Berlin. Herausforderer Weinheim war in Bestbesetzung angereist, während der Hauptstadtklub auf seine Spitzenspielerin Yuka Kaneyoshi verzichten musste – die 18-jährige Abwehrstrategin erhielt von ihrem College in Japan keine Freigabe und musste dort bei Wettkämpfen antreten. Die Zuschauer in der Halle sowie am Livestream erlebten dennoch drei Stunden und 17 Minuten hochklassiges und spannendes Tischtennis. Der Titelverteidiger bäumte sich nach einem 1:5-Rückstand auf und machte den Weinheimerinnen gegen Ende der Partie nochmals das Leben schwer. Zu einem Remis reichte es aber nicht mehr. Entschieden ist noch nichts. Die Berlinerinnen müssen nun aber das Rückspiel am Sonntag in Weinheim gewinnen, um noch ein Golden Match zu erzwingen.
Berlins Shooting-Star aus Japan fehlte
Es begann mit einer Hiobsbotschaft für die Berliner Fans: Die beste Spielerin des ttc eastside, Yuka Kaneyoshi, innerhalb weniger Wochen zum Publikumsliebling avanciert, war nicht in der Halle. Der Grund: Die 18-Jährige, die in solchen Spielen den Unterschied ausmachen kann, ist in ihrem Heimatland Japan und erhielt von ihrem College keine Freigabe, da man sie dort bei Wettkämpfen nicht entbehren wollte. Der Hauptstadtklub hat im Vorfeld alles versucht, die Abwehrspielerin an Bord zu haben, doch das misslang, die Japaner blieben hart. Manager Andreas Hain hat dennoch die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben und sieht noch eine kleine Chance, Kaneyoshi am Sonntag im Rückspiel einsetzen zu können – wenn sie sich am Samstag in den Flieger setzt, könnte es noch klappen. Für Kaneyoshi rückte Kathrin Mühlbach ins Team, die über viel Erfahrung verfügt, allerdings in dieser Saison noch kein Bundesliga-Match gewinnen konnte.
Weinheim gewinnt alle Einzel im ersten Durchgang
Doch nun zum Spiel: In den Doppeln trennte man sich, wie so oft, 1:1. Nur dass diesmal nicht das Berliner Paradedoppel Sabina Surjan/Josi Neumann (2:3 gegen Chien Tung-Chuan/Yuan Wan nach scheinbar sicherer 2:0-Satzführung), sondern das Duo Mia Griesel/Kathrin Mühlbach punkteten, die das Match gegen Ece Harac/Mateja Jeger-Majstorovic beim 3:1-Sieg überraschend gut im Griff hatten.
Sabina Surjan musste vorne gegen eine extrem starke Yuan Wan ein 0:3 hinnehmen, während Mia Griesel gegen Weinheims Taiwan-Ass Chien Tung-Chuan, gegen das sie schon im Bundesliga-Rückspiel am 22.03. nur hauchdünn den Kürzeren gezogen hatte, durchaus Siegchancen besaß. Die 19-jährige deutsche Nationalspielerin konnte nämlich mit 2:1 Sätzen in Führung gehen, verlor danach jedoch den Faden, während ihre Gegnerin immer besser ins Spiel fand.
Mit etwas mehr Glück hätte es zu diesem Zeitpunkt 3:1 für Berlin stehen können, so aber lagen die Gäste mit 3:1 in Front und zeigten danach im hinteren Paarkreuz wenig Neigung, sich noch die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Auch hier war eindeutig mehr drin, zumindest bei Josi Neumann, die gegen Mateja Jeger-Majstorovic trotz eines Verletzungs-Handikaps gut spielte, einen 0:2-Satzrückstand egalisierte, im Entscheidungsdurchgang aber mit 3:8 hinten lag. In einer furiosen Aufholjagd konnte die 15-jährige Hessin nicht nur ausgleichen, sondern sogar mit 9:8 in Führung gehen – doch dann verließ sie das Glück und Weinheims Kroatin sicherte sich noch den Sieg. Kathrin Mühlbach spielte gegen Ece Harac gut mit, musste aber erwartungsgemäß eine 1:3-Niederlage quittieren.
Berlin bäumt sich auf, doch Ece Harac macht den Sack zu
1:5 – die Sache schien gelaufen. Doch die Berlinerinnen zeigten Moral und wehrten sich. Sabina Surjan zeigte eine Wahnsinnsleistung gegen Chien Tung-Chuan – die Fans fühlten sich an die mitreißenden Auftritte der 25-jährigen Serbin im Finalhinspiel der Champions League gegen Metz erinnert – und siegte überraschend in fünf Sätzen (6:11, 11:8, 11:5, 9:11, 11:4). Am Nachbartisch schlug Mia Griesel Yuan Wan in einem kuriosen Match – alle Sätze endeten 11:9, die ersten beiden zugunsten der Weinheimerin, die nachfolgenden drei zugunsten der Berlinerin.
Somit nur noch 3:5, würde da noch etwas gehen? Den Gästen noch ein Remis abzutrotzen nach 1:5-Rückstand, das wäre eine Ansage des Rekordmeisters gewesen, der diese Saison ja bereits zwei Titel errungen hat. Eine Ansage mit psychologischer Wirkung in Hinblick auf die Partie am Sonntag, hatte man sich in den letzten Wochen doch gerade in den Play-off-Rückspielen besonders stark gezeigt und sowohl in Kolbermoor als auch in Dachau mit 6:2 gewonnen.
Doch dazu musste Josi Neumann trotz ihrer Beinverletzung Ece Harac schlagen, irgendwie. Im ersten Satz schien das zu glücken, machte doch Berlins Jüngste erneut einen 3:8-Rückstand wett und egalisierte zum zwischenzeitlichen 8:8. Der Satz ging dennoch mit 11:9 an Weinheims Türkin, die den zweiten Durchgang dann dominierte (11:6), im dritten jedoch ein 8:11 hinnehmen musste. Würde Neumann im vierten Satz noch die Wende schaffen können, um dann auf einen Erfolg von Mühlbach über Jeger-Majstorovic am anderen Tisch – die 33-jährige Deutsche hatte den ersten Satz gerade mit 11:9 gewonnen – hoffen zu können? Doch die Hoffnung währte nur kurz. Harac präsentierte sich wieder top fokussiert, machte im vierten Satz aus einem 1:2 im Handumdrehen ein 8:2 und beendete die Ambitionen des Gastgebers mit einem humorlosen 11:4.
Weinheims Titelchance gestiegen, doch entschieden ist noch nichts
Der TTC 46 Weinheim hat - dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung verdient - vorgelegt und geht nun mit einem kleinen Vorteil ins Rückspiel vor den eigenen Fans. Dem Herausforderer reicht ein Remis zum ersten Titel der Vereinsgeschichte, während die Hauptstädterinnen zwingend gewinnen müssen – zweimal sogar, das Spiel selbst sowie das in diesem Fall direkt anschließende Golden Match. Doch unmöglich ist gar nichts, man erinnere sich nur, mit welcher Hypothek die Berlinerinnen vor einigen Wochen zum Halbfinal-Rückspiel ins polnische Tarnobrzeg gereist waren und dann dort, in der Höhle des Löwen, triumphiert hatten. Einiges wird natürlich auch davon abhängen, ob man Yuka Kaneyoshi doch noch aus Japan loseisen kann. Aber auch das Quartett vom Freitag ginge gewiss nicht ohne Chance ins Rückspiel. Man darf also nach wie vor gespannt sein, wer am Ende jubeln und mit dem Meisterpokal posieren darf.
STIMMEN ZUM SPIEL
Andreas Hain, Manager ttc berlin eastside: „Die Mädels haben nochmal alles gegeben und phantastisch gekämpft, aber man merkt jetzt doch, dass wir mental einfach müde sind. Josi ist immer noch am Bein verletzt und musste erneut von unserem Arzt während des Spiels behandelt werden. Yuka Kaneyoshi musste für ihre Universität Wettkämpfe bestreiten und konnte so am Freitag nicht dabei sein. Vielleicht klappt es noch für Sonntag. Aber alle Spiele waren knapp und zu unserer Überraschung waren wir immer auf Augenhöhe. Morgen wird erstmal der Champions-League-Titel groß gefeiert und dann sehen wir mal, was am Sonntag möglich ist.“
Christian Säger, Manager TTC 46 Weinheim: „Recht einfach meine Einschätzung: Wir haben das erste Match gewonnen gegen eine gute Berliner Mannschaft. Das ist Schritt eins. Aber wir fangen im Rückspiel wieder bei Null an. Das heißt, wir müssen und werden hochkonzentriert ins Spiel vor eigenem Publikum gehen, um das große Ziel Deutscher Meister erreichen zu können.“
Tag der Entscheidung
Am Sonntag – Spielbeginn 14 Uhr – wird in der Sporthalle des Weinheimer Werner-Heisenberg-Gymnasiums der Deutsche Meister 2025 gekürt. Es könnte nochmals sehr spannend werden. Man rechnet mit mindestens 350 Zuschauern.
Hier die Links zum Livestream:
Tisch 1: https://youtube.com/live/FcTxQHWbt0s?feature=share
Tisch 2: https://youtube.com/live/bjgSKrdyxC0?feature=share
Marathon-Saison für berlin eastside neigt sich dem Ende zu
Eine kleine Kuriosität am Rande: Der ttc berlin eastside hat in der laufenden Saison mehr als doppelt so viele Spiele bestritten wie der TTC 46 Weinheim. Wir wollten es genau wissen und haben nachgezählt. Die eastside-Asse haben vor dem Rückspiel am Sonntag unfassbare 37 Partien absolviert (16 x Champions League, 12 x Bundesliga-Punktrunde, 5 x Play-offs, 4 x Pokal), ein rekordverdächtiger Marathon, während die Nordbadenerinnen gerade einmal auf 18 Einsätze kommen (12 x Bundesliga, 3 x Play-offs, 3 x Pokal). Die 19. Partie des TTC 46 wird die Entscheidung bringen – so oder so.
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