundorfer zwar verlor, aber sicher war, damit das WM-Ticket für Tokio schon in der Tasche zu haben. Dass dem jedoch nicht so war, entfachte einen wahren „Sturm im Blätterwald“. Nur ein von seinem Verein, dem VfL Bochum initiierter Spendenaufruf, bei dem mit einer „50-Pfennig-Sammlung“ tatsächlich 4.650 Mark zusammenkamen, erfüllte die Voraussetzung, alle Kosten selbst zu tragen.
Immer bereit, um alles zu kämpfen
Das ist nur eine von zahllosen Geschichten, aus einem prallen Tischtennis-Leben, die Berni auf Lager hat und nicht müde wird, sie zu erzählen. Sie würden ein komplettes Buch füllen – so wie seine Urkundensammlung eine ganze Kartoffelkiste. Dem früheren Friseurmeister hat das Leben nichts geschenkt, aber seine Bereitschaft, um alles zu kämpfen, zieht sich wie ein roter Faden durch die neun Jahrzehnte. Am (damals ausschließlich) grünen Tisch sowieso, aber auch vor einigen Jahren, als er wider aller Erwartungen einen langem Leidensweg durchmachte und eine schwere Krankheit besiegte.
Nach Anfängen im Radsport macht er die erste Bekanntschaft mit dem Zelluloidball als 14-Jähriger in einem Alter, das heute eine sportliche Karriere in dieser Sportart weitgehend ausschließt. Schon drei Jahre später nahm er als westfälischer Jugendmeister erstmals 1942 in Breslau an Deutschen Meisterschaften teil. Fortan war eine DM ohne Bernie Vossebein kaum denkbar. Zwanzigmal (bis 1965) als Spieler, danach entweder als WTTV-Verbandstrainer, Betreuer oder als Zuschauer hat er sage und schreibe über 50 nationale Titelkämpfe erlebt.
Vierfacher WM-Teilnehmer
Weil Vossebein 1949 und 1956 das Endspiel verlor, blieb ihm der angestrebte DM-Einzeltitel zwar versagt, aber siebenmal stand er im Doppel und Mixed auf dem obersten Treppchen. Mit 16 Berufungen in die DTTB-Auswahl, davon bei vier Weltmeisterschaften (1953, 1956, 1957, 1959), ist Berni Vossebein heute der älteste noch lebende Nationalspieler. Auch im Swaithling-Club zählt er inzwischen zu den ältesten Mitgliedern
Dem Westdeutschen Tischtennis-Verband, dem er mit vielen Erfolgen über Jahrzehnte seinen Stempel aufdrückte, ist er in der ganzen Zeit treu geblieben. Von einem zweijährigen Abstecher nach Bonn abgesehen, hat er eigentlich auch den Dunstkreis des Ruhrgebietes nie verlassen. Dazu kann man auch die letzte Herausforderung beim früheren Bundesligisten TTC Altena rechnen, wo ihn mehr als ein halbes Jahrhundert die Freundschaft mit Wilfried Lieck verbindet.
Eine "Legende" mit riesigem Repertoire an Geschichten
Die Geschichte um den „Löwen von Bochum“ wäre jedoch unvollständig, wollte man seine Tätigkeit als Verbandstrainer im WTTV von 1969 bis 1985 unerwähnt lassen. In dieser Zeit profitierten ganze Generationen vom Schatz seiner Erfahrungen. Skeptiker der Berufung überzeugte er mit seiner unkomplizierten Art und Fähigkeit, die eigene Tischtennis-Begeisterung auf andere zu übertragen. Das galt für zwölfjährige Schüler beim ersten Lehrgangserlebnis ebenso, wie für ergraute „alte Hasen“, die noch den Übungsleiterschein anstrebten. Ihnen allen blieb in der Regel jedoch nicht erspart, sich Geschichten und Anekdoten aus früheren Zeiten anzuhören.
Vielleicht beruht auch darauf sein Ruf als „Legende“, denn das Wort ist mit den Begriffen Märchen und Sagen verwandt. Berni hat davon jedenfalls ein riesiges Repertoire auf Lager, kreuzte mit fast allen Großen der Zunft den Schläger und war in seiner aktiven Zeit außer in Australien sonst in allen Erdteilen. „Down under“ als einzigen weißen Fleck, tilgte er bei der Senioren-WM 1994 in Melbourne. In der 70er-Altersklasse hatte er sich auch einiges erhofft, aber weil sein Viertelfinalspiel gegen einen Japaner kurzfristig in eine andere Halle verlegt wurde und er die Durchsage in englischer Sprache nicht verstanden hatte, wartete er vergeblich an der ursprünglichen Box und schied kampflos aus.
Auch diese Enttäuschung am Ende einer an Höhepunkten reichen sportlichen Laufbahn hat das Geburtstagskind längst verarbeitet. Er kann zufrieden auf eine zwar nicht einfache, auf jeden Fall aber wechselvolle Zeit zurückblicken. Somit bleibt eigentlich nur, dem „Löwen von Bochum“ für die nächste Zeit das zu wünschen, was mit 90 Jahren noch erstrebenwert ist.