Magdeburg. Im Land der Weltmeister Jörg Roßkopf und Steffen Fetzner steht das Herren-Doppel über 30 Jahre nach dem Sensationscoup der beiden Ikonen von Dortmund 1989 wieder in unverhoffter Blüte. Benedikt Duda und Dang Qiu sind in der Manier von Shootingstars binnen weniger Monate zu einer der besten Kombinationen auf dem Globus avanciert und bilden inzwischen neben dem Spitzenduo Timo Boll/Patrick Franziska das zweite deutsche Doppel auf absolutem Weltklasse-Niveau. Bei den German Open in Magdeburg will das Duo seinen Aufstieg nachdrücklich bestätigen.
Mit größtmöglich denkbarer Expertise hat Roßkopf die Entwicklung von Duda/Qiu verfolgt. „Die beiden passen gut zusammen, spielen deswegen auch ein gutes Doppel und überzeugen“, zollt der Bundestrainer der Links-Rechts-Kombination große Anerkennung.
Das Lob von Deutschlands „Mr. Tischtennis“ haben sich Duda und Qiu besonders in 2019, dem Jahr ihres endgültigen Durchbruchs in die Doppel-Weltelite, redlich verdient. Durch ihre Finalteilnahmen bei den Japan Open in Sapporo und den German Open in Bremen stand das Duo in der zurückliegenden World-Tour-Saison ebenso oft bei den Platinum-Turnieren der höchsten sportlichen Kategorie in Endspielen wie Roßkopf schon längere Zeit kaum hoch genug einzuschätzende Topkombination Boll/Franziska. Angemessener Lohn für ihre herausragenden Leistungen war im vergangenen Dezember die erstmalige Teilnahme an den Grand Finals, dem Jahresfinale der World-Tour-Serie, im chinesischen Zhengzhou – als eines der acht stärksten Doppel.
Experiment entwickelt sich zur Erfolgsgeschichte
Dabei liegt der Anfang der Erfolgsgeschichte des Doppels Duda/Qiu noch gar nicht so lange zurück: 2018 verlief das damalige Experiment bei der DM in Berlin auf Anhieb äußerst vielversprechend und endete folgerichtig mit dem ersten gemeinsamen Titel. „Wir haben sicher nicht das letzte Mal zusammengespielt“, mutmaßte Qiu schon damals.
Doch erst im darauffolgenden Jahr starteten die beiden Hoffnungsträger so richtig durch: Die erfolgreiche Verteidigung des DM-Titels in Wetzlar bildete dabei nur den Auftakt eines in dieser Form kaum vorherzusehenden Höhenflugs, der Duda und Qiu auf ungeahnte Gipfel tragen sollte. Der Einzug ins Endspiel der alles andere als mittelmäßig besetzten Japan Open war nicht nur wegen der Silbermedaille ein Ausrufezeichen, sondern vor allem auch durch den seinerzeit völlig unverhofften Halbfinal-Triumph gegen die ehemalige Weltmeister-Kombination Chen Chien-An/Chuang Chih-Yuan. Die Wiederholung dieses Erfolgs über die beiden Weltklasse-Taiwanesen wenige Monate später bei den gleichfalls hochkarätigen German Open in Bremen in der gleichen Runde beseitigte die letzten Zweifel an den Qualitäten der jungen Formation.
Ihr Potenzial unterstrichen Duda/Qiu aber auch bei den Grand Finals: Im internen Nationalmannschafts-Duell mit Boll/Franziska verkauften sich die Newcomer ausgesprochen teuer und gaben sich gegen das deutsche Doppel Nummer eins, das nach Ansicht vieler Fachleute bei der WM im vergangenen Jahr in Budapest ohne die plötzliche Erkrankung von Boll reif für den Titel gewesen wäre, erst im Entscheidungssatz und dabei auch nur mit 9:11 geschlagen. Wenige Wochen zuvor hatten die beiden bei den Austrian Open sogar einen Matchball im ersten deutschen Duell gehabt. „‘Benne‘ und Dang haben unter Beweis gestellt, dass sie gegen jedes Doppel Chancen haben“, bilanzierte Roßkopf die Premiere seines zweiten Doppels im Kreis der Weltelite.
Die Chemie stimmt
Die Harmonie zwischen „Kraftpaket“ Duda und Penholder-Spieler Qiu kommt nicht von ungefähr. Seit mehr als zwei Jahren leben der 25 Jahre alte Duda und der zwei Jahre jüngere Qiu in Düsseldorf mit U23-Nationalspieler Nils Hohmeier in einer Wohngemeinschaft und können dadurch auch den Trainingsalltag im Deutschen Tischtennis-Zentrum gemeinsam bestreiten. „Wir verstehen uns einfach gut“, beschreibt Duda die bestens stimmende Chemie.
Nur in der Bundesliga gehen die beiden getrennte Wege: Duda ist beim TTC Schwalbe Bergneustadt die zentrale Figur des von seinem Vater gemanagten Profi-Teams, während Qiu für den ASV Grünwettersbach auf Punktejagd geht – und dabei erst kürzlich einen großen Erfolg feierte: Nicht zuletzt durch Qius enorme Doppel-Qualitäten sicherte sich der Karlsruher Vorort-Klub zu Jahresbeginn zum ersten Mal den deutschen Pokal, wobei Qiu sowohl im Halbfinale gegen Bundesliga-Spitzenreiter 1. FC Saarbrücken als auch im Endspiel gegen Meister und Cup-Titelverteidiger TTF Liebherr Ochsenhausen im Schlussdoppel mit seinem Partner Tobias Rasmussen die Siegpunkte für sein Team einfuhr.
Ehrgeizig, nicht nur im Doppel
Wesentlich bessere Kombinationen als Duda/Qiu, nimmt man Chinas Duos aus, sind in der Welt aktuell kaum zu finden. Doch natürlich ist der Ehrgeiz der sympathischen Talente nicht allein auf das Doppel beschränkt. „Seniorpartner“ Duda meldete bereits bei der EM 2018 in Alicante durch den Einzug ins Viertelfinale Ambitionen auf mehr an und hat sich zudem in den beiden vergangenen Jahren in den Top 50 der Weltrangliste etabliert. Qiu, der erste deutsche Nationalspieler mit der ansonsten vor allem von den Chinesen praktizierten Penholder-Technik, schmetterte sich im fast gleichen Zeitraum von einer Position jenseits Platz 300 immerhin schon bis in die Top 80. „Es ist für den Bundestrainer ein gutes Zeichen, dass er einen großen Kreis an starken Spielern zur Verfügung hat“, macht Duda aus seinen Ansprüchen auf künftig mehr Verantwortung auch als Einzelspieler keinen Hehl.
Fraglos dürfte die Zeit von Duda und Qiu, den gebürtigen Nürtinger, dem durch seine früher für Chinas Nationalmannschaften spielenden Eltern Qiu Jianxin und Chen Hong das Tischtennis-Gen die Wiege gelegt wurde, noch kommen – besonders nach den bevorstehenden Olympischen Spielen in Tokio.
Meldungen
ITTF-Website