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Deutschlands Damen haben es geschafft: Ihre Medaille ist sicher (Foto: WTT)
Xiaona Shan, Ying Han und Nina Mittelham machen das 3:2 über den Olympiadritten Hongkong perfekt

Freudentränen über die WM-Medaille nach 0:2-Aufholjagd

SH 06.10.2022

Chengdu. In München nach dem EM-Finale waren es Tränen der tiefen Enttäuschung, die Nina Mittelham nach ihrer verletzungsbedingten Aufgabe vergossen hatte. Nur sechs Wochen später im Viertelfinale der Mannschafts-WM in Chengdu waren es Tränen der Erleichterung und der tiefen Freude, als Ying Han, Xiaona Shan, Sabine Winter, Annett Kaufmann und Bundestrainerin Tamara Boros die Box stürmten und die 25-Jährige lange und herzlich umarmten. Mittelham hatte gerade nach einer mehr als drei Stunden dauernden Länderspiel-Nervenschlacht, bei der ihre Mannschaft zwischenzeitlich mit 0:2 zurückgelegen hatte, den Punkt im fünften, im entscheidenden Spiel gegen Hongkong beigesteuert und damit den Traum von der WM-Medaille für Deutschlands Damen wahr gemacht. Es ist das erste WM-Edelmetall für die in China an Position fünf gesetzte Mannschaft seit Bronze 2010 in Moskau.

"Ich bin mehr als erleichtert. Es war kein einfaches Spiel. Wir sind mit 0:2 gestartet, dann hat 'Nana' ihr Einzel gewonnen und uns so zurück ins Spiel gebracht", beschrieb Mittelham nach der Partie. "Ying hat nachgelegt. Als ich dann bei 2:2 in die Box gegangen bin, meinte Ying zu mir, ich könne nur gewinnen. Schließlich hatten wir schon fast verloren, als es 0:2 stand. Dann habe ich angefangen Tischtennis zu spielen, gut zu spielen." Der emotionalste Moment ereilte sie nach dem verwandelten Matchball gegen Minnie Soo. "Als die anderen in die Box gekommen sind, habe ich direkt angefangen zu weinen, weil ich so erleichtert war. Gerade nach der EM, die für mich nicht so gut geendet hat, ist es einfach wunderschön. Ich freue mich gerade sehr", gab Mittelham einen Einblick in ihre Gefühlswelt und ergänzte: "Jetzt freue ich mich auf morgen." Denn da steht der Kampf um den Einzug in das Finale an. Deutschlands Gegner wird am Donnerstag um 13.30 Uhr MESZ zwischen dem Olympia- und WM-Zweiten Japan und der Slowakei ermittelt.

Thriller am frühen Morgen

Gegen Hongkong bewiesen Deutschlands Damen in der Früh-Session bei den Welttitelkämpfen in Chengdu, dass TV-Thriller ganz und gar nicht dem Abend vorbehalten sind. Bei diesem fieberte die Tischtennis-Welt am Livetream mit. Der Damen-Cheftrainer der Asiatinnen, Li Ching, selbst Olympiazweiter im Doppel von Athen, hatte zunächst für eine Überraschung gesorgt und seine Nummer eins, die Weltranglistensiebte Doo Hoi Kem, komplett auf der Bank gelassen. Dafür ging Olympia-Matchwinner Minnie Soo an den Tisch, die in Tokio zweimal gegen die DTTB-Auswahl im Spiel um Bronze gepunktet hatte. 

Hongkongs Joker stach zwar auch diesmal wieder, allerdings nur im ersten Einzel gegen Ying Han. Deutschlands Defensivexpertin konnte zwar bei ihrer 1:3-Niederlage gegen die phasenweise fast fehlerlos spielende Soo im vierten Durchgang noch einmal Matchbälle abwehren, nutzte jedoch ihre eigenen Chancen in der Verlängerung zum 2:2-Ausgleich nicht und kassierte ihre erste Niederlage im WM-Turnier.

"Ich habe einfach zu viel an die WM-Medaille gedacht und auch noch an das verlorene Spiel in Tokio. So war ich zu nervös und hatte zu viel Respekt", bekannte die weltbeste Abwehrerin. Anschließend bauten die Asiatinnen ihre Führung auf 2:0 aus: Nina Mittelham fand bei ihrer insgesamt deutlichen 1:3-Niederlage kein probates Mittel, um die ungemein ballsichere Zhu Chengzhu in ernsthafte Gefahr zu bringen.

Shan: "Meine erste Team-WM vielleicht auch meine letzte?"

Die Weichen zum deutschen WM-Triumph stellte anschließend Xiaona Shan, die dem Druck des Gewinnenmüssens im dritten Einzel standhielt und mit einer Weltklasseleistung sowie dem Glück der Tüchtigen mit einem Vier-Satz-Erfolg über Lee Ho Ching den Anschluss herstellte. "Natürlich gehe ich ungern mit diesem Druck in die Box, aber ich habe schon so viel im Tischtennis erlebt", sagte die 39-jährige vierfache Europameisterin Shan, die noch eine zusätzliche Motivation hatte: "In meinem Kopf war: Es ist meine erste Team-WM und vielleicht auch meine letzte. Dieses Spiel darf ich, dürfen wir nicht verlieren!"

Führungsspielerin Ying Han machte dann gegen die bislang im WM-Turnier unbesiegte Zhu Chengzhu den Ausgleich perfekt. "Es war schwer, nach meinem verlorenen Spiel noch einmal 100 Prozent zu geben, aber ich habe es geschafft. Ich habe nicht viel nachgedacht, sondern einfach nur Punkt für Punkt gespielt."

Nach ihrer Auftakt-Niederlage hatte Han zunächst einige Zeit allein in der Umkleidekabine verbracht und den verpassten Chancen nachgetrauert. Xiaona Shan war es dann, die sie ermutigte: "'Nana' kam zu mir und meinte, ich solle nicht mehr darüber nachdenken, sondern so tun, als hätten wir schon verloren und das sei jetzt ein neues Spiel. 'Wenn du dann eine Chance kriegst, beiß einfach!', hat sie gesagt." Das letzte Mosaiksteinchen fügte Düsseldorfs Bundesstützpunkttrainer hinzu, der in Chengdu als Tamara Boros' Co-Trainer fungiert. "In der Trainingshalle habe ich vor dem zweiten Einzel mit Xiaoyong Zhu gespielt. Er hat mir geholfen, wieder zu meiner eigentlichen Form zurückzufinden."

Coach Boros: "Ich bin so stolz auf meine Mannschaft"

Der vielumjubelte Siegpunkt blieb der Europe-Top-16-Gewinnerin des Vorjahres, Nina Mittelham, vorbehalten. Nach verlorenem ersten Durchgang lief die 25 Jahre alte Weltranglisten-14. zu großer Form auf und entzauberte Joker Minnie Soo in vier Sätzen. Nach dem verwandelten Matchball stürmten Deutschlands Spielerinnen die Box und bejubelten den nächste WM-Team-Medaille seit 2010, die damals ebenfalls durch eine Viertelfinalerfolg über Hongkong zustande gekommen war.

"Oh mein Gott. Das war wirklich ein Thriller!", bekannte auch Bundestrainerin Tamara Boros. "Ich habe nicht aufgehört, den Mädels immer und immer wieder zu sagen, dass sie weiterkämpfen müssen. Jeder Punkt war wichtig. Ich war sicher, dass wir auch nach 0:2 wieder zurückkommen könnten. Wenn 'Nana' ihr Match gewinnt, ist alles möglich." Nach zwei nervösen Einzeln erlebte die ehemalige Weltklassespielerin ein Comeback nach Maß: "Das Spiel gegen Hongkong war großartig. Ich bin so stolz auf meine Mannschaft. Auch Annett und Sabine sind ein so großer Rückhalt. Das ist enorm wichtig bei diesen Turnieren", lobte Boros die beiden heute nicht zum Einsatz gekommenen Team-Mitglieder. "Als Nina den letzten Punkt gemacht hat, kamen mir die Freudentränen. Ich habe so viel Freude an dieser Mannschaft und daran, mit den Spielerinnen zu kämpfen, aber auch zusammen mit ihnen schwere Situationen zu überstehen", beschrieb Boros ihre Gefühlslage und versprach: "Im Halbfinale werden wir wieder uns Bestes geben und das Match genießen."

DTTB-Herren im Viertelfinale gegen Frankreich | Ying Han: "Die schaffen das!"

Da die WM-Delegationen wegen der Covid-Prävention in China auf ein Minimum reduziert werden mussten, hatte auch die Präsidentin des Deutschen Tischtennis-Bundes am frühen Morgen in Europa nur aus der Ferne mitfiebern können. "Wahnsinn, was für eine Aufholjagd!", kommentierte Claudia Herweg. "Die Revanche für die Olympia-Niederlage um die Medaille ist geglückt. Einfach super, wie die Mädels zusammenhalten, sich gegenseitig anfeuern und von Tamara geführt werden. Können, Herz und Wille - da macht Frauen-Tischtennis einfach nur Spaß. Glückwunsch an die ganze Mannschaft!"

Das Herren-Nationalteam von Bundestrainer Jörg Roßkopf ist im Anschluss mit einem 3:0-Erfolg über Kroatiens ins Viertelfinale eingezogen. Der Gegner in der Partie um eine WM-Medaille für Dang Qiu, Benedikt Duda, Kay Stumper, Ricardo Walther und Fanbo Meng ist Vorrunden-Rivale Frankreich. "Die Herren sind so stark! Sie schaffen das auch, hier eine Medaille zu gewinnen. Da sind wir uns ganz sicher", kommentierte Ying Han.

 

Damen, WM-Viertelfinale
Deutschland - Hongkong 3:2

Ying Han - Soo Wai Yam Minnie 1:3 (7,-1,-9,-14)
Nina Mittelham - Zhu Chengzhu 1:3 (-3,-5,13,-5)
Xiaona Shan - Lee Ho Ching 3:1 (11,-5,10,14)
Han - Zhu 3:0 (6,2,8)
Mittelham - Soo 3:1 (-9,11,5,5)

Das Spiel GER - HKG bei YouTube im Re-live

Deutschland: Ying Han (Weltrangliste: 8), Nina Mittelham (14), Xiaona Shan (20), Sabine Winter (46), Annett Kaufmann (126)
Hongkong: Doo Hoi Kem (7), Lee Ho Ching (61), Zhu Chengzhu (93), Ng Wing Lam (125), Soo Wai Yam Minnie (174)

Alle Ansetzungen und Ergebnisse auf worldtabletennis.com

Die K.-o.-Runde in der Übersicht

Damen-Halbfinale am Freitag
China - Taiwan, 9 Uhr
Deutschland - Japan, 13.30 Uhr MESZ, Tisch 2
Zum kostenpflichtigen Livestream auf xyzsports.TV (Kosten: 10 Euro pro Monat)
Hinweis: Für Userinnen und User aus dem Raum Deutschland, Österreich und Schweiz gibt es bis zum Ende der WM nur noch das kostenpflichtige Angebot.

Damen-Viertelfinale am Donnerstag
China - Portugal 3:0
Taiwan - Singapur 3:2
Deutschland - Hongkong 3:2
Slowakei - Japan 0:3

Achtelfinale
China - Ungarn 3:0
Portugal - Luxemburg 3:1
Taiwan - Indien 3:0
Tschechien - Singapur 1:3
Hongkong - Rumänien 3:2
Deutschland - Puerto Rico 3:1
Slowakei - Frankreich 3:1
Südkorea - Japan 0:3

Ergebnis-Archiv Deutschland - Hongkong (Auszug)

Olympia 2020, Spiel um Bronze
Hongkong – Deutschland 3:1

Doo Hoi Kem/Lee Ho Ching – Xiaona Shan/Petrissa Solja 1:3 (8,-5,-7,-13)
Soo Wai Yam Minnie – Ying Han 3:1 (10,-9,9,7)
Doo – Solja 3:0 (5,6,9)
Soo – Shan 3:0 (10,11,7)

Olympia 2016, Viertelfinale
Deutschland – Hongkong 3:1

Ying Han – Lee Ho Ching 3:0 (6,3,4)
Petrissa Solja – Doo Hoi Kem 2:3 (9,-3,9,-9,-12)
Xiona Shan/Petrissa Solja – Lee Ho Ching/Tie Yana 3:0 (7,3,10)
Han – Tie Yana 3:1 (5,-5,7,3)

WM-Viertelfinale 2014 in Tokio
Hongkong – Deutschland 3:0

Lee Ho Ching – Petrissa Solja 3:1 (-9,3,9,8)
Jiang Huajun – Irene Ivancan 3:2 (6,-9,-4,8,10)
Ng Wing Nam – Sabine Winter 3:0 (5,5,7)

WM-Viertelfinale 2010 in Moskau
Deutschland – Hongkong 3:1

Kristin Silbereisen (heute: Lang) – Jiang Huajun 2:3 (-7,5,-1,6,-8)
Jiaduo Wu – Tie Yana 3:1 (-6,8,11,8)
Sabine Winter – Zhang Rui 3:2 (-5,9,-7,8,9)
Wu – Jiang 3:1 (7,-6,9,11)

Alle Ansetzungen und Ergebnisse auf worldtabletennis.com

Team-WM in Chengdu

Achtelfinale, Herren
China - Indien 3:0
Belgien - Schweden 0:3
Portugal - Slowenien 3:0
Brasilien - Japan 0:3
Südkorea - Polen 3:0
Hongkong - Ägypten 3:0
Deutschland - Kroatien 3:0
England - Frankreich 2:3

Herren, Viertelfinale am Freitag
China - Schweden
Japan - Portugal
Südkorea - Hongkong
Deutschland - Frankreich

Das Aufgebot des DTTB in Chengdu (China)

Damen
Ying Han (KTS Enea Siarka Tarnobrzeg POL / Top Nagoya JPN), Nina Mittelham (ttc berlin eastside / Kyushu Asteeda JPN), Xiaona Shan (ttc berlin eastside / Kyoto Kaguya JPN), Sabine Winter (TSV Schwabhausen), Annett Kaufmann (SV Böblingen)

Herren
Dang Qiu (Verein: Borussia Düsseldorf), Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt), Ricardo Walther (ASV Grünwettersbach), Kay Stumper (Borussia Düsseldorf), Fanbo Meng (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell)

Trainer-Team
Richard Prause (Sportdirektor), Tamara Boros (Damen-Bundestrainerin), Xiaoyong Zhu (Bundesstützpunkttrainer), Jörg Roßkopf (Herren-Bundestrainer), Lars Hielscher (Cheftrainer Düsseldorf)

Physiotherapeutinnen
Birgit Schmidt und Annette Zischka (OSP Hessen in Frankfurt/Main)

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