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Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig (links) in Moskau bei den Vorbereitungen mit Richard Prause und Jörg Roßkopf (rechts).

Interview Dirk Schimmelpfennig: "Wir haben durchaus noch Luft nach oben"

MS 14.06.2010

 

 

 

tischtennis.de: Wenn Sie die Mannschafts-WM 2010, die in organisatorischer Hinsicht viel Kritik einstecken musste, Revue passieren lassen: Was war top, was war flop in Moskau?

 

 

Schimmelpfennig: Die sportlichen Bedingungen, vor allem auch die Leistungen, Ergebnisse und das gesamte Auftreten unserer beiden Nationalteams, waren top. Die organisatorischen Rahmenbedingungen, ich denke vor allem an die Unterbringung und Verpflegung der besten Tischtennisspielerinnen und –spieler der Welt war so schlecht wie lange nicht mehr bei einer Weltmeisterschaft. Die Zuschauerresonanz in Moskau und die Fernsehpräsenz in Deutschland waren enttäuschend.  

 

 

             

 

 

 

Die WM ist für Deutschland mit dem besten Abschneiden aller Zeiten zu Ende gegangen. Hat Ihnen eine WM-Bilanz und eine WM-Beobachtung jemals soviel Freude bereitet?

 

 

 

Die Herren haben wieder einmal ihre Leistungsstärke international unter Beweis stellen können und die Damen konnten sehr positiv überraschen – das war natürlich schön zu sehen. In meiner inzwischen zwanzigjährigen Tätigkeit in verschiedenen Funktionen für den DTTB gab es glücklicherweise bei großen Turnieren schon öfter, wenn auch nicht immer, Anlass zur Freude. In Moskau war es dennoch etwas ganz Besonderes. Zum einen haben beide Mannschaften in jeder Beziehung überzeugt, zum anderen zeigten sich in beiden Teams neue Perspektiven, die wir in den nächsten Jahren noch weiter ausbauen können.

 

 

 

 

 

 

Die Leistung der Herren und der Damen war umso beeindruckender, da beide Teams jeweils nur gegen die späteren Weltmeister China und Singapur verloren haben....

 

 

Nicht nur deshalb. Wir haben eigentlich alles gewonnen, was es in Moskau gegen unsere internationale Konkurrenz zu gewinnen war. Für die Herren hat es gegen Weltmeister China zwar auch diesmal nicht ganz gereicht, aber wir waren so nah dran wie nie zuvor. Das spricht für die Entwicklung unserer Aktiven in den letzten Monaten und Jahren.

 

 

 

 

 

 

Bei den Herren ist Timo Boll immer noch der Topstar, aber nicht mehr der einzige Punktesammler. Dimitrij Ovtcharov und Christian Süß haben sich weiterentwickelt, zwei weitere sehr gute Spieler stehen mit Bastian Steger und Patrick Baum Gewehr bei Fuß. Das macht Deutschland als Mannschaft stärker und hat es in Moskau unangefochten zur Nummer zwei gemacht. Ist Deutschland bei dieser WM auch näher an die Supermacht China herangerückt?

 

 

Timo ist als Ausnahmespieler und absoluter Spitzenspieler unseres Teams ungemein wichtig. Dies nicht nur als zuverlässiger Punktelieferant. Die anderen Spieler haben die Lücke zu ihm in den letzten Jahren etwas schließen können. In anderen europäischen Mannschaften wären auch sie Ausnahmespieler. So präsentierten wir uns in Moskau wie in Peking als zweitbeste Herrenmannschaft der Welt, die den Chinesen im Finale sehr ernsthaft Paroli bieten konnte. Es hat sich gezeigt, dass China zwar immer noch die beste Herrenmannschaft der Welt besitzt, aber dies war in Moskau nicht unerreichbar weit weg. Das motiviert uns.

 

 

 

  

 

 

 

Bei den Herren war auffallend, dass der Ausdruck der Freude über den Einzug in das Halbfinale im Gegensatz zu früheren Jahren kleiner ausgefallen ist, selbst beim Endspieleinzug war der Jubel geringer als vor sechs Jahren in Qatar. Spürt die Mannschaft mehr denn je, dass ein Finaleinzug noch nicht alles gewesen sein muss?

 

 

Wir haben uns über den Halbfinal- und Finaleinzug auch in Moskau sehr gefreut, denn dies bleibt bei einer Weltmeisterschaft etwas Besonderes. Wir waren aber davon nicht überrascht, denn wir wissen um unsere Stärke. In Moskau hat man schon vor dem Finale gespürt, dass das Team sich noch mehr zutraut und noch mehr will. Diese Überzeugung bleibt sicher auch nach dem Finale in Moskau. Es lohnt sich, weiter anzugreifen.

 

 

 

 

 

 

Die Damen haben mit dem Halbfinaleinzug durch das 3:1 gegen Hongkong eine Sensation geschafft, die kaum geringer einzustufen ist als der Finalsieg Singapurs über China. Das war ein Ergebnis spielerischer Leistung, aber vor allem auch der mannschaftlichen Geschlossenheit, die größer wirkte denn je... 

 

 

Die Damen-Nationalmannschaft hat das Tal der Tränen durchschritten. Die positive Entwicklung, die auch bei den Europameisterschaften in Stuttgart wahrgenommen werden konnte, hat sich bei diesen Weltmeisterschaften noch deutlicher gezeigt. Die Mannschaft ist, wie im übrigen die gesamte Delegation des DTTB, in Moskau sehr geschlossen als echtes Team aufgetreten. Die Weltmeisterschaften haben eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig ein positives Miteinander für den Mannschaftserfolg ist.

 

 

 

 

 

Der Mut von Bundestrainer Jörg Bitzigeio, das Team Schritt für Schritt zu verjüngen und nach Moskau sogar den Teenager Sabine Winter mitzunehmen, hat sich bezahlt gemacht. Geht der Verjüngungsprozess nun noch weiter?

 

 

Der Damen-Bundestrainer hat nicht nur in Moskau vieles richtig gemacht, obwohl sich der erfolgreiche Einsatz von Sabine natürlich auch aus der Verletzung von Elke Schall zwangsläufig ergab. Sabine hat ihre Chance natürlich auf fantastische Weise genutzt. Wir haben mit der WM-Nominierung der beiden jungen Debütantinnen von Sabine Winter und Petrissa Solja gezeigt, dass die Damenmannschaft auch im Hinblick auf die Jahre nach en Olympischen Sommerspiele 2012 in London verjüngt und weiterentwickelt werden soll. Für diesen Prozess gibt es weitere Kandidatinnen, die nicht vor Ort in Moskau waren.

 

 

 

 

 

 

Die nächste Mannschafts-WM wird in zwei Jahren in Deutschland stattfinden Ist so ein Ergebnis für die nächste WM in Dortmund eine Belastung oder eher ein Ansporn?

 

 

Nicht nur die Experten wissen, dass man ein solches Ergebnis nicht bei jeder Weltmeisterschaft erwarten darf. Es ist aus gutem Grund, das beste Ergebnis des DTTB seit 1933 gewesen. Deshalb bewerte ich das Ergebnis nicht als besonders belastend, denn eine Weltmeisterschaft im eigenen Land ist als solche schon Belastung genug. Die Titelkämpfe in der russischen Hauptstadt sind vielmehr Bestätigung für die bisherige Arbeit und sollten Ansporn für die Zukunft sein. Dies übrigens nicht nur für die beiden Nationalmannschaften, sondern für den Leistungssport im DTTB generell. Bei den Weltmeisterschaften in Dortmund wollen wir wieder versuchen, mit den Herren eine Medaille - und mit den Damen den Einzug ins Viertelfinale zu schaffen. Mit dieser Zielsetzung sind wir in Moskau hervorragend gefahren.

 

 

 

 

 

 

 

Richard Prause, den Sie in Moskau mit dem gesamten Team sehr emotional verabschiedet haben, wird sein Amt nun an Rekordnationalspieler Jörg Roßkopf übergeben. Kann der Weltmeister von Dortmund 1989 schon 2012 in der Westfallenhalle erneut auf Goldmedaillenjagd gehen?

 

 

Mit Richard verlässt uns ein sehr kompetenter, engagierter, loyaler Bundestrainer, der zusammen mit Jörg Roßkopf im Trainerteam in den letzten Jahren sehr erfolgreich gearbeitet hat. Diese Lücke ist nicht leicht zu schließen, aber ich traue Rossi dies, unterstützt durch Zhu Xiaoyong und andere Trainer, zu. Unsere genannte Zielstellung für die WM in Dortmund schließt den Angriff auf die Chinesen und damit die Goldmedaillenjagd nicht aus. Wir haben durchaus noch Luft nach oben, müssen aber dabei unsere übrige, sehr ernsthafte Konkurrenz, vor allem aus Asien, die sich in den nächsten beiden Jahren auch weiterentwickeln wird, immer im Blick haben.

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