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Ievgeniia Sozoniuk hatte einen traumhaften Tag erwischt und trug maßgeblich zum Sensationssieg des ESV Weil bei (Foto: Dr. Stephan Roscher).
Remis in Berlin, Weil mit Sensationssieg gegen Kolbermoor

Favoriten lassen Federn

Dr. Stephan Roscher 11.11.2024

Berlin. Die Sonntagsspiele in der 1. Bundesliga Damen brachten nicht die erwarteten Ergebnisse. Dabei kann das Unentschieden des TSV Langstadt beim ttc berlin eastside nicht einmal als großer Erfolg der Südhessinnen gelten, da beim Gastgeber mit Nina Mittelham und Ding Yaping zwei ganz wichtige Spielerinnen fehlten. Anders verhält es sich in Weil. Dass der ESV den hoch gehandelten SV DJK Kolbermoor schlagen könnte, hatten selbst kühnste Optimisten unter den Weiler Fans nicht auf der Rechnung gehabt.

ttc berlin eastside – TSV Langstadt 5:5

Trotz eines Remis beim Titelverteidiger und des ersten Punktgewinns der laufenden Saison konnte man beim TSV Langstadt nur bedingt zufrieden sein. Gastgeber ttc berlin eastside war am Sonntagnachmittag zwar mit vier Stammspielerinnen angetreten, doch Nina Mittelham und Ding Yaping fehlten, sodass Mia Griesel, die letzte Saison noch in der 2. Liga aufgeschlagen hat, bei ihrem Erstliga-Debüt gleich im vorderen Paarkreuz ran musste. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die 18-Jährige machte ihre Sache außerordentlich gut und gewann ihr Doppel mit Kathrin Mühlbach gegen die eingespielte Gäste-Formation Chantal Mantz/Izabela Lupulesku (3:2) sowie ihr zweites Einzel gegen Mantz, ebenfalls in fünf Sätzen.

Schaut man sich dagegen die Langstädter Aufstellung an – zwar pausierte Franziska Schreiner, ansonsten war aber alles aufgeboten, was Rang und Namen hat –, muss man sogar konstatieren, dass der TSV als Favorit in die Partie gegangen ist.

Doch ähnlich wie schon 14 Tage zuvor in Weinheim, hatten die Langstädterinnen gerade am Anfang immense Schwierigkeiten, in ihren Rhythmus zu finden. Erneut gingen beide Doppel verloren, diesmal knapp und unglücklich, doch man lief erneut einem Rückstand hinterher, was eigentlich gerade vermieden werden sollte, wie Trainerin Anna Rauch noch kurz vor der Partie betont hatte. Die Langstädterinnen wirkten danach verunsichert. 0:3, 2:4, 3:5 – das sah nicht gut aus, doch man zeigte Moral und holte sich wenigstens noch die beiden Einzel im hinteren Paarkreuz am Schluss der spannenden Partie.

Wenig zu kritisieren gab es an den Leistungen der neuen Spitzenspielerin aus Thailand. Orawan Paranang büßte zwar sowohl gegen Mia Griesel als auch gegen Sabina Surjan jeweils einen Satz ein, hatte das Geschehen aber ansonsten im Griff. Izabela Lupulesku ließ ebenfalls in den Einzeln nichts anbrennen und besiegte Kathrin Mühlbach in vier Sätzen sowie das 14-jährige Berliner Toptalent Josi Neumann ohne Satzverlust. Wobei Neumann, die im ersten Durchgang schon Sophia Klee mit 3:0 in die Schranken gewiesen hatte, auch gegen Langstadts Serbin keineswegs schwach spielte und im zweiten Durchgang (15:17) drei Satzbälle ungenutzt ließ. Hätte sie einen davon verwandelt, wer weiß, wie sich das Match noch entwickelt hätte. Klee gelang es immerhin, am Ende das Remis sicherzustellen. Gegen Mühlbach durfte sie sich über ein 11:7, 13:11, 11:9 freuen. Langstadts Pechvogel war Chantal Mantz. Der Sportliche Leiter Manfred Kämmer beschreibt, was seiner Nummer zwei widerfahren war: „Doppel im fünften Satz 11:13 verloren, im Einzel gegen Surjan vier Matchbälle vergeben, gegen Griesel eigentlich sicher 2:0 geführt, das nennt man wohl unglücklich.“

Der ttc eastside bot eine geschlossene Mannschaftsleistung – Surjan, Griesel und Neumann steuerten jeweils einen Einzelsieg zum Remis bei und waren alle drei auch in dem anderen, verlorenen Match fast auf Augenhöhe. Nicht zu vergessen die beiden starken Doppel Griesel/Mühlbach und Surjan/Neumann.

„Mit dem Punkt heute kann ich gut leben“, so Jens Ruland, Trainer sowie Direktor Leistungssport und Talententwicklung beim amtierenden Deutschen Meister. „Die beiden Doppel am Anfang sind so eng, dass es theoretisch auch 0:2 stehen kann. Josi und Mia haben die Verantwortung angenommen und wichtige Einzel gewonnen. Sabina dreht das Ding gegen Mantz nervenstark. Natürlich willst du das Match auch gewinnen, wenn du so nah dran bist, aber andererseits fehlt ehrlicherweise heute auch für Langstadt nicht viel.

Insgesamt für uns aber ein vernünftiger Start in die Bundesliga Saison.“ Und es geht fast ohne Atempause weiter: „Viel Zeit zum Durchatmen bleibt uns nicht. Bereits am Freitag steht das Champions League-Match in Metz auf dem Programm und am Sonntag dann das nächste Bundesliga-Heimspiel gegen Weil.“

“Nach dem Spielverlauf hatte ich nicht mehr an einen Punktgewinn geglaubt“, räumte Manfred Kämmerer ein. „Es hätte sogar die Chance zum Sieg gegeben, wenn Chantal gegen Griesel den Sack zumacht. Ein Sieg wäre bei unserer Leistung heute allerdings nicht verdient gewesen.“ Manches hat ihm nicht gefallen: „Wir haben wieder komplett den Start verschlafen. Ich weiß nicht was mit unseren Doppeln los ist. Da müssen wir uns dringend etwas überlegen.“

„Schade, dass es für das Team nicht zum Sieg gereicht hat“, sagte Orawan Paranang. „Mit meinen beiden Erfolgen im Einzel bin ich natürlich sehr zufrieden. Ich habe aber in der kurzen Zeit in Deutschland schon festgestellt, dass es in der Bundesliga nur gute Spielerinnen gibt, da muss man in jedem Spiel 100 Prozent bringen.“

Die werden ihr und ihren Kolleginnen auch am kommenden Sonntag abverlangt werden, wenn man im ersten Heimspiel der Saison den Meisterschaftsmitfavoriten Kolbermoor empfängt. Um eine Chance zu haben, muss der TSV Langstadt aber anders auftreten als in den ersten beiden Saisonspielen und darf sich auch kein 0:2 in den Doppeln mehr erlauben. Der ttc berlin eastside empfängt am Sonntag, wie weiter oben schon erwähnt, den ESV Weil. Normalerweise würde man da von einer Pflichtübung sprechen, doch nach dem exzellenten Auftritt der Weilerinnen gegen Kolbermoor ist man ein wenig vorsichtiger geworden.
 

ESV Weil – SV DJK Kolbermoor 6:4

130 Zuschauer in der ausverkauften Turnhalle der Weiler Leopoldschule sollten ihr Kommen nicht bereuen. Was sie geboten bekamen, war außergewöhnlich, ja geradezu sensationell. Der Gastgeber, nach einer „Ehrenrunde“ im Unterhaus gerade wieder aufgestiegen, machte gewiss sein bestes Spiel überhaupt in der 1. Bundesliga, der er in der dritten Saison angehört.

Nicht zuletzt aufgrund einer überragenden Ievgeniia Sozoniuk, die das Kunststück fertigbrachte, sowohl Annett Kaufmann als auch Qianhong Gotsch zu schlagen und zudem ihr Doppel mit Anna Hursey zu gewinnen (3:1 gegen Gotsch/Tiefenbrunner), konnte der haushohe Favorit Kolbermoor bezwungen werden. Hursey besiegte immerhin noch Kaufmann (3:2), desweiteren trugen sich die Litauerin Kornelija Riliskyte sowie die Chilenin Daniela Ortega bei ihrer Bundesligapremiere in die Siegerliste ein – beide bezwangen Laura Tiefenbrunner, Riliskyte knapp, Ortega klar.

Da half es den Oberbayern, bei denen Kristin Lang fehlte, auch nicht, dass Hana Arapovic hinten eine Bank war (3:1 gegen Ortega, 3:0 gegen Riliskyte) und ihr Doppel an der Seite von Annett Kaufmann (3:1 gegen Riliskyte/Ortega) gewann.

Überhaupt siegten die Südbadenerinnen meist ziemlich knapp, während die Oberbayern sich eher deutlich durchsetzten: 21:20 Sätze und 389:376 Bälle zugunsten Kolbermoors trotz der 4:6-Niederlage dokumentieren dies. Der Gastgeber zeigte sich eben hellwach und nervenstark – nur so hat man eine Chance gegen einen derart hochkarätigen Gegner. Somit kann man den Sieg durchaus als verdient bezeichnen, wenngleich zu einem solchen Coup immer auch etwas Glück gehört.

„Es war ein sensationelles Spiel, keiner hatte im Vorfeld wirklich mit einem Sieg gerechnet“, freute sich Weils Abteilungsleiterin Doris Spiess. „Der Plan war, gute Leistung zu zeigen und Kolbermoor Paroli zu bieten. Dass wir im vorderen Paarkreuz mit 3:1 dastehen, war dabei nicht unbedingt zu erwarten.“ Alles passte aus Weiler Sicht: „Die Stimmung in der voll besetzten Halle war grandios, Ievgeniia Sozoniuk und Anna Hursey wurden bei ihren Siegen frenetisch gefeiert. Im hinteren Paarkreuz konnten Kornelija Riliskyte und unser Neuzugang Daniela Ortega auch punkten, sodass eine geschlossene Mannschaftsleistung schlussendlich der Garant für den hart umkämpften Sieg war, denn Kolbermoor hat alles versucht und dagegen gehalten. Wir sind natürlich überglücklich über die Punkte, die so nicht eingeplant waren.“

Dr. Michael Fuchs, Trainer und Abteilungsleiter des SV DJK Kolbermoor, war natürlich weniger erfreut: „Für uns natürlich nicht das Ergebnis, das wir uns erhofft hatten. Aber man muss auch dem ESV Weil gratulieren, der ein super Spiel und einen starken Kampf geliefert hat.“ Fuchs analysierte das Geschehen: „Gerade Ievgeniia Sozoniuk hat vielleicht den Tag ihres Lebens gehabt. Anfangs hatte das gar nicht danach ausgesehen. Sie liegt gegen Annett ganz glatt mit 0:2 zurück, spielt aber plötzlich richtig gut, gibt sich nicht auf und geht natürlich dann auch ein bisschen Risiko und wird dafür belohnt. Auch gegen Hongi ein krasser Kampf, der dann im fünften Satz leider nach Weil geht. Wir haben heute die knappen Spiele alle verloren, was uns am Schluss das Kreuz gebrochen hat.“ Fuchs wollte seiner Mannschaft keine Vorwürfe machen: „Wir haben heute eigentlich ordentlich gespielt und alle haben gekämpft, nur war Weil in den entscheidenden Phasen halt den Tick besser oder auch glücklicher, das muss man dann auch anerkennen. Wir versuchen, positiv weiter zu schauen, haben am Freitag ja schon wieder ein Spiel und haken die heutige Niederlage hiermit ab. Die heutigen Ergebnisse haben gezeigt, wie eng die Liga beieinander liegt und dass es einfach keine Garantien für irgendwelche Siege gibt.“

Der ESV Weil reist am Sonntag nach Berlin, wo man natürlich erneut nichts zu verlieren hat, wenngleich man es sich schwer vorzustellen vermag, dass ein solches Husarenstück gleich zweimal binnen einer Woche gelingen kann. Der Spielplan meint es gut mit dem SV DJK Kolbermoor, der schon am kommenden Freitag wieder an die Tische darf und die Chance zur Wiedergutmachung gegen Bingen nutzen möchte. Es sei denn, die Rheinhessen, die als letztes der sieben Teams in die Saison einsteigen, hätten genau so wenig Humor wie der ESV Weil. Am Sonntag müssen Annett Kaufmann und Kolleginnen dann nach Langstadt.

 

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