Zagreb. Mit einer Goldmedaille im Gepäck, die sich das Jungen-Doppel Tobias Hippler/Nils Hohmeier am letzten Tag der 59. Jugend-Europameisterschaften in Zagreb holte, reiste die Delegation des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) am Montag wieder zurück nach Frankfurt am Main. Vor dem Abflug zog Eva Jeler, Cheftrainerin Nachwuchsförderung, ihr ganz persönliches EM-Fazit.
Zwei Sätze haben Tobias Hippler und Nils Hohmeier auf ihrem Weg zum EM-Titel nur verloren. Wie überraschend kommt für Sie dieses Ergebnis?
Eva Jeler: Zunächst einmal muss ich Beiden ein großes Kompliment aussprechen, die während des gesamten Turniers sehr souverän gespielt und gekämpft haben. Die Goldmedaille ist absolut verdient. Besonders freut es mich für Nils, für den es altersbedingt die letzten Jugend-Europameisterschaften waren. Er hat sich in seiner Jugend-Zeit immer vorbildlich verhalten. Ihm gönne ich diese Medaille besonders, da er vor drei Jahren bei den Schülern das Doppel-Finale mit Darko Jorgic sehr unglücklich verloren hat. Bei Nils bestätigt sich meine These: Wer hart arbeitet, wird dafür im Sport auch dafür belohnt! Natürlich freut mich der Triumph gestern in Zagreb auch für Tobias, der im nächsten Jahr seinen Titel verteidigen darf. Dann aber mit einem anderen Partner.
Bleiben wir bei den Jungen. Das Quintett war in die kroatische Hauptstadt gereist, um sich für die Jugend-Weltmeisterschaften zu qualifizieren und eine Medaille zu gewinnen. Beides misslang. Wie groß ist die Enttäuschung?
Jeler: Wir müssen diesen sechsten Platz relativieren. Die entscheidende Niederlage gab es im Viertelfinale gegen Italien. Und eben diese Italiener sind einen Tag später Europameister geworden. Aber unsere Jungs haben mit ihrem Sieg gegen den neuen Titelträger vor einigen Monaten in Italien bewiesen, dass wir uns mit ihnen auf gleicher Ebene bewegen. Das zweite verlorene Spiel gab es gegen den Topfavoriten Frankreich. Deshalb würde ich das Abschneiden der Jungen als solides Ergebnis bezeichnen.
Die Spieler Ihrer Schüler-Mannschaft liebäugelten im Vorfeld mit einer Medaille. Am Ende reichte es zum sechsten Platz. Zufrieden?
Jeler: In einigen Spielen war deutlich zu sehen, dass es dem Team an Erfahrung gefehlt hat. Einzig Kirill Fadeev war schon einmal bei einer Jugend-EM dabei. Er hat aufgrund seines unglaublichen Wachstums in den vergangenen Wochen und Monaten aber seine Koordination verloren. Kay Stumper ist ein für sein Alter guter Spieler, der aber noch lange nicht so gut ist, wie er häufig von außen gesehen wird. Phänomenale Fortschritte hat Sven Hennig gemacht. Daniel Rinderer spielte ein solides Turnier und kann ebenso wie Kay Stumper im nächsten Jahr noch bei den Schülern mitwirken.
Mit nur einer Niederlage im gesamten Team-Wettbewerb belegte das Mädchen-Team Platz neun. Und das war eine Niederlage gegen gebürtige Spielerinnen aus China, die für Aserbaidschan an den Start gegangen sind.
Jeler: Das Achtelfinale ist die schlimmste Schnittstelle in der Tischtennis-Welt. Egal, wie du in der Vorrunde gespielt hast und egal wie die Ergebnisse anschließend sein werden: Verlierst Du im Achtelfinale, ist in Sachen Viertelfinale alles aus. So ging es unseren Mädchen, die gegen gut ausgebildete und erfahrene Chinesinnen verloren haben.
Wie bewerten Sie den achten Platz der Schülerinnen?
Jeler: Die Mannschaft hat viel Potential und hätte durchaus auch Rang fünf belegen können. Das führe ich jedoch auf die Unerfahrenheit zurück. Mit Wenna Tu war nur eine Spielerin bereits vor einem Jahr in Bratislava dabei. Vielleicht war das Team am Anfang zu heiß und danach zu verkrampft. Wichtige Erfahrungen wurden trotzdem gesammelt.
In den vergangenen Jahren ist die Medaillenzahl der DTTB-Talente stetig zurückgegangen. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Jeler: Wir müssen uns folgende Frage stellen: Warum sind wir nicht besser? In diesem Jahr hat kein Junge oder Mädchen versagt. Die Resultate in Zagreb spielen aktuell unseren Leistungsstand wieder.
Haben Sie mit Ihren Bundestrainer-Kollegen schon ein erstes EM-Fazit gezogen?
Jeler: Natürlich haben wir die Leistungen bereits analysiert. Als erste Erkenntnis ist dabei herausgekommen, dass unsere Talente sowohl im Rahmen der Bundeskaderlehrgänge als auch in den Vereinen und Stützpunkten mehr, besser und härter trainieren müssen. Nicht zuletzt auch der Plastikball erfordert größere Umfänge und eine bessere physische Ausbildung. Dazu müssen wir zu mehr Turnieren fahren können, mehr Sparringspartner und Trainer im Training einsetzen können und auch auf allen Ebenen die materiellen Voraussetzungen für qualitativ gutes Training erreichen. Manchmal fehlen uns genug Plastikbälle, um ein Training auf zufriedenstellendem Niveau zu halten. Wir Bundestrainer sind selbstkritisch genug und erkennen auch die Tendenz. Seit Dimitrij Ovtcharov und Ruwen Filus haben wir nur noch Patrick Franziska nach oben gebracht. Wir müssen wieder besser werden.
Wie kritisch gehen die Aktiven selbst mit ihren Leistungen um?
Jeler: Das ist eine gute Frage. Jeder Spieler und jede Spielerin, aber auch jeder Trainer, muss sich selbst hinterfragen: Habe ich alles getan, um ein so großes Turnier wie es die Jugend-Europameisterschaften nun einmal sind, durchzustehen? Leiste ich jeden Tag alles, um in zwölf Jahren für den DTTB bei den Olympischen Spielen teilnehmen zu können? Nicht alle Kinder werden diese Frage mit Ja beantworten können.
Mit Eva Jeler, Cheftrainerin Nachwuchsförderung, sprach Marco Steinbrenner.