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Pure Freude nach dem Spiel für die Geschichtsbücher (Foto: ITTF)

Historisch: DTTB-Damen im Olympia-Finale! / 3:2-Sieg im Vier-Stunden-Drama gegen Japan

FL 14.08.2016

Rio de Janeiro. Deutschlands Damen stehen im Olympia-Finale von Rio. Ja, Sie haben richtig gelesen. Glauben können es selbst sie Spielerinnen noch nicht richtig. Im Riocentro 3 spielten sich am Sonntagabend dramatische Szenen ab, gepaart mit vier Stunden absolutem Weltklasse-Tischtennis. Die drei Olympia-Debütantinnen Han Ying, Petrissa Solja und Shan Xiaona bezwangen im Halbfinale Vize-Weltmeister Japan mit 3:2, haben Silber sicher und schreiben Geschichte. Es wird die erste Medaille von deutschen Tischtennis-Frauen überhaupt. Mit einem Kantenball zum 11:9 im Entscheidungssatz gegen Ai Fukuhara entscheidet Han Ying die Partie.


Am Ende sorgen Millimeter über den historischen Erfolg. Han Ying wehrt den Schuss von Ai Fukuhara noch irgendwie mit der Rückhand ab, der Ball segelt im seitlichen Bogen über das Netz, titscht auf die Kante, fliegt seitlich weg, unerreichbar für die nur 1,56 Meter kleine Japanerin. Han Ying schmeißt ihren Schläger weg, reißt die Arme hoch, die Teamkolleginnen stürmen bereits die Box. Japan protestiert, der Ball sei nicht auf der Kante sondern außen gewesen, doch nach kurzer Diskussion ist klar: Deutschlands Damen stehen im Olympia-Finale von Rio und haben die Silbermedaille schon sicher. Das hört sich irgendwie unwirklich an. Und ist es auch. Nur ein einziges Mal, und das auch noch bei der Tischtennis-Olympia-Premiere in Seoul 1988, hat es eine europäische Medaille gegeben (Bronze eines jugoslawischen Duos im Damen-Doppel), von einer deutschen Frauen-Medaille in sieben Olympiaden ganz zu schweigen. Jetzt haben die DTTB-Damen auf jeden Fall schon Silber gewonnen. Das Finale, voraussichtlich gegen China, findet am Dienstag statt.


„Ich habe oft gelernt, mit Niederlagen umzugehen, jetzt muss ich plötzlich mit so einem Erfolg umgehen. Das ist eine neue Situation für mich“, sagte Bundestrainerin Jie Schöpp mit einem Lächeln. Zwar gewann sie mit Deutschland drei Europameistertitel in Folge, aber Olympia ist jetzt eine andere Nummer. „Es war Wahnsinn, so ein Auf und Ab, so dramatisch.“ Die Bundestrainerin weiter: „Ich bin ein Glückspilz. Es hat alles gepasst. Wir haben uns mit kleinen Erfolgen in den vergangenen Jahren Selbstvertrauen aufgebaut, uns Stück für Stück entwickelt. Das sind alles kleine Steine gewesen, die wir hingelegt haben. Zum Beispiel das Spiel bei der WM in Malaysia, als wir ohne Ying und Nana gegen Japan gewonnen haben, hat uns gezeigt, was wir schaffen können“, sagte Schöpp.


Solja: „Das war das härteste, was ich in meiner jungen Karriere erlebt habe“


Peti Solja gewann ein Einzel und ein Doppel (Foto: ITTF)Da standen die Heldinnen kurz vor Mitternacht im Riocentro 3 in der Mixed Zone, an dem Platz, wo die Medienvertreter ihre Fragen stellen. Tränen in den Auen, teilweise auf die Barriere gestützt, fast wirkte es so, als hätten sie ein Spiel verloren. Dabei hatten sie wenige Minuten zuvor Historisches geschafft. Noch nie hat es im deutschen Frauentischtennis eine Medaille bei Olympischen Spielen gegeben – bis Rio 2016. „Mein Kopf dreht sich, ich bin total groggy. Tut mir Leid, wenn ich heute keine ordentlichen Sätze herausbekomme“, sagte Petrissa Solja zu einer ganzen Schar deutscher Journalisten, die das erste Olympia-Halbfinale eine deutschen Frauen-Mannschaft auf den Plan gerufen hatte.


„Mir haben es ja jetzt schon öfter Leute gesagt, dass wir jetzt eine Medaille haben. Irgendwie kann man es glauben und irgendwie auch nicht. Das war eine emotionale Reizüberflutung. Das war das härtsteste, was ich in meiner jungen Karriere erlebt habe. Jetzt weiß ich, was es bedeutet, bei Olympia um Medaillen zu kämpfen, Da kämpft man meistens mehr mit sich als mit dem Gegner“, sagte Petrissa Solja. „Ich kann das nicht glauben“, sagte Shan Xiaona. „Das ist doch ein Traum, und ich bin noch nicht aufgewacht, oder?“, fragte Han Ying.


Das Spiel, dass ca. 2000 Zuschauer in der diesmal leider nur halb gefüllten Riocentro 3 verfolgten, hätte ein ganzes Stadion als Rahmen verdient gehabt. Was die sechs Protagonistinnen auf den Tisch brachten, lässt sich in einem Wort beschreiben: Weltklasse. Auf hohem Niveau sind viele Sportereignisse bei Olympia, was in diesem Halbfinale noch hinzukam, war eine besondere Dramaturgie, wie sie im Tischtennis durchaus vorkommt, aber eben nicht oft in einem solchen bedeutungsvollen Spiel.


"Wir wussten, dass wir es drauf haben, eine Medaille zu holen. Aber das so auf den Punkt abzurufen, ist unglaublich", sagte Solja. Die 22-Jährige sorgte für die deutsche Führung, bezwang den 15-jährigen Nachwuchsstar Japans, Mima Ito, in fünf Sätzen. Mit 3:9 (!) hatte Solja im Entscheidungssatz zurückgelegen. „Auch wenn man es mir nicht ansieht, ich kämpfe immer! Auch wenn nicht die Faust kommt. Ich habe einfach mit Herz gekämpft, habe versucht mich ranzupirschen im letzten Satz. Es hat sich gelohnt dass ich mein Herz in die Hand genommen habe. Mit dem 1:0 habe ich uns Hoffnung gegeben, dass wir es wirklich schaffen können“, so die Weltranglisten-15., die die letzten beiden Duelle gegen Ito verloren hatte. „Ich dachte, hier wäre es mal ein guter Zeitpunkt ihr mal eine Revanche zu geben.“


Nicht minder spannend waren die folgenden Partien. Im zweiten Einzel hatte Han Ying eine deutsche 2:0-Führung auf dem Schläger, verlor jedoch gegen Japans Topspielerin Ishikawa nach 2:0-Satzführung in fünf Sätzen. Im Doppel waren Shan/Solja schon auf der Verliererstraße gegen Ito/Fukuhara, lagen im vierten Durchgang 3:6 hinten, drehten den Spieß aber noch um. Nach der Niederlage von Shan Xiaona gegen die starke Ishikawa musste das letzte Einzel zwischen Han Ying und Japans Superstar Fukuhara die Entscheidung bringen. Im fünften, alles entscheidenden Satz, führt die Deutsche mit 7:3. Doch Fukuhara holte auf, plötzlich stand es 9:7 für die Japanerin. „Da habe ich gedacht, ich habe meine Chance versaut. Dann habe ich mir aber gesagt, es ist noch nicht vorbei, kämpfe einfach weiter“, erzählt Han Ying. Der Kampfgeist der Weltklasse-Abwehrspielerin wurde belohnt. Und auch wenn es ein glücklicher Matchball war, am Ende war es auch der verdiente Lohn.


„Das Zuschauen ist so schlimm. Wenn man selber spielt, kann man das beeinflussen. Ich habe von der Bank versucht reinzuschreien und Ying oder Nana zu pushen. Man stirbt auf der Bank“, sagte Petrissa Solja über das letzte Einzel.


Am Dienstag steigt das Finale, vermutlich gegen das übermächtige China, das am Montagmorgen Ortszeit im Halbfinale gegen Singapur spielt. Petrissa Solja: „Wenn man im Finale ist, dann will man auch Gold holen. Wir versuchen unsere Chancen zu bekommen, wissen aber, dass das gerade gegen China äußerst schwer ist.“

Deutschland – Japan 3:2

Petrissa Solja - Mima Ito 3:2 (-5,4,-8,6,10)

Han Ying - Kasumi Ishikawa 2:3 (6,9,-6,-6,-8)

Shan Xiaona/Petrissa Solja - Ai Fukuhara/Mima Ito 3:2 (6,-10,-7,9,7)

Shan Xiaona - Kasumi Ishikawa 0:3 (-2,-11,-12)

Han Ying - Ai Fukuhara 3:2 (-7,9,4,-6,9)

China - Singapur 3:0

Li Xiaoxia - Feng Tianwei 3:0 (10,8,9)

Ding Ning - Zhou Yihan 3:1 (7,-9,6,2)

Ding Ning/Liu Shiwen - Yu Mengyu/Zhou Yihan 3:0 (4,1,9)


Finale am Dienstag, 0:30 Uhr deutscher Zeit

Deutschland - China

Spiel um Bronze: Japan - Singapur, 16 Uhr

 

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