Helsingborg/Bietigheim-Bissingen. Selbst mit dem Siegerpokal aus Helsingborg in der Hand, nach einer kurzen Nacht und einem frühen Rückflug aus Kopenhagen war der größtmögliche Triumph im Nachwuchsbereich noch nicht ganz in Annett Kaufmanns Bewusstsein eingesickert. „Ich bin überglücklich und sprachlos. Dass ich Weltmeisterin bin, kann ich noch nicht so richtig fassen, aber das wird mir in den nächsten Tagen klar werden“, sagte die 18-jährige Olympia-Vierte von Paris bei ihrer Ankunft am frühen Samstagnachmittag Flughafen in Frankfurt/Main.
Vor Kaufmann hatte noch nie eine Frau, die nicht aus Asien stammt, den Einzel-Weltmeister-Titel der weiblichen Jugend 19 gewonnen. 18 Mal war die Goldmedaille an Chinesinnen gegangen, zweimal hatten Japanerinnen gewonnen. Am nächsten dran am Titel aus DTTB-Sicht war 2008 die damals noch für Deutschland spielende Amelie Solja als Finalistin. Bronze im Einzel gab es bisher für fünf deutsche Spielerinnen in der 2003 begonnenen WM-Turniergeschichte: Mia Griesel in Helsingborg, Annett Kaufmann (2023), Amelie und Petrissa Solja (2010 bzw. 2007) sowie Zhenqi Barthel (2005).
Unter den prominenten Titelträgerinnen ist das ehemalige bzw. aktuelle Star-Ensemble aus dem Reich der Mitte mit den Olympiasiegerinnen und Weltmeisterinnen Ding Ning (2005), Chen Meng (2011), Wang Manyu (2014 und 2015) und Sun Yingsha (2017). Aber Vorsicht, Euphoriebremse: Nicht alle Jugend-Weltmeisterinnen sind auch bei den Damen durchgestartet.
Armverletzung vor Turnierbeginn und Trainingspause
Die Vorzeichen für Annett Kaufmanns Start bei der Jugend-WM in Schweden waren alles andere als vielversprechend gewesen. Eine starke Muskelverhärtung im linken Schlagarm bereitete der amtierenden Deutschen Einzel-Meisterin der Damen schmerzhafte Beschwerden im Bereich des Ellbogens. Vor Turnierbeginn musste sie eine Woche pausieren. Im Mannschaftswettbewerb zum Auftakt war für das deutsche Team mit Kaufmann, Griesel, Lorena Morsch und Eireen Kalaitzidou im Viertelfinale gegen Taiwan bei einer Einzel-Niederlage Kaufmanns im zweiten Einzel Endstation. Doch das alles war in den Individual-Wettbewerben schnell vergessen. Im Einzel sowieso und im Doppel an der Seite der Waliserin Anna Hursey gab es zusätzlich Bronze.
Doch nun zum Kurz-Interview mit einer übermüdeten, aber glücklichen Annett Kaufmann am Samstag unmittelbar nach der Landung:
Frage: Was war das Erste, woran du nach dem Aufwachen am Tag nach deinem Titelgewinn gedacht hast?
Annett Kaufmann: Warum ich so wenig Schlaf hatte? (Lacht.) Ich habe darüber nachgedacht, wie schnell ich zu Hause und bei meiner Familie sein kann.
Wie habt ihr den Titel und die insgesamt vier Bronzemedaillen am Freitagabend eigentlich gefeiert?
Kaufmann: Wir waren in einem italienischen Restaurant in Helsingborg und ich habe eine Pizza Margherita gegessen. Danach war ich noch mit Mia (Anmerkung: Einzel-Bronzemedaillengewinnerin Mia Griesel) ein Eis essen, um unsere Medaillen und Titel zu feiern.
Was machst du als Erstes, wenn du zu Hause ankommst?
Kaufmann: Schlafen, entspannen, am Handy sein und Zeit mit der Familie verbringen.
Der Einzel-Titel bei der Jugend-WM ist der größtmögliche Erfolg im Nachwuchsbereich. Wie geht es nun für dich weiter?
Kaufmann: Ich freue mich riesig, dass ich bei den U19-Mädchen Weltmeisterin werden konnte. Das ist ein toller Erfolg, aber noch nicht mein Endziel. Der Titel zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich arbeite trotzdem weiter hart, weil ich mein Ziel noch nicht erreicht habe.
Diesen Titel hat vor dir noch nie eine Nicht-Asiatin gewonnen. 18 Mal ging er an China, zwei Mal an Japan. Was bedeutet dir diese Statistik?
Kaufmann: Sie bedeutet mir sehr viel. Es ist ein kleines Ausrufezeichen, dass nicht nur die Asiaten - vor allem die Chinesinnen - gewinnen können. Es gibt mir Hoffnung, dass auch ich zu den Topspielerinnen gehören kann. Natürlich bringt der Titel auch sehr viel Motivation für die Zukunft.
Nach Paris wolltest du diesen Titel unbedingt, nachdem du bei Olympia so überragend gespielt hast. Wie hast du es geschafft, dass du diesem selbst gesetzten Druck standgehalten hast?
Kaufmann: Ich habe einfach versucht, locker aufzuspielen. Ich war vor dem Turnier verletzt. Es war nicht mal klar, ob ich überhaupt zur Jugend-WM fahren kann. Dann habe ich mir einfach gedacht, ich versuche es zu genießen und mein bestes Tischtennis zu spielen. Wenn es klappt, dann klappt es und wenn nicht, dann ist es auch okay. Ich bin ohne große Vorbereitung angereist, entsprechend hatte ich keine großen Erwartungen. Die Leute um mich herum haben mir keinen Druck gemacht und haben einfach an mich geglaubt und das habe ich dann auch immer mehr in dem Turnier. Und jetzt bin ich Weltmeisterin.
Das DTTB-Aufgebot bei der Jugend-WM in Helsingborg (22. bis 29.11.)
U19, Mädchen
Team: Mia Griesel (ttc berlin eastside), Eireen Kalaitzidou (TuS Uentrop), Annett Kaufmann (SV DJK Kolbermoor), Lorena Morsch (TSV Langstadt)
Einzel: Annett Kaufmann, Mia Griesel
Doppel: Annett Kaufmann/Anna Hursey WAL, Mia Griesel/Mariam Younes EGY
U19, Jungen
Einzel: Andre Bertelsmeier (1. FC Köln)
Doppel: Andre Bertelsmeier/Amirmahdi Keshavarzi IRI
U19, Mixed
Andre Bertelsmeier/Mia Griesel
U15, Mädchen
Team: Koharu Itagaki (Einzelspielbetrieb: TSV Bad Königshofen/Mannschaftsspielbetrieb: TSV Dachau), Josephina Neumann (TV Okarben/ttc berlin eastside), Elisa Nguyen (TTV Ettlingen/DJK Sportbund Stuttgart), Lisa Wang (1. FC Saarbrücken-TT/TTK Anröchte)
Einzel: Koharu Itagaki, Josephina Neumann
Doppel: Koharu Itagaki/Josephina Neumann
U15, Mixed
Josephina Neumann/Steven Moreno PUR, Koharu Itagaki/Samuel Michna POL
Betreuer
Lara Broich (Bundestrainerin Nachwuchskader 1, U19), Jie Schöpp (Bundestrainerin Nachwuchskader 2, U15), Dustin Gesinghaus (Bundestrainer Nachwuchskader 1, U19), Tamara Boros (Damen-Bundestrainerin)
Physiotherapeutinnen
Birgit Schmidt (OSP Hessen)
Vertreter des Präsidiums
Ralf Tresselt (DTTB-Vizepräsident Jugend)