Shenzen/China. Der Dienstag war für Kilian Ort nicht unbedingt ein Tag wie jeder andere. In der ersten Qualifikationsrunde der China Open in Shenzen forderte der eher als bodenständig bekannte Franke keinen geringeren als Zhang Jike heraus. Das Enfant terrible, der absolute Superstar in China, Weltmeister und Olympiasieger, TV-Star und Frauenheld. Ein Spieler, gegen den jeder Profi einmal spielen will – egal wie es am Ende ausgeht: „Ich war schon nervöser als vor anderen Spielen in meiner Karriere“, gab Ort, aktuell die Nummer 210 der Welt, vor seinem ersten Match gegen ihn zu.
"Du musst keine Angst haben"
Aus sportlicher Sicht sind Duelle mit dem Superstar mittlerweile hingegen nicht mehr aussichtslos. Der Chinese feierte erst letzte Woche in Hong Kong sein Comeback nach längerer Abstinenz, für die Team-WM in Halmstad war er erst gar nicht nominiert – seine Leistungen seit Monaten schwach. Asien-Experten zufolge verbringt er mehr Zeit in Telenovelas und Game-Shows im chinesischen Fernsehen. Es gibt nicht wenige, die munkeln, dass die China, Hong Kong und Japan Open seine Abschiedstournee sei. So gewann Ort auch am Dienstagmorgen deutscher Zeit den ersten Satz, führte im dritten 7:5 und im fünften Satz 10:7 – um Ende mit 1:4 zu unterliegen: „Ich hatte meine Chancen im Spiel, aber er strahlt einfach eine unglaubliche Ruhe am Tisch aus und vielleicht hatte ich am Ende auch ein Tick zu viel Respekt vor ihm“, resümiert Ort. Zuvor hatte er sich noch bei Teamkollegen Bastian Steger „aufmunternde“ Ratschläge geholt: „Basti hat gesagt, gegen Zhang Jike brauchst du keine Angst haben, da kannst du mitspielen – gegen Ma Long kommst nicht mal in Ballwechsel rein.“ Aber auch ein Kilian Ort weiß natürlich, dass Zhang Jike nicht mehr der ist, wie zur „Primetime“ seiner Karriere vor einigen Jahren.
Zhang Jike trifft auf Harimoto
Zhang Jike selbst gab danach zu Protokoll, dass er erstmals seit zehn Jahren diese Qualifikationsrunden und gegen viele neue Gesichter wie Kilian Ort spielen müsse – alle mit ihren eigenen Stärken und alle ungemein motiviert, gegen ihn zu spielen. Trotz der Niederlage ist Kilian Ort aber nicht unzufrieden, es sei schon etwas Besonderes gewesen, sagt er. Man wisse ja auch nicht, wie lange er noch spiele. Auch vom Charakter Zhangs konnte sich der Bad Königshofener ein Bild machen, zumindest ein bischen: „Er scheint echt ein ganz netter Kerl zu sein. Ich glaube, er pflegt sein Bad Boy-Image für seine ganzen Fans.“ Das war auch in Shenzen nicht zu überhören und das bereits am ersten Qualifikationstag. Das Duell wurde von permanenten Gekreische der Zhang Jike-Fans begleitet.
Für Kilian Ort wäre der ganze Starkult jedoch nichts: „Ich bewege mich doch lieber frei, Zhang Jike braucht ja immer Personenschutz, wenn er die Halle verlässt. Das ist wirklich krass hier.“ Die Olympia- und WM-Goldmedaillen würde er aber trotzdem gerne nehmen. Zhang Jike hat währenddessen auch seine zwei weiteren Qualifikationsspiele gewonnen und trifft am Freitag in der ersten Hauptrunde auf keinen geringeren als den Nachwuchsstar Tomokazu Harimoto.