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Von der Senioren-WM bis zu den German Open: Christoph Theis und seine eigens programmierte TT-Software

Eine SMS bittet zu(m) Tisch

Willi Baur 21.12.2017

Auch im Tischtennis gilt inzwischen von der Bezirks- bis zur Weltmeisterschaft: Ohne EDV geht nichts mehr. Geeignete Turnierprogramme samt Abdeckung besonderer Anforderungen vor allem für Großveranstaltungen werden allerdings auf dem Markt nicht angeboten wie Software für Zahnärzte oder Optiker etwa.

Deshalb sind hier Spezialisten gefragt. Experten wie Christoph Theis. Praktiker, die mit beiden Milieus vertraut sind, mit der Datenverarbeitung ebenso wie mit den für Außenstehende mitunter schwer durchschaubaren Eigenheiten einer sportlichen Mega-Veranstaltung, menschliche Befindlichkeiten inklusive.

Der gebürtige Hamburger, 55, verinnerlicht diese Kompetenzen wie kaum ein anderer, Resultat nicht zuletzt eines in rund drei Jahrzehnten angesammelten Erfahrungsschatzes. Beruflich ohnehin, schließlich gilt der von der Universität Heidelberg promovierte Astrophysiker bei einem renommierten österreichischen Unternehmen als gefragter Software-Architekt. Und das Metier großer Tischtennis-Events ist dem jetzt in Eisenstadt bei Wien lebenden Vollbart-Träger schon seit 1989 bestens vertraut.

„Aber ich war bei der Weltmeisterschaft in Dortmund nicht so stark involviert wie mein Bruder“, erinnert sich Christoph Theis, der Tischtennis als sportliche Betätigung nach der Schulzeit aufgegeben hat. „Bundeswehr, Studium und dann der Beruf – ich war im Tischtennis nie so gut, dass sich der Aufwand gelohnt hätte.“ Insofern war die Datenverarbeitung wohl die bessere Schiene.

Bruder Michael derweil ist dem Sport länger erhalten geblieben, unter anderem bis 2002 als Vizepräsident des badischen Landesverbandes. „Heute spielt er nur noch Fagott“, attestiert Christoph seinem nicht minder EDV-affinen Bruder noch ganz andere Talente. Wuselte dieser doch seinerzeit in der Westfalenhalle fast Tag und Nacht zwischen heute legendären Commodore-Rechnern und Kabelschächten.

Für Christoph jedenfalls kein abschreckendes Beispiel, im Gegenteil. „Ein Jahr später habe ich begonnen, ein Turnierprogramm zu schreiben“, weiß er noch ziemlich genau. Erstmals eingesetzt sei es bei der Veteranen-Weltmeisterschaft in Baltimore worden.

Ein ganz wichtiger Aspekt sei für ihn von Anfang an die so genannte Multi-User-Fähigkeit gewesen, betont der Software-Entwickler. Was im Klartext heißt: Reibungsloses Funktionieren auch bei vielen gleichzeitigen Zugriffen von verschiedenen Stellen wie Turnierleitung, Schiedsrichtern und sonstigen Beteiligten.

So sitzt denn Christoph Theis dieser Tage bei den German Open in Magdeburg völlig entspannt am langen Regie-Tisch der GETEC-Arena, blickt ab und zu auf seinen Monitor, gönnt sich gelegentlich auch einen Plausch hinter der Bühne. Das System läuft perfekt, nach einer Schrecksekunde zum Auftakt blieben weitere Störungen aus.

Dabei ist der Experte, der eigenen Worten zufolge fast alle German Open seit deren Etablierung miterlebt hat, diesmal mit seinem Equipment nur als Ersatzmann engagiert worden. Grund: Das von der ITTF in eigener Regie entwickelte System war aus technischen Gründen zum Termin nicht verfügbar. Theis dagegen schon. „Jetzt bleiben eben ein paar Urlaubstage weniger.“ Fünf Wochen seien es per anno insgesamt schon, die er bei Tischtennis-Großereignissen zubringe.

Mit zum Teil völlig unterschiedlichen Anforderungen, wie er gerne und nachvollziehbar erläutert. In Magdeburg erleben Verantwortliche, Besucher und externe Interessierte demnach zwar keine ganz neue, aber eine weitere wichtige Entwicklungsstufe: Die Echtzeit-Präsentation von Ergebnissen in der Halle ebenso wie auf den Live-Tickern von Internet-Nutzern wo auch immer in der Welt. Ein sanfter Druck auf das Zählmodul am Schiedsrichter-Stuhl genügt.

Gleichwohl: Selbst Hightech 2017 läutet nicht das Sterbeglöckchen für die bewährte Klapptafel. Was dieses Requisit angeht: Diskussionen drehen sich, Digitalisierung hin oder her, dem Vernehmen nach kaum um die jeweilige Verwendung, vielmehr um die Rollenverteilung bei der Bedienung. Dieser Tage oblag sie den Assistenten am Tisch, die Schiris sollten sich auf ihre Aufgabe voll konzentrieren können.

Wie auch immer: Ein Turnier mit maximal gerade mal vier Spieltischen bereitet dem EDV-Mann keine schlaflosen Nächte. „Die Schiedsrichter kommen gut klar mit der Technik“, hat er festgestellt. Korrekturen von Spielständen, diesmal also online in Echtzeit an alle Endgeräte verbreitet, waren so gut wie nicht auszumachen.

Da entpuppten sich Theis zufolge die früher zur Übermittlung der Spielstände eingesetzten Volunteers als deutlich größere Fehlerquelle. „Verständlich“, meint er, „schließlich mussten sie meistens zwei bis drei Tische gleichzeitig verfolgen und dennoch die Konzentration hoch halten“.

Ein weiteres in der Vergangenheit beobachtetes Störungspotenzial hat der Experte zumindest für sein System ebenfalls von vornherein ausgeschlossen: Wireless LAN (WLAN), ein kabelloses Netzwerk also, ist nach seinen Erfahrungen ungeeignet. „In der leeren Halle hat das immer funktioniert“, so Theis, „aber wenn die Besucher dann mit ihren vielen Smartphones anrücken, ist es vorbei“.

Dann schon lieber ein paar Kabel. Rund 200 Meter mussten in Magdeburg verlegt werden, ein Pappenstiel für den erfahrenen Fachmann. „Bei 24 Tischen sieht das schon anders aus.“ Da seien es schon einige Kilometer. Ganz zu schweigen von den Senioren-Welt- oder Europameisterschaften, Mammut-Turniere mithin mit 2500 bis 4500 Teilnehmern.

Auch die betreut Christoph Theis, europäische Titelkämpfe der Jugend und U 21 ebenfalls. Wobei sich sein Angebot nicht auf das Turnierprogramm allein beschränkt. Möglich gemacht hat er überdies eine Online-Registrierung der Teilnehmer samt gesamtem Tross, die Erfassung von Ankunfts- und Abreisezeiten inklusive. Für die Meldegebüren der Senioren ist zudem ein Bezahlsystem integriert.

Was aber, wenn die älteren Herrschaften mit der Technologie nicht mehr klarkommen? „Dann können sie immer noch schreiben oder besser die Enkel fragen“, so Theis ganz trocken. Allerdings gibt es mittlerweile gute Gründe, neben den üblichen Utensilien auch ein Smartphone einzupacken. Gemeinsam mit Bruder Michael hat  Christoph einen SMS-Service entwickelt, der kaum noch Wünsche offen lässt: Dabei werden die Turnierteilnehmer nach der Auslosung benachrichtigt, wann und wo sie zu ihrem Match antreten müssen. Nach dem Spiel erfahren sie neben dessen Ausgang zur Kontrolle auch ihr Abschneiden in der Gruppe. Und für den Fall, dass sie zwischendurch ein Nickerchen oder einen Stadtbummel vorziehen, werden sie eine Stunde vor dem ersten Aufschlag per SMS an die nächste Partie erinnert.

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