Chemnitz. Rein sportlich gesehen könnte es im Kampf um den Titel eine ähnliche Konstellation geben wie vor acht Jahren – zumindest im Herren-Einzel. Am 4. März 2007 standen sich im Finale Timo Boll und der damals 19-jährige Dimitrij Ovtcharov gegenüber. Boll gewann vor 2.000 Zuschauern in der Richard-Hartmann-Halle mit 4:2 und sicherte sich seinen achten von inzwischen insgesamt neun Einzel-Titeln. Nach seinem Endspiel-Triumph hatte Boll erklärt: "Ich habe zum ersten Mal gegen Dimitrij bei Deutschen Meisterschaften gespielt. Er ist ein spielstarker und unangenehmer Gegner und hat mich stark gefordert.“ Teenager Ovtcharov, der ein Jahr später in Peking die erste von drei Olympia-Medaillen gewinnen sollte, stellte seinerzeit fest: „Timo ist einfach unglaublich komplett und macht keine leichten Fehler."
Acht Jahre danach kann es die Wiederauflage des Finales in derselben Stadt geben, wobei die gereiften Nationalteamkollegen noch eine Rechnung mit dem jeweils anderen offen haben. Der Weltranglisten-Sechste Ovtcharov schnappte Rekord-Europameister Boll im vergangenen Jahr in Wetzlar den zehnten Deutschen-Meister-Titel weg. Für Ovtcharov war es in Wetzlar der langersehnte erste Triumph. Boll wiederum gewann das letzte große Duell der beiden, im Viertelfinale des World Cup in Düsseldorf 2014.
Boll: „Wenn ich mich an einen Tisch setze, habe ich auch Hunger“
„An das Finale 2007 kann ich mich noch sehr gut erinnern. Seitdem hat sich Dima unglaublich entwickelt. Aber ich bin immer noch da. Wenn ich mich an einen Tisch setze, habe ich auch Hunger“, sagt Boll. Gemeinsam mit Nicole Struse sowie den Legenden der 1950er- und 60er-Jahre, Eberhard Schöler und Conny Freundorfer, (alle neunmal Deutsche Meister) steht der Rekord-Europameister auf Platz eins der ewigen DM-Bestenliste. Der Familienvater könnte in Chemnitz die alleinige Spitze erklimmen. „Natürlich weiß ich, dass ich mit einem Sieg in Chemnitz zum Rekordtitelträger würde. Aber das ist für mich nicht bedeutend“, so Boll. Sein letzter Einzeltitel liegt bereits sechs Jahre zurück, 2009 in Bielefeld.
Titelverteidiger Ovtvcharov: „Mit Druck können wir umgehen“
Titelverteidiger Dimitrij Ovtcharov betont: „Ich freue mich immer, in Deutschland spielen zu können und werde deshalb versuchen, mich in guter Form zu präsentieren. Die Chance auf die Titelverteidigung sehe ich mehr als Motivation denn als Druck. Druck haben wir Spitzensportler immer und überall. Damit können wir umgehen.“ Der Olympia-Dritte von London im Einzel und Team gibt sich vor der DM 2015 zurückhaltend. „Seit unserem Finale 2007 sind acht Jahre vergangen, in denen viel passiert ist. Dass Timo und ich uns um die Spitzenposition in Deutschland duellieren, ist aber gleich geblieben. Ob es wieder zu einem Finale zwischen uns beiden kommt, muss man abwarten. Zuvor sind einige Runden zu spielen. Wir sollten uns nicht zu sicher sein, es gibt einige andere Spieler, die uns das Finale streitig machen wollen.“
Zu diesen Spielern dürften der Überraschungsmeister von 2013, Steffen Mengel (Bergneustadt), Patrick Franziska (Düsseldorf) oder auch Abwehr-Ass Ruwen Filus (Fulda-Maberzell) gehören. Der zweifache Champion Bastian Steger (Bremen) hat seinen Start am Mittwochmittag wegen einer Verletzung abgesagt (Zerrung linke Oberschenkel-Rückseite). „Ich werde erst langsam mit dem Trainingsaufbau beginnen und deshalb am Wochenende keinen Wettkampf bestreiten“, so Steger. Gespannt sein darf man auf das Abschneiden von Alexander Flemming sein. Der Student der Wirtschaftswissenschaften, der für den bayerischen Drittligisten Hilpoltstein spielt, ist als gebürtiger Leipziger so etwas wie der „Lokal“matador der Sachsen bei der DM. Schon zweimal war der 27-Jährige Deutscher Meister im Doppel. Und auch mit dem „Sandpapier“-Einheitsschläger kann Flemming sehr gut umgehen. Unlängst erreichte er bei der inoffiziellen „World Championship of Ping Pong” in London das WM-Finale. Für Steger rückt er bei der DM aus Quali-Gruppe 1 direkt ins Hauptfeld.
Shan Xiaona zum Dritten? / Ivancan fällt verletzt aus
2013 zum Ersten, 2014 zum Zweiten und 2015 zum Dritten? Shan Xiaona könnte ihre Mini-Serie fortführen und sich in Chemnitz zum dritten Mal die nationale Krone bei den Damen aufsetzen. Die Team-Europameisterin und German-Open-Siegerin rang 2014 im Finale von Wetzlar die Weltranglisten-Zehnte Han Ying in einem hochklassigen Angriff-Abwehr-Match mit 4:2 nieder. Ihre Nationalteamkolleginnen Han (Tarnobrzeg, Polen), Kristin Silbereisen (Siegerin 2010), Petrissa Solja (beide Berlin), Sabine Winter (Kolbermoor) sowie Wu Jiaduo (Metz/Frankreich) werden versuchen, Penholderspielerin Shan den Hattrick streitig zu machen. Aus den Reihen der prominenten Damen fehlt einzig Irene Ivancan (Istanbul/Türkei). Seit Monaten plagen den Abwehr-Crack Leistenbeschwerden, die Ivancan immer mal wieder zur Pause zwingen. „Es macht keinen Sinn bei den Deutschen zu spielen, wenn man nicht 100-prozentig fit ist“, sagt sie bedauernd.
Im Doppel sind die Kombinationen Bastian Steger/Lars Hielscher (Bremen/Mühlhausen) und Kristin Silbereisen/Shan Xiaona (Berlin) die Titelverteidiger in Chemnitz. Steger/Hielscher wurden gemeinsam schon viermal Deutsche Meister, Titel Nummer fünf muss nach der Absage Stegers aber nun auf sich warten lassen.
Wechsel in die Chemnitz Arena
Die 83. Auflage wird in diesem Jahr in der Chemnitz Arena (Messe) ausgetragen. 2007 war noch die Richard-Hartmann-Halle die Spielstätte der DM. „Dort gehen aber maximal 2.000 Zuschauer rein. Die Chemnitz Arena hat mit 3.500 eine deutlich größere Kapazität“, erklärt Thomas Neubert, Präsident des Sächsischen Tischtennis-Verbandes und DM-Organisationschef, den Umzug. „Wir sind eine starke Tischtennis-Region. Die Nachfrage ist da“, betont Neubert.
Tickets für alle drei Turniertage online und an der Tageskasse.
Am Freitag (6. März) ab 14 Uhr beginnt die DM 2015 mit den Vorrundenspielen, die in Gruppen ausgetragen werden. Die Top 16 der Damen und Herren greifen am Samstag ab 10 Uhr in den Wettbewerb ein und treffen auf die Besten aus der Vorrunde. Um 17.30 Uhr starten die Viertelfinals im Einzel und Doppel. Am Sonntag ab 10 Uhr werden die Halbfinals ausgetragen. Ab 14 Uhr finden dann auf dem Centrecourt - es steht nur noch ein Tisch in der Halle - nacheinander die vier Finalbegegnungen im Damen-Doppel, Herren-Einzel, Damen-Einzel und Herren-Doppel statt.
Die Gruppenvorrunde im Einzel am Freitag ist schon ausgelost. Die Auslosung der Hauptrunden im Einzel und Doppel ist am Freitagabend im Anschluss an die jeweils letzten Gruppenspiele der Damen und Herren vorgesehen.
Mitmachprogramm: „Tag der Schulen“ am Freitag, „Fun-Park“ am Freitag und Samstag
Nicht nur zugucken, sondern mitmachen – das ist das Motto bei Tischtennis-Großveranstaltungen in Deutschland. Am 6. März steht das Gymnasium Einsiedel (Niederwaldstraße 11, 09123 Chemnitz) im Mittelpunkt des „Tags der Schulen“. Ab 7.45 Uhr können die Schülerinnen und Schüler zunächst selbst das schnellste Rückschlagspiel der Welt testen, an normal großen und Mini-Tischen, sie können gegen einen Tischtennis-Roboter antreten oder das Tischtennis-Sportabzeichen absolvieren. Im Anschluss haben sie freien Eintritt zum Quali-Tag.
Für alle Zuschauer ist der „Fun-Park“ an den drei Turniertagen zum selbst Spielen geöffnet.