Houston. Er gilt als eine Hoffnung Europas im Vergleich mit Asien und könnte eine starke schwedische Ära prägen: Truls Möregårdh. Mit 14 spielte er zum ersten Mal in der Champions League, war mit 15 Jugend-Vize-Weltmeister, gewann mit 16 Bronze bei der Team-WM für Schweden und wurde mit 17 erstmals Schwedischer Meister im Herren-Einzel. "Ich lebe im Moment in einem Traum. Es ist kaum zu glauben, dass ich mit 19 Jahren im Halbfinale einer WM gegen den legendären Timo Boll stehe", sagte Truls Möregardh überwältigt nach seinem Viertelfinalerfolg über Nigerias Quadri Aruna.
Bei den Europameisterschaften in Warschau zog er in das Achtelfinale ein, wo er Marcos Freitas in sechs Sätzen unterlag. „Es waren einige harte Matches. Ich bin super happy mit dem Turnier. Von den drei besten Abwehrspielern in Europa, Filus, Gionis und Wang Yang, habe ich mit Gionis und Wang zwei schlagen können“, sagt Möregårdh. Dabei drehte er beide Male einen Rückstand, gegen Gionis lag er im Entscheidungssatz schon mit 5:9 hinten.
Bereits zweimal am Knie operiert
Eine Woche vor der EM wurde er zum zweiten Mal nach 2019 Schwedischer Meister, besiegte im Halbfinale Jon Persson und im Finale Anton Källberg – jeweils nach Rückständen. Möregårdh war mit wenigen Erwartungen in das Turnier gegangen. Im Oktober hatte er sich bereits zum zweiten Mal am Knie operieren lassen. Die Brüder Möregårdh haben einen genetischen Defekt, unter anderem können sie in den Beinen wenig Muskulatur aufbauen. Die Folge waren Dysbalancen im Körper, Schmerzen im Alltag und beim Sport. „Wir haben einiges im Knie gefixt. Es war notwendig und während Corona eine gute Zeit dafür. Nach der Reha war es hart zurückzukehren. Aber ich habe das ganz gut hingekriegt, spiele ganz gut, auch wenn ich weiß, dass ich immer mit etwas Schmerzen werde leben müssen. Aber ich hoffe, dass es mich zumindest nicht im Alltag behindert.“
Möregårdh kommt aus einer Tischtennis-Familie, seine beiden Brüder spielten ebenfalls, der Vater war Nachwuchstrainer. Bruder Malte, der in der Jugend international für Schweden auftrat, ist heute sein Coach. „Die Zusammenarbeit klappt sehr gut, weil wir uns als Brüder alles sagen können. Wir streiten auch mal heftig, aber bringen uns gegenseitig voran“, sagt Truls. Neben Bruder Malte hört er auch auf seinen langjährigen Coach bei Eslöv, Peter Andersson, und auf Michel Blondel von den TTF Ochsenhausen. „Ich habe gute Trainer um mich herum, das ist sehr wichtig und ich bin glücklich darüber.“ Wegen seiner Karriere zog die Familie vor sieben Jahren aus der Heimat Hovmantorp in die Tischtennis-Hochburg nach Eslöv. Möregårdh fährt auch mal nach Halmstadt, um mit Mattias Falck, oder nach Dänemark, um mit Jonathan Groth zu trainieren. Vor den Schwedischen Meisterschaften schloss er sich der Gruppe in Saarbrücken um Patrick Franziska an.
Schwedische Kreativabteilung mit Boll und Waldner als Vorbilder
Möregårdhs Spiel ist geprägt von Abwechslung und Kreativität. Mal spielt er Schnittabwehr, mal knickt er spät das Handgelenk ab, um den Gegner zu verladen. Oft nimmt er die Bälle mit der Vorhand sehr früh, um Druck auszuüben. Möregårdh, der den Schläger ein Stück weiter unten hält, liebt das Spiel, schaut sich auch vieles von anderen Spielern ab, unter anderem von seinen Vorbildern Boll und Waldner. Zuhause mit Freunden und Familie spricht er bewusst wenig über Tischtennis. „Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn du zu viel darüber nachdenkst.“
Nachdenklich wurde er vor zwei Jahren, als bei seinem besten Freund, David Andersson (Sohn von Eslöv-Coach Peter) Krebs diagnostiziert wurde. „Das war eine harte Zeit, und ich wollte was tun.“ Seither unterstützt Möregårdh die Organisation „Ung Cancer“, die krebskranken junge Menschen hilft. Auf seinem Instagram-Kanal wirbt der 19-Jährige dafür und holt immer mal prominente Tischtennis-Spieler mit dazu. Sein Freund David ist glücklicherweise wieder genesen.
Nicht für Tokio nominiert
Den Traum von den Olympischen Spielen muss Möregårdh indes zumindest um drei Jahre verschieben. Für Tokio wurde er nicht nominiert. „Ich bin schon enttäuscht, wäre gerne dabei gewesen und habe auch gezeigt, dass ich ins Team passe. Die Erfahrung wäre wichtig gewesen für später, aber damit muss ich klarkommen. Wir haben ein gutes Team und einen guten Spirit.“ Spätestens in Paris 2024 will es Möregårdh mit der Weltelite aufnehmen.
Sein Weg ins WM-Halbfinale
1. Runde (128): Ahmed Saleh EGY 4:0
2. Runde (64): Chuang Chih-Yuan TPE 4:3
3. Runde (32): Patrick Franziska 4:3
Achtelfinale: Lim Jonghoon KOR 4:3
Viertelfinale: Quadri Aruna NGR 4:2
Truls Möregårdh
Geboren: 16. Februar 2002
Vereine: Eslöv AL, Schweden, und KS DEKORGLASS Dzia?dowo, Polen
Karriere-Meilenste
Malte Möregårdh über seinen Bruder Truls:
„Bei Truls geht es viel um Kreativität und Cleverness. Sein Spiel mit unterschiedlichen Arten von Rückhandbällen kombiniert mit einer sehr starken Vorhand ist ziemlich einzigartig. Er kann bei Aufschlägen variieren und hat Qualitäten im kurzen Spiel. Verbessern muss er sich vor allem bei schwierigen Bewegungen aus der Vorhand-Seite. Nach der Operation vertraut er seinem Knie mehr und mehr.
Herren-Einzel, Halbfinale in der Nacht von Sonntag auf Montag
Timo Boll - Truls Möregardh SWE, 1.50 Uhr
Fan Zhendong CHN - Liang Jingkun CHN, 3.30 Uhr