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160 Tage vor der EM, 284 vor Olympia: Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig denkt schon weiter (Foto: Steinbrenner)

EM-Bilanz: Großer Sport, aber scharfe Kritik an der Organisation

FL 16.10.2011

Danzig. Die Europameisterschaften in Danzig waren noch gar nicht beendet, da wurde bereits Bilanz gezogen. Geschuldet war die vorgezogene Pressekonferenz den Flugzeiten nach Deutschland. Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig, Präsident Thomas Weikert und die Vizepräsidentin Leistungssport, Heike Ahlert, stellten sich daher bereits am Morgen vor den Einzelfinals den Fragen der Journalisten.

Soviel steht fest: Aus deutscher Sicht ist die EM ein Erfolg gewesen. Zumindest was das Sportliche angeht. Die Ausbeute für den Deutschen Tischtennis-Bund vor Beginn der Einzel-Finals am Sonntag: Viermal Edelmetall, mindestens zweimal Gold und zweimal Silber. Entsprechend positiv fiel die Bilanz bei der Abschlusskonferenz in der ERGO-Arena aus.

Zwei Dinge wurden außerdem deutlich: Die EM war nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur LIEBHERR Mannschafts-WM in Dortmund und den Olympischen Spielen in London. Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig weiß es genau: 160 Tage sind es bis Dortmund, 284 Tage bis London: "Die EM ist nicht unsere Zielveranstaltung gewesen. Wir konnten hier aber wertvolle Erkenntnisse gewinnen", sagte er. In der Pressekonferenz kam auch die EM-Organisation zur Sprache. Das Resümee fiel nicht positiv aus. "Es muss sich was ändern. Es wird höchste Zeit", betonte DTTB-Präsident Thomas Weikert.

Hier lesen Sie die wichtigsten Statements des Sportdirektors und des Präsidiums:

Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig und sein vorläufiges EM-Fazit:

Wir haben vorher gesagt, dass diese EM wichtige Erkenntnisse liefert für die Höhepunkte 2012, Mannschafts-WM, Olympisches Qualifikationsturnier und Olympische Spiele. Wir mussten vor dem Turnier einige Kompromisse machen, es waren bei dieser EM Spielerinnen und Spieler dabei, die nicht in absoluter Topform waren. Die Zielstellung war der Titel mit den Herren und eine Medaille mit den Damen. Das ist uns gelungen. Im Hinblick auf die WM in Dortmund werden wir den Mannschaftswettbewerb genau analysieren.

Schimmelpfennig über das Abschneiden der Damen:

Bei den Damen waren unsere Ambitionen im Einzel-Wettbewerb absolut gerechtfertigt. Lulu hat im Viertelfinale ein gutes Spiel gegen Li Qian gemacht, Irene hat eine Medaille geholt. Vor der EM haben wir gesagt, dass Irene eine Bereicherung ist, was das Spielerische, das Taktische und Menschliche angeht. Das hat sie hier sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dudu hat im Mannschafts-Wettbewerb etwas unter Form gespielt. Sie hat gegen Spielerinnen verloren, gegen die man zweifelsohne verlieren kann, aber eine Quote von vier Niederlagen bei der EM ist für ihre Verhältnisse zu hoch. Dudu hat hier ein bisschen gekränkelt, nach den ersten Niederlagen hat ihr auch das Selbstvertrauen gefehlt. Und wenn die Nummer eins nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte ist, dann wird es für die Mannschaft schwer.

Schimmelpfennig über das Abschneiden der Herren:

Sie haben dem Druck sehr gut standgehalten, sehr konstant gespielt. Wir hatten mit Timo und Patrick zwei Spieler im Halbfinale. Dima hat gegen Tokic sein erstes und einziges Spiel bei dieser EM verloren, die beiden Halbfinalisten Patrick und Timo sind mit weißer Weste in der Mannschaft geblieben. Bastian kam nicht ganz frisch zur EM. Er hatte kurz zuvor noch einige Matches für den Verein.

Wir können nicht sagen, dass wir absolut zufrieden sind. Dimitrij hatte bei 3:3 eine 5:2-Führung, Bastian hatte zwei Schlüsselsituationen, da haben wir die Chancen nicht nutzen können. Man muss aber auch sehen: Wir sind nicht ganz alleine in Europa, die anderen können auch sehr gut Tischtennis spielen. Bei Dima gegen Tokic etwa waren atemberaubende Rallyes dabei. Karakasevic hat gegen Bastian seine ganze Erfahrung, sein ganzes Talent gut eingesetzt. Bastian war nicht ganz frisch und auch teilweise nicht so konzentriert.

Schimmelpfennig über die Ziele in der Zukunft:

Sicher ist: Die EM hier war nicht unsere absolute Zielveranstaltung. Auf die WM und die Olympischen Spiele werden wir uns viel konsequenter vorbereiten, um auf Weltniveau eine Medaille zu gewinnen. Da geht es nicht nur gegen die europäische Konkurrenz, sondern auch die asiatische. Wir können auf eine erfolgreiche EM zurückschauen, daraus Selbstvertrauen schöpfen. Und die EM gibt Erkenntnisse und Aufschlüsse, wie wir unsere Leistungen für Dortmund und London optimieren können. Dort wird die Aufgabe gegen die Weltkonkurrenz ungleich schwerer. Der LIEBHERR World Team Cup in Magdeburg im November wird weitere Anhaltspunkte liefern. Das Turnier ist sehr gut besetzt, Korea und China mit ihren stärksten Spielern dabei. Wir haben noch 160 Tage bis zur Heim-WM und 284 Tage bis Olympia. Ab dem 25. März 2012 beginnt mit der WM in Dortmund die entscheidende Phase, vom 11. bis zum 15. April findet das Olympische Qualifikationsturnier in Luxemburg statt. Es bleibt nicht mehr viel Zeit bis Dortmund. Wir müssen die Richtung und die Planung für Dortmund jetzt festlegen.

Heike Ahlert, Vizepräsidentin Leistungssport, über die deutschen Leistungen:

Bei den Damen sind wir erheblich besser als in den letzten Jahren. Schade, dass im Doppel die Medaillen-Chancen nicht genutzt werden konnten, eine Medaille durch Irene Ivancan im Einzel ist aber aller Ehren wert. Es zeigt, dass die Struktur im Damenbereich stimmt. 2010 sind wir mit der Mannschaft Siebter geworden, dieses Jahr Fünfter. Mit Irene Ivancan und Zhenqi Barthel standen zwei Spielerinnen im Viertelfinale. Bei den Herren standen vier Deutsche im Viertelfinale. Ein in der Breite so gutes Ergebnis hat es zuletzt 1962 gegeben. Dazu das Mannschaftsgold und Gold und Silber im Einzel. Insgesamt fällt das Fazit sehr positiv aus, mein Dank geht an das ganze Betreuerteam, die Trainer, die medizinische Abteilung und auch an unseren Psychologen.

DTTB-Präsident Thomas Weikert über die EM-Organisation:

Die polnischen Gastgeber haben sich sehr bemüht, Hotel und Verpflegung waren in Ordnung. Aber alles was darüber hinaus geht, war nicht gut. Es kann nicht sein, dass eine Mannschaft Europameister wird und keiner bekommt es mit. Dass ein Halbfinale um 23.15 Uhr gespielt wird, kenne ich nur von der Night Session im Tennis. Da sind dann aber 20.000 Zuschauer. Hier war kaum jemand und nur der harte Kern der Journalisten. Der Centercourt-Aufbau und der Zeitplan waren nicht gut. Es kann nicht sein, dass die Spieler nicht wissen, wann sie spielen. Das alles liegt aber nicht an den Gastgebern, sondern an denen, die die Veranstaltung vergeben. Wir haben die ETTU schon nach Ostrava auf die Problematik hingewiesen, aber es hat sich trotzdem nichts getan. Das ärgert mich. 2009 haben wir mit Stuttgart Standards gesetzt, und wir werden auch 2012 im organisatorischen Bereich wieder Standards setzen. Ohne arrogant klingen zu wollen: Wir haben eine große Erfahrung. Wir haben der ETTU gerade einen Brief geschrieben. Wir wollen nicht nur nörgeln, sondern helfen und konkrete Verbesserungsvorschläge bringen. Mal schauen, ob die dann umgesetzt werden. Die ETTU darf die Ausrichter nicht alleine lassen, muss sie finanziell so ausstatten, dass es möglich ist, akzeptable Bedingungen zu schaffen. Ich hoffe auf ein Einsehen. Wir müssen die ETTU mitnehmen, es wird höchste Zeit.

Dirk Schimmelpfennig über das sportliche Niveau in Europa:

Im Herrenbereich waren neben unseren die erfahrenen Spieler weit vorne. Spieler wie Timo oder Dimitrij haben in jungen Jahren sehr schnell den Anschluss an die Weltspitze geschafft, bei Patrick geschieht das langsam, aber stetig. Beim Engländer Pitchford hat das Potenzial hier aufgeblitzt, den Franzosen Mattenet halte ich persönlich für einen sehr, sehr guten Spieler, die Portugiesen auch. Wir müssen in Europa und in Deutschland eine gewisse Nachhaltigkeit hinbekommen für die Zeit nach Timo. Bei den Damen sieht man die Entwicklung unserer Mannschaft, dort sind wir auch im Nachwuchsbereich sehr gut aufgestellt bei den Mädchen und Schülerinnen. Wir beschäftigen uns jetzt schon mit dem nächsten Olympia-Zyklus Rio de Janeiro 2016.

 

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