Helsingborg. Annett Kaufmann schreibt sich selbst in die Geschichtsbücher. In einem starken Spiel gewinnt sie das Finale der Jugend-WM gegen die Chinesin Zong Geman in Helsingborg und erreicht ihr Ziel: Goldmedaille.
Was für ein Jahr liegt hinter Annett Kaufmann: Die Abiturientin wurde 2024 bereits Deutsche Meisterin der Damen, avancierte zum Olympia-Liebling und trat vor heimischer Kulisse beim WTT Champions in Frankfurt auf. Nun reiht sich ergänzend zu diesen Erfolgen noch der Weltmeistertitel ein. Im Finale traf Kaufmann auf den neuen Shootingstar der Tischtennisnation China: Zong Geman hatte in Helsingborg bereits eine Goldmedaille im Doppel und im Mixed eingeheimst. Die 18-Jährige hatte aber mit ihren zwei Niederlagen gegen Park Gahyeon und Yoo Yerin auch maßgeblich Anteil daran, dass es im Team-Wettbewerb eine Bronzemedaille wurde. Die China-Bezwingerinnen aus Südkorea sicherten sich später gegen Taiwan die Weltmeisterschaft.
Im Spiel trat Kaufmann selbstbewusst auf, ging bereits im ersten Satz früh mit 6:1 in Führung und brachte ihn dann mit 11:4 nach Hause. Ihre Gegnerin schlief allerdings nicht, war wach, druckvoll und sicherte sich den zweiten Durchgang mit 11:9. Die spätere Weltmeisterin allerdings behielt über weite Strecken die Oberhand, platzierte ihre Bälle präzise. Auch ein zwischenzeitliches 2:2, zu dem die Kontrahentin aufholte, konnte daran nichts mehr ändern. Kaufmann verlängerte erst auf 3:2, dann folgte noch ein arbeitsintensiver Satz: Zweimal ging die Chinesin mit drei Punkten in Führung, zweimal glich die Deutsche wieder aus. Zong hatte schließlich sogar einen Satzball, den Kaufmann abwehrte und sich dann erst mit einem druckvollen Ball in die Rückhand, danach in blitzschnellen Ballwechseln zur Weltmeisterin krönte. Zuletzt war diese Sensation im Einzel vor 19 Jahren Patrick Baum gelungen, sie ist die erste weibliche Jugend-Weltmeisterin aus Deutschland. Welch Druck von Kaufmann abfiel, das sahen alle Zuschauerinnen ob vor Ort oder im Livestream direkt nach dem letzten Ballwechsel: "Ich kann es nicht glauben, das fühlt sich so surreal an", sagt die frisch gebackene Weltmeisterin. Das Spiel habe sie als sehr schwierig empfunden, Zong habe sehr gute Ballwechsel gespielt. In den Minuten und Stunden danach überwiegt nun die Dankbarkeit: "Ich bin sehr dankbar für alle Menschen, die mich hier vor Ort, aber auch zuhause und all die Jahre über unterstützt haben. Vielen Dank an Lara, die mich durch das ganze Turnier gecoacht hat. Danke an das ganze Team im Hintergrund, an meine Familie, an meine Sponsoren. Ohne deren Vertrauen wäre ich nicht hier."
Positives Fazit der Bundestrainerin
Auch Trainerin Lara Broich freut sich für ihre Spielerin sehr: "Natürlich hat sie sich selbst viel Druck gemacht, nachdem sie bei Olympia so unglaublich stark gespielt hat." Bei Rückständen - wie zum Beispiel im letzten Satz des Spiels - habe sie sich zurückgekämpft, sei auch bei Netz- und Kantenbällen positiv geblieben. "Ich möchte mich für die tolle Zusammenarbeit mit dem TTBW bedanken, insbesondere bei den Trainern Evelyn Simon, Sönke Geil und Krisztian Nagy (ACE) – und natürlich auch bei Damen-Bundestrainerin Tamara Boroš. Hinzu kommt der Dank an die Eltern von allen Spielern ohne deren Unterstützung das alles nicht möglich wäre. Und schließlich der Dank an alle, die im Hintergrund gewirkt haben und hier im Team vor Ort waren, wie Physiotherapeutin Birgit Schmidt, die sich nicht nur um die körperlichen Angelegenheiten gekümmert hat, sondern auch eine Ansprechpartnerin war.“
Bronze für Itagaki und Griesel
Früher am Tag hatte es zwischenzeitlich sogar so ausgesehen, als ob sich Tischtennis-Deutschland auf ein deutsches Finale bei der Jugend-WM freuen dürfte. Annett Kaufmann war bereits auf der Siegesstraße gegen die Ägypterin Hana Goda, während Mia Griesel am Nebentisch 2:1 gegen Zong führte. Nach den Spielen stand dann aber fest: Kaufmann im Endspiel gegen Zong, Griesel mit Bronze. Hana Goda und ihre Halbfinalgegnerin Kaufmann waren sich auf internationaler Bühne bereits mehrfach begegnet, die Statistik wies bis heute einen Wert von 3:0 für Kaufmann aus. "Es wird ein 50:50-Spiel", meinte die junge Deutsche gestern. Denn Goda habe sich laut ihr deutlich verbessert. Und tatsächlich setzte die Ägypterin ihrer Kontrahentin einiges entgegen, ging in den ersten drei Sätzen jeweils in Führung, bevor Kaufmann aufholte. Den vierten Satz gewann Goda sogar 11:5, da war es klar, dass auch der Rest der Wegstrecke kein Zuckerschlecken werden dürfte. Im fünften Satz hatte die Kontrahentin beim Stand von 10:9 einen Satzball, Kaufmann ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen und drehte auf 12:10.
Griesel überzeugt durch hohes Niveau
Zong Geman allerdings hatte sich dann doch mit 4:2 gegen Teamkollegin Mia Griesel nochmal mit 4:2 durchgesetzt. Auch dieses Spiel war an Spannung kaum zu überbieten, die beiden lieferten sich ein Duell auf Augenhöhe. Im vierten Satz holte die Niedersächsin Griesel einen 0:7-Rückstand fast wieder auf, im fünften und sechsten Satz lag sie über weite Strecken dann sogar in Führung. Für die notwendigen elf Punkte reichte es aber in keinem der drei Sätze mehr, Griesel erhält damit ihre erste Einzelmedaille bei einer WM: Im Doppel war sie bereits 2021 und 2022 mit Silber und Bronze erfolgreich gewesen, im Mixed stehen zwei Bronzemedaillen an der Seite von Andre Bertelsmeier und Milosz Redzimski zu Buche. Mit etwas Abstand zum Halbfinalmatch resümiert das 18-jährige Talent: "Ich hatte das Gefühl, dass mehr drin war", erzählt sie. Mit dem Turnierverlauf ist sie zufrieden: "Nach dem Team-Wettbewerb konnte ich mich noch etwas steigern und bin super happy." Das ist eine Einschätzung, wie sie auch Bundestrainerin Lara bestätigt: "Mia hat im Einzel-Wettbewerb komplett durchgängig auf hohem Niveau gespielt, ich habe sie noch nie so gut spielen sehen – auch über so viele Spiele und so starke Gegnerinnen hinweg. Ich möchte mich für die gute Zusammenarbeit mit dem TTVN und besonders Christiane Praedel bedanken."
U15 hat "Erwartungen übertroffen"
In der Altersklasse U15 war für Koharu Itagaki sowohl im Team-Wettbewerb wie auch im Einzel nun im Halbfinale jeweils gegen China Schluss. Die 14-jährige Spielerin des TSV Dachau hatte in ihrem WM-Lauf starke Spielerinnen hinter sich gelassen: Nach einem klaren 4:0-Sieg gegen die Usbekin Azel Erkebaeva folgten ein weiterer 4:0-Sieg gegen Loy Ming Ning aus Singapur und gestern der 4:1-Triumph über die Taiwanesin Wu Ying-syuan. Der Gewinn der Bronzemedaille stand dank des Einzugs ins Halbfinale bereits fest und Itagaki lieferte sich ein Match auf Augenhöhe mit der 15-jährigen Hu Yi. Bereits im ersten Satz spielten sich beide in die Verlängerung, dort behielt die asiatische Konkurrentin noch die Oberhand. Im zweiten Satz ging die Team-Europameisterin schnell in Führung, ließ sich den Satz nicht mehr streitig mahen. Anschließend ging es immer wieder zwischen den beiden jungen Akteurinnen hin und her, erst gewann Hu, dann wieder Itagaki - und das durchaus imposant. Im vierten Satz wehrte sie beim Stand von 6:10 mehrere Satzbälle ab, gewann schließlich 12:10. Die letzten beiden Sätze zugunsten von Hu besiegelten den Lauf durch die K.-o.-Runde. Die Chinesin trifft im Finale am Nachmittag nun auf ihre Teamkollegin Yao Ruixuan, die gestern 4:0 gegen Josephina Neumann gewonnen hatte. "Koharu hat ein wahnsinnig gutes Spiel gespielt", diagnostiziert U15-Bundestrainerin Jie Schöpp in Anschluss. Ihr Schützling sei technisch auf einem hohen Niveau gewesen, das sie bisher noch nie erreicht habe, die Verbesserung während der WM sei klar ersichtlich. Über die Ausbeute bei der WM sind Schöpp und ihr Team glücklich: "Zwei Bronzemedaillen, das hat meine Erwartung übertroffen", meint sie.
Bevor nun morgen die Rückreise ansteht, wird der Triumph erst einmal genossen. Das Trainerteam ist mit der Ausbeute der Jugend-WM sehr zufrieden. Lara Broich ergänzt die Einschätzung von Jie Schöpp: "Es war eine sehr gelungene WM für die U19-Mädels. Natürlich wäre der Team-Wettbewerb noch das I-Tüpfelchen gewesen, aber dennoch war das aller Ehren wert, wie sich die Mannschaft hier präsentiert hat – auch im Viertelfinale gegen Taiwan. Chapeau an Annett, dass sie es nun zur Weltmeisterin geschafft hat."
Medaillen-Statistik
Deutschland hat bei den seit 2003 erstmals ausgetragenen Welttitelkämpfen der Jugend bislang insgesamt 35 Mal Edelmetall gewonnen. Zwei Mal Gold durch Annett Kaufmann und Patrick Baum (2005) im Einzel, fünf Mal Silber und 28 Mal Bronze. Die Jugend-15-Wettbewerbe wurden 2021 eingeführt.
Einzelmedaillen gewannen außer Kaufmann (Gold 2024, Bronze 2023), Griesel und Itagaki (beide Bronze 2024) Patrick Baum (Gold 2005), Petrissa Solja (Bronze 2012), Amelie Solja (Silber 2008, Bronze 2007) und Dimitrij Ovtcharov (2006 Bronze).
Die Spiele am Freitag (u.a.)
Mädchen-Einzel, Halbfinale
Koharu Itagaki - Hu Yi CHN 2:4 (-11,8,-7,10,-6,-6)
Yao Ruixuan CHN - Chen Min-Hsin TPE 4:1 (4,3,6,-8,7)
Finale
Yao Ruixuan - Hu Yi, 16.15 Uhr, Tisch 1
Mädchen-Einzel, Halbfinale
Annett Kaufmann - Hana Goda 4:1 (7,10,7,-5,10)
Mia Griesel - Zong Geman CHN 2:4 (-8,9,4,-8,-9,-8)
Finale
Annett Kaufmann - Zong Geman, 4:2 (4,-9,6,-8,6.10)
Das DTTB-Aufgebot bei der Jugend-WM in Helsingborg (22. bis 29.11.)
U19, Mädchen
Team: Mia Griesel (ttc berlin eastside), Eireen Kalaitzidou (TuS Uentrop), Annett Kaufmann (SV DJK Kolbermoor), Lorena Morsch (TSV Langstadt)
Einzel: Annett Kaufmann, Mia Griesel
Doppel: Annett Kaufmann/Anna Hursey WAL, Mia Griesel/Mariam Younes EGY
U19, Jungen
Einzel: Andre Bertelsmeier (1. FC Köln)
Doppel: Andre Bertelsmeier/Amirmahdi Keshavarzi IRI
U19, Mixed
Andre Bertelsmeier/Mia Griesel
U15, Mädchen
Team: Koharu Itagaki (Einzelspielbetrieb: TSV Bad Königshofen/Mannschaftsspielbetrieb: TSV Dachau), Josephina Neumann (TV Okarben/ttc berlin eastside), Elisa Nguyen (TTV Ettlingen/DJK Sportbund Stuttgart), Lisa Wang (1. FC Saarbrücken-TT/TTK Anröchte)
Einzel: Koharu Itagaki, Josephina Neumann
Doppel: Koharu Itagaki/Josephina Neumann
U15, Mixed
Josephina Neumann/Steven Moreno PUR, Koharu Itagaki/Samuel Michna POL
Betreuer
Lara Broich (Bundestrainerin Nachwuchskader 1, U19), Jie Schöpp (Bundestrainerin Nachwuchskader 2, U15), Dustin Gesinghaus (Bundestrainer Nachwuchskader 1, U19), Tamara Boros (Damen-Bundestrainerin)
Physiotherapeutinnen
Birgit Schmidt (OSP Hessen)
Vertreter des Präsidiums
Ralf Tresselt (DTTB-Vizepräsident Jugend)