Pünktlich zu Heilig Abend haben wir zum sechsten Mal unsere Tischtennis-Weihnachtsgeschichte für euch. Heute erzählt uns Andrè König von Fiete, der mit eine unglaublich gute Idee hat: Nämlich nachhaltige Tischtennis-Netze.
Eine gute Idee
Von André König
Die Geschichte der Menschheit ist voll von Ideen, denen niemand Gehör geschenkt hat. Sie ist aber auch voll von Einfällen, denen zu viel Aufmerksamkeit zu Teil wurde und die man besser niemals gehört hätte. Der Idealfall ist natürlich der, dass eine gute Idee Gehör geschenkt bekommt, sich die Menschen für diese interessieren und sie womöglich weiterentwickeln. Das beste Beispiel für eine wirklich gute Idee ist natürlich Tischtennis. Wo wären wir denn ohne Tischtennis?
Diese Frage hat sich Fiete oft gestellt. Generell stellt sich Fiete viele Fragen. Zum Beispiel, wieso man sich immer an der falschen Kasse anstellt, wie man Ordnung schafft, die bleibt und wieso das Marmeladenbrot immer mit der bestrichenen Seite auf den Boden fällt. Fiete ist der Meinung, dass wir viel zu häufig beigebracht bekommen, zu antworten. „Wenn dich jemand fragt, musst du auch antworten Fiete!“, hatte seine Mutter immer gesagt, als er noch kleiner war. Jetzt ist er schon 16 und in der Schule geht es weiter. Nur wer Antworten gibt, kriegt eine gute Note. Aber nicht die, die Antworten geben, gehen in die Geschichte ein, sondern die, die Fragen stellen. Solche Menschen, die neugierig sind und Dinge hinterfragen. Wie Kopernikus oder Galilei.
Es ist kurz vor Weihnachten und Fiete ist auf dem Weg zum letzten Punktspiel in diesem Jahr. Weihnachten ist leise, alles Laute stört, heißt es in einem Kirchenlied. In dieser - der Weihnachtszeit zu eigenen Stille - werden manchmal sogar kleinste Ideen gehört und so durchbricht das Klingeln von Fietes Handy die Titelmelodie von Rocky Balboa, die er immer gerne vor Punktspielen hört und die gerade auf Spotify läuft. Er nimmt die Kopfhörer ab und blickt auf das Handydisplay. Anonym. Fiete hebt ab. Sicherlich nur irgendein Spam, aber er ist eben neugierig.
„Guten Tag. Ist da Fiete Hofmann?“ „Ja“, antwortet Fiete zaghaft. „Mit wem spreche ich?“ „Hallo, Fiete. Mein Name ist Heike Pauli. Ich bin Sprecherin des Komitees für kreative Ideen zur Rettung der Umwelt. Du hattest eine Idee bei unserem diesjährigen Wettbewerb zum Thema ‚Meere` eingereicht. Wir fanden deine Gedanken unglaublich spannend und scharfsinnig und wir möchten dich gerne im nächsten Jahr in Berlin begrüßen, damit wir dir unseren Preis überreichen können.“
Fiete staunte nicht schlecht. Seine Lehrerin hatte ihn motiviert, die Idee einzureichen. Er hatte mit überhaupt nichts gerechnet. Nachdem er Frau Pauli zugesagt hatte, dachte er über seinen Vorschlag nach. Er hat den Arbeitstitel „Netzleere“. Fiete hatte nämlich in einer Dokumentation erfahren, dass die größte Verschmutzung in den Meeren von alten Fischernetzen stammt. Die riesigen Plastikteppiche dort werden vor allem durch unzählige Netze von Fischern zusammengehalten. Seine Vision war es deshalb, die Meere von Netzen zu befreien. Nicht irgendwie, sondern mit Hilfe einer eigenen Erfindung: des Netzrollers. Wer einen Netzroller hat, ist klar im Vorteil, wer keinen hat, wird sich ärgern. So hatte er seine Erfindung beschrieben. Es war eine große Spule, die mithilfe einer komplizierten Konstruktion die Fischernetze aus den Meeren zog. Und es ging noch weiter. Die so gesammelten Netze sollen in einer Fertigungsanlage so bearbeitet werden, dass sie am Ende Tischtennisnetze werden. Die Schneiderinnen und Schneider müssten hierfür lediglich einen großzügigen Unterschnitt machen. Also ganz einfach.
Fiete steckte das Telefon wieder in seine Hosentasche. Aus seinem um den Hals geworfenen Kopfhörer hörte man das neue Weihnachtslied von Ed Sheeran und Elton John. Er blickte in Richtung der Halle, die er nun schon am Ende der Straße sehen konnte. Ein großer Weihnachtsbaum schmückte den Schulhof der Schule, zu der die Halle gehörte. Da wurde ihm klar:
Es gab ein Problem. So ist das immer, wenn Ideen gehört werden. Jetzt wurde es konkret. In Berlin würde er sein Konzept vorstellen müssen und was sollte er dann sagen? Natürlich gab es viel mehr Netze im Meer, als Tischtennisnetze überhaupt benötigt werden würden. Diese Diskrepanz ließ sich nur durch zwei Dinge lösen: Entweder würden viel mehr Menschen Tischtennis spielen oder die Netze müssten größer werden. Ersteres wäre sicherlich wünschenswert, aber es bräuchte schon mehr als eine gute Idee, um mehr Menschen an die Tische zu bringen. Letzteres würde bedeuten, dass man die Netze höher machen muss oder eben länger. „Ich glaube, ich habe soeben Tennis erfunden oder Badminton.“ Fiete lachte kurz laut auf und schaute sich dann um, in der Hoffnung, dass ihn niemand gehört hatte. Nun ja. 10% größere Netze würden es für den Anfang wohl tun. 10% höhere Netze würde 10% weniger Fischernetze in den Ozeanen bedeuten. Das musste er gleich den Anderen erzählen.
Fiete beschleunigte seinen Gang und öffnete gutgelaunt die Hallentür. „Leute, ich habe eine Idee. Wir erhöhen die Netze um ca. 10 Prozent.“ „Du solltest mal lieber 10% schnellere Topspins ziehen“, spotteten die anderen und lachten. „Vielleicht solltest du dir dafür mal einen neuen Schläger unter den Weihnachtsbaum legen lassen“, witzelten seine Mannschaftskameraden weiter.
„Na klar“, fiel es Fiete da wie Schuppen von den Augen. „Weihnachtsbäume. Die sind doch immer in so komischen Netzen. Das ist es. Tischtennisnetze und Weihnachtsbaumnetze. Perfekt. So könnte es tatsächlich etwas werden mit der Netzleere. Und die Netze müsste man auch nicht größer machen. Das wäre zugegeben ohnehin ein wirklich doofer Einfall gewesen, dem hoffentlich niemand Gehör geschenkt hätte.“
Fiete war zufrieden. Berlin konnte kommen. In hundert Jahren würde man noch sagen: Wo wären wir nur ohne Tischtennis und ohne Fiete Hofmann, dem Erfinder des Netzrollers.