Frankfurt/Main. Während die Sportvereine in Deutschland noch mit den Nachwirkungen der Corona-Krise zu kämpfen haben, steht bereits die nächste Notsituation bevor: Hallenschließungen aufgrund der Energiekrise.
DTTB-Präsidentin Claudia Herweg ruft Deutschlands Tischtennisvereine auf, so schnell wie möglich und proaktiv auf die Träger der Sportstätten und die lokale Politik einzuwirken, um Einsparungsmöglichkeiten zu besprechen und Ergebnisse im Sinne des Sports mit zu beeinflussen: „Natürlich müssen in einer Krise alle an einem Strang ziehen. Wie auch der DOSB sagen wir: Sparen ja, aber ein klares Nein zu Hallenschließungen! Denn einen Lockdown darf es diesmal nicht geben. Wir raten deshalb allen Vereinen dazu, Entscheidungen nicht abzuwarten. Werden Sie bei den Hallenträgern und Ihren politischen Entscheidungsträgern rechtzeitig vorstellig! Mit der Bedeutung des Sports für unsere Gesellschaft haben unsere Vereine allen Grund, selbstbewusst aufzutreten. Lassen Sie uns, jeder einzeln und damit in der Summe gemeinsam dafür werben, dass die Lichter an und die Duschen bis zu einer gewissen Temperatur warm bleiben. Die Maßnahme der Pandemie, Sportstätten zu schließen, darf sich in der Energiekrise nicht wiederholen. Denn dies schafft keine Lösungen, sondern beschert nur weitere Probleme für die Menschen, die Vereine und die Gesellschaft.“
DOSB-Erhebung unterstreicht die Sorgen / Energie-Lockdowns für Sportstätten
Weitreichende Entscheidungen haben stets einer sorgfältigen Abwägung zu unterliegen, insbesondere bei Auswirkungen auf das Gemeinwohl einer Gesellschaft. Im Falle von Corona wurden, in der Hoffnung auf die Erhaltung der Gesundheit, Lockdowns ein häufig angewendetes Instrument der Politik. In den Vereinen führten sie zu Mitgliederrückgängen, bei vielen Menschen, besonders jungen, zu einem ebenfalls die Gesundheit belastenden Bewegungsmangel.
In der jüngsten Krise, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, drohen explodierende Energiekosten, vielerorts redet die Politik sogar Energie-Lockdowns für Sportstätten das Wort. Die am Mittwoch veröffentlichten Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der 16 Landessportbünde (LSB) zur Lage der Vereine in der Energiekrise, an der sich bis zum 23. Oktober 5.696 Sportvereine aus allen Bundesländern beteiligt haben, unterstreichen die vorhandenen Sorgen.
Weniger Mitglieder durch geschlossene Hallen, höhere Ausgaben durch EnergiepreissteigerungenAuch im Falle der noch nicht zu übersehenden Auswirkungen der Energiekrise ist wieder das Gemeinwohl betroffen. Fraglos müssen Einsparungen vorgenommen werden. Bereits Anfang September hatte deshalb der DOSB seine Mitglieder dazu aufgerufen, im Sport 20 Prozent Energie einzusparen sowie einen entsprechenden Stufenplan und Leitfaden erstellt. Die aktuellen Zahlen belegen jedoch, dass selbst beim Erreichen des gesteckten Ziels hohe Mehrbelastungen zu erwarten sind.
Treten diese Befürchtungen ein, dann wird dies für den Vereinssport auch im Tischtennis zu einer nicht zu unterschätzenden Bedrohung. Nach dem Mitgliederschwund durch die Pandemie machen sich die extremen Energiepreissteigerungen teilweise schon jetzt entweder bei der Nutzung kommunaler Sportstätten über exorbitante Umlagen oder unmittelbar im selteneren Falle vereinseigener Sportstätten bemerkbar. Gleichzeitig droht die Wirkung des von der Bundespolitik nach der Pandemie für den Vereinsaufschwung bereitgestellten 500-Millionen-Euro-Pakets zur Unterstützung des Breitensports zu verpuffen, denn schon propagieren politische Vertreter wieder sportkonträre Sparmaßnahmen bis hin zu Sportstättenschließungen. Die in der Summe zu befürchtende Konsequenz liegt auf der Hand: Weniger Mitglieder durch geschlossene Hallen und dadurch geringere Einnahmen sowie gleichzeitig höhere Ausgaben durch Energiepreissteigerungen bedrohen die Sportvereine und ihre Angebote. Beitragserhöhungen bieten kaum eine wirkliche Option, da die Vereinsmitglieder auch privat massiv von den Preissteigerungen betroffen sind.
Mehr als 40 Prozent der Vereine erwarten starke Auswirkungen
Die am 23. Oktober abgeschlossene Umfrage des DOSB, die vom Institut für Sportstättenentwicklung (ISE) durchgeführt wurde, zeigt, dass mehr als 40 Prozent der Vereine starke Auswirkungen durch die Energiekrise erwarten. Dazu gehören u.a. Einschränkung des Trainingsbetriebs, Schließungen einzelner Abteilungen und Mitgliederrückgänge. Rund 6 Prozent der befragten Vereine fürchten sogar eine akute Existenzbedrohung, also die Auflösung des Vereins. Zum Vergleich: Rückblickend auf die Corona-Pandemie gaben lediglich 26 Prozent der Vereine in der aktuellen Umfrage an, dass sie starken Auswirkungen ausgesetzt waren und nur knapp 2 Prozent sahen sich existenzbedroht.
DOSB-Präsident Thomas Weikert zeigt sich in Anbetracht dieser Ergebnisse besorgt um die Sportvereinslandschaft: „Die Sportvereine in Deutschland sind stark und haben nicht zuletzt während der Pandemie ein enormes Durchhaltevermögen bewiesen. Aber die Reserven sind so gut wie aufgebraucht und spätestens mit den zu erwartenden, deutlich erhöhten Abschlagszahlungen stehen insbesondere die vielen tausend Vereine mit eigenen Sportanlagen vor teilweise existenzbedrohenden finanziellen Belastungen. Dabei ist es gerade jetzt enorm wichtig, dass die Sportvereine gestärkt werden und offen bleiben, damit Menschen dort Gemeinschaft erleben, sich zusammen bewegen und vom schwierigen Alltag ablenken können. Damit die Sportvereine gut durch den Winter kommen, braucht es so schnell wie möglich Hilfe aus der Politik, von Bund und Ländern.“ Der DOSB gehe davon aus, dass die Sportvereine durch die vorgeschlagenen Maßnahmen der Gaspreiskommission entlastet würden. Zudem sollten sie für den ebenfalls diskutierten Härtefallfonds antragsberechtigt sein. „Die Signale, die wir aus der Politik erhalten, stimmen mich positiv, aber jetzt geht es um eine zügige und konkrete Umsetzung“, so Weikert.
Sportvereine stärken: Organisierter Sport ist die größte Bürgerbewegung Deutschlands
Für viele Vereine sind die Auswirkungen der Energiekrise bereits jetzt zu spüren. So gab mehr als ein Viertel der befragten Vereine an, dass sie einen Mitgliederrückgang aufgrund der aktuellen Krise zu verzeichnen haben. In mehr als 5 Prozent der Fälle mussten bereits Sportstätten geschlossen werden.
Um anfallende Mehrkosten abzufangen, sähe sich mehr als ein Drittel der Vereine laut Umfrage gezwungen, ihre Mitgliedsbeiträge zu erhöhen, was den Mitgliederrückgang wohl weiter beschleunigen und den Zugang zum Sport insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen erschweren würde. Umso dringlicher sind nun finanzielle Hilfen, die sich mehr als 65 Prozent der befragten Vereine wünschen.
Auch Unterstützung beim Ehrenamt ist knapp 40 Prozent der Vereine in der aktuellen Lage ein wichtiges Anliegen. Hierzu kann das „ReStart – Sport bewegt Deutschland“-Programm des DOSB, das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) mit 25 Millionen Euro gefördert wird, mit Maßnahmen zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements einen wichtigen Beitrag leisten. Dazu müssen Sportvereine jedoch insgesamt gestärkt werden.
Der organisierte Sport in Deutschland ist die größte Bürgerbewegung unseres Landes. Tagtäglich tragen die Angebote in 87.000 Sportvereinen in erheblichem Maße zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Gesundheit der Bevölkerung bei. Seit nunmehr zweieinhalb Jahren sehen sich die Vereine wiederkehrend harten Einschränkungen ihrer Sportangebote ausgesetzt, auch im Tischtennis. Nachdem eine schwierige, coronageprägte Zeit Deutschland mit einem Gesamtmitgliederrückgang allein in den olympischen Spitzenverbänden in 2021 von insgesamt 3,11 Prozent bereits erheblich belastete, war zuletzt erstmals wieder eine gegenläufige Tendenz erkennbar. Nun allerdings rollt in Gestalt der Energiekrise die nächste unberechenbare Lawine auf den deutschen Sport zu.