Warschau. Bei den Europameisterschaften in Warschau hat Petrissa Solja erstmals in ihrer Karriere das Halbfinale erreicht. Durch den gleichzeitigen Viertelfinalerfolg der Berlinerin Shan Xiaona ist zudem ein deutsches Einzel-Finale in greifbare Nähe gerückt. Solja trifft nun auf die Rumänin Elizabeta Samara, Shan auf die Ukrainerin Margaryta Pesotska. Ausgeschieden ist im Viertelfinale Sabine Winter, die zuvor das deutsche Duell gegen Han Ying gewonnen hatte.
Überglückliche Solja: "Das Team hat mich zum Sieg gepusht"
Es war der bislang emotionalste deutsche Moment dieser EM. Petrissa Solja gelang im achten Duell mit Fu Yu der erste Sieg, der gleichbedeutend mit ihrem ersten Medaillengewinn im Einzel bei Europameisterschaften ist. Bis nach dem Match die Freudentränen flossen, musste Solja beim 4:3 über die Portugiesin auch diesmal wieder durch ein Wechselbad der Gefühle. 3:0 führte die zweimalige Europe-Top-16-Gewinnerin gegen die European-Games-Siegerin, dann schien der weitere Verlauf zum déjà vu der bisherigen Begegnungen zu werden. Nach vergebenen Matchbällen im fünften Durchgang musste Solja gegen ihre Angstgegnerin den 3:3-Satzausgleich hinnehmen. Petrissa Solja schildert den entscheidenden Moment: "Ich habe 3:0 geführt und dann ging es gegen sie wieder einmal in den Entscheidungssatz. Dass ich dann trotzdem noch gewonnen habe, habe ich allein dem deutschen Team auf der Tribüne zu verdanken. Mit ihrer lautstarken Anfeuerung haben sie es geschafft, dass ich noch einmal den letzten Tropfen Energie und auch Hoffnung aus mir herausgesaugt habe, um noch 4:3 zu gewinnen."
Solja ergänzt: "Das war heute mein fünftes Viertelfinale bei einer EM. Nun habe ich es endlich geschafft, eine Medaille zu gewinnen. Normalerweise bin ich ja sehr kontrolliert, aber in diesem Spiel war ich sehr aggressiv und emotional. Matchbälle zu haben und den Sack nicht zumachen zu können, hat mich mitgenommen, das hat man ja im nächsten Satz deutlich gesehen. Aber mein Team hat mich dann im Entscheidungssatz zum Sieg gepusht, dankeschön dafür. Ich bin überglücklich." Dem Halbfinale gegen Rumäniens Weltklassespielerin Elizabeta Samara (Sonntag, 11.20 Uhr) sieht Solja, die im Achtelfinale gegen die Polin Natalia Bajor selbst einen Matchball hatte abwehren müssen, optimistisch entgegen: "Insgesamt habe ich öfter gewonnen als verloren und spiele ganz gut gegen sie. Es wird viel daran liegen, wie gut ich ihre Aufschläge bekomme. Im offenen Spiel bin ich normalerweise im Vorteil."
Shan Xiaona im Halbfinale: "Jetzt will ich noch mehr"
Nach einem klaren Achtelfinalerfolg über die Luxemburgerin Sarah de Nutte hatte Shan Xiaona ein überraschend hartes Stück Arbeit im Viertelfinale zu verrichten. Das Penholder-Ass, das sehr gut gegen Abwehrspielerinnen agiert, tat sich gegen Linda Bergström überraschend schwer. Die Defensivstrategin hatte gestern mit ihrem Sieg über die Rumänin Bernadette Szocs für eine der größten Überraschungen dieser EM gesorgt und brachte auch die Favoritin aus Berlin mit einer 2:0-Satzführung in arge Bedrängnis. Nach dem Gewinn des dritten Durchgangs gewann die EM-Zweite von 2013 allerdings immer mehr an Sicherheit und kontrollierte anschließend die Skandinavierin, die sie in der Champions League schon einmal bezwungen hatte. Shan Xiaona meinte nach dem Spiel erleichtert: "Eigentlich spiele ich gerne gegen Abwehr. Alle sagten, ich muss automatisch gewinnen, das hat mich unter Druck gesetzt und ich habe etwas nervös begonnen. Sie hat auch ein etwas unangenehmes System für mich, am Anfang konnte ich aufgrund ihrer Platzierungen nicht gut gegen sie schießen. Dann bin ich im Kopf etwas klarer geworden und habe besser gespielt. Ich freue mich jedenfalls, dass ich im Halbfinale stehe und will jetzt natürlich noch mehr." Im Halbfinale trifft die Berlinerin nun morgen um 10.30 Uhr auf die Ukrainerin Margaryta Pesotska, die im Viertelfinale Europas Nummer eins Sofia Polcanova aus dem Wettbewerb warf. Shan: "Das wird ein offenes Match, aber ich würde gerne wie vor acht Jahren das Finale erreichen."
Zufriedene Sabine Winter: "Ich bin auf einem sehr guten Weg"
Sabine Winter musste sich im Viertelfinale nach großem Kampf Elizabeta Samara beugen. Vier Sätze lang war es ein vollkommenes offenes Match zwischen der aus der Qualifikation in das Hauptfeld gestürmten Nummer 126 der Welt und der Einzel-Europameisterin von 2015. "Zu diesem Zeitpunkt war alles drin, im dritten Satz hatte ich sogar einen Satzball zur 2:1-Führung." Winter, die am Vormittag das deutsche Duell mit der an Position drei gesetzten Defensivkünstlerin Han Ying mit 4:1 für sich entschieden hatte, schaffte zwar nach dem verlorenen dritten Durchgang noch einmal den Ausgleich. Danach jedoch übernahm Samara mehr und mehr die Kontrolle über das Match. Sabine Winter erkannte an: "Sie hat dann noch ein paar Aufschlagvarianten ausgepackt, die mich zerstört haben. Dadurch wurden meine Rückschläge, die bis dahin schon nicht gut waren, noch ein bisschen schlechter. Sie war am Ende die bessere Spielerin und hat verdient gewonnen." Die 28 Jahre alte zweifache Europameisterin im Doppel zog jedoch eine positive Bilanz der Einzelkonkurrenz: "Ich bin auf einem sehr guten Weg und sehr zufrieden, wie ich dieses Einzelturnier gespielt habe. Morgen schlafe ich erst einmal aus und am Nachmittag greife ich dann noch einmal voll an, wenn es mit Nina um den Europameistertitel im Doppel geht."
Damen-Einzel, Viertelfinale
Sofia Polcanova AUT - Margaryta Pesotska UKR 1:4 (-4,15,-7,-8,-13)
Shan Xiaona - Linda Bergström SWE 4:2 (-10,-9,8,4,8,8)
Sabine Winter - Elizabeta Samara ROU 2:4 (7,-7,-11,8,-7,-4)
Petrissa Solja - Yu Fu POR 4:3 (6,11,2,-8,-13,-2,4)
Damen-Einzel, Halbfinale (Sonntag)
10.30 Uhr: Shan Xiaona - Margaryta Pesotska UKR
11.20 Uhr: Petrissa Solja - Elizabeta Samara ROU
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