Tokio. Eigentlich sollte er längst alles erlebt haben, was es im Tischtennissport gibt. Daher weiß Jörg Roßkopf, dass trotz seiner jahrzehntelangen Tischtennis-Erfahrung als Spieler und Coach immer irgendetwas hinzukommt. Im Interview erzählt er unter anderem, wie neben Dimitrij Ovtcharovs Familie auch das deutsche Nationalteam ihn in den dunklen Stunden nach der Halbfinal-Niederlage gegen Ma Long wieder aufgebaut hat.
Wie hast du das Bronze-Match an der Box erlebt?
Jörg Roßkopf: Das war wieder ein Wahnsinnsspiel. Es war für beide Spieler heute schwer, in dieses Spiel zu gehen. Dima ist gut ins Spiel gekommen, aber dann war es ein Match auf Augenhöhe. Es hätte ein mentales Problem werden können, wenn der erste Satz verloren gegangen wäre. Das war ein ganz wichtiger Satz für Dima, um auch in den Rhythmus zu bekommen. Lin hat ein Wahnsinnsturnier gespielt und ist vielleicht der Spieler mit der besten Form hier bei dem Turnier. Und er wird von Tag zu Tag besser.
Was war der ausschlaggende Punkt für Dimas Sieg?
Roßkopf: Lin hat bei einem Matchball eine gute Chance liegen lassen, und danach ist es für Dima in die richtige Richtung gelaufen.
Nur 26 Stunden nach der bitteren Halbfinal-Niederlage gegen Ma Long ging es um Bronze. Wie waren diese Stunden für euch?
Roßkopf: Dima ist dafür bekannt, dass er immer weiterkämpft. Er weiß auch, was er für eine Mannschaft hat. Wir haben ihn aufgebaut. Im Endeffekt habe ich mit ihm kurz gesprochen. Ich habe ihm gesagt, seine Tochter wünscht sich von ihm, dass er ihr irgendwas mitbringt – am besten eine Medaille. Ich habe zu ihm gesagt, gewinne dieses Spiel für deine Familie, die da auch viel investiert hat. Ansonsten habe ich ihn in Ruhe gelassen. Ich habe das selbst erlebt 1996. Ich weiß, wie schwierig das ist. Am nächsten Morgen kam er mit viel Energie zu uns und sagte, er ist bereit. Die Situation war gestern schwer. Er hat das unglaublich gelöst und bekommt jetzt einen Tag frei. Dann geht es mit dem Team weiter.
Wie sehr hat euch aus dem Konzept gebracht, dass ihr heute Vormittag nicht im Tokyo Metropolitan Gymnasium trainieren konntet, weil die Halle nicht geöffnet war?
Roßkopf: Wir haben das noch nie erlebt, dass bei einem olympischen Turnier eine Halle abgeschlossen wird. Die Chinesen waren erschüttert, als ich ihnen das gestern Nacht erzählt habe. Aber das war für alle gleich. Dima hat das gut gesagt: ‚Wir können uns jetzt nicht über so etwas aufregen. Wir müssen damit umgehen.‘ Benedikt Duda ist dann in die Trainingshalle gefahren und hat seinen Schläger eine Stunde eingespielt. Das sieht man auch, wie gut die Mannschaft funktioniert.
Wie wichtig ist die Medaille für den Teamwettbewerb, der am Sonntag beginnt?
Roßkopf: Wir hatten es jetzt auch endlich mal verdient. Wir haben sehr gut gespielt. Es wäre extrem bitter gewesen, ohne Medaille aus den drei Wettbewerben zu gehen. Das brauchen wir für den Mannschaftswettbewerb.
Aber wir haben eine schwere Auslosung. Es sind alle vier Spieler gefordert, das Maximum zu geben. Dima bekommt einen Tag frei. Die anderen Jungs trainieren. Die Halle ist ja morgen mal offen. Wir wissen, dass wir am Sonntag ab 19.30 Uhr einen absoluten Kampf leisten müssen.
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Herren-Team: Dimitrij Ovtcharov (Fakel Gazprom Orenburg, Russland), Timo Boll (Borussia Düsseldorf), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT), Ergänzungsspieler: Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt)
Damen-Team: Petrissa Solja (TSV Langstadt), Han Ying (KTS Enea Siarka Tarnobrzeg, Polen), Shan Xiaona (ttc berlin eastside), Ergänzungsspielerin: Nina Mittelham (ttc berlin eastside)
Herren-Einzel: Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll
Damen-Einzel: Petrissa Solja, Han Ying
Gemischtes Doppel: Patrick Franziska/Petrissa Solja
Teilmannschaftsleiter: Richard Prause (Sportdirektor)
Trainer-Team: Jörg Roßkopf (Bundestrainer Herren), Jie Schöpp (Bundestrainerin Damen), Lars Hielscher (Assistenztrainer)
Physiotherapeut: Peter Heckert (OSP Hessen)
Arzt: Dr. Antonius Kass (Düsseldorf)
Schiedsrichterin: Anja Gersdorf (Düsseldorf)
Öffentlichkeitsarbeit: Benedikt Probst (Frankfurt/Main)