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Bundestrainer Jörg Roßkopf (Foto: MS)
Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf würde seine Spieler gerne besser vorbereitet zu den Topevents schicken / Finalisten stehen fest

Singapore Smash: "Darf nicht nur eine Jagd nach Punkten mit Blick auf die Rangliste sein"

MS 18.03.2023

Frankfurt/Singapur. Der Singapore Smash geht am Sonntag mit den Endspielen im Einzelwettbewerb zu Ende, die das Reich der Mitte einmal mehr alleine unter seinen besten Athleten ausmacht: Bei den Damen trifft die Weltranglistenerste Sun Yingsha auf Qian Tianyi; bei den Herren stehen sich Weltmeister Fan Zhendong und Olympiasieger Ma Long, gestern Bezwinger von Europameister Dang Qiu, gegenüber.

Für Deutschland endete das erste Topevent des Jahres auf der Weltbühne diesmal spätestens im Viertelfinale. Zwei Monate vor den Weltmeisterschaften in Durban (20. bis 28. Mai) bilanziert Bundestrainer Jörg Roßkopf das Abschneiden seiner Athleten. Der Doppel-Weltmeister von 1989 sieht Notwendigkeiten für Verbesserungen auf vielen Ebenen.

Jörg Roßkopf, mit dem Singapore Smash ist das erste WTT-Top-Event des Jahres vorüber. Die erfreuliche Komponente im Herren-Bereich ist das gute Abschneiden von Europameister Dang Qiu. Frühe Niederlagen wie die von Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska dürften Ihnen als Bundestrainer hingegen weniger gefallen haben. Wie lautet Ihr Fazit nach dem ersten großen Turnier des Jahres?
Dang Qiu hat eine starke Leistung gezeigt. Er war in der ersten Runde überaus souverän, hat dann den bis dahin wie in einem Rausch spielenden Franzosen Felix Lebrun gestoppt und nur gegen einen Ma Long verloren, den ich nie besser gesehen habe. Dennoch: Wenn wir unser Abscheiden nur an einer Person festmachen und so viele frühe Niederlagen einstecken müssen, dann schmeckt mir das als Bundestrainer natürlich gar nicht. Alles andere, auch im Doppel und Mixed, war nicht so, wir uns das im Trainerteam vorgestellt haben. Beispielsweise die Niederlagen von Dima Ovtcharov und Patrick Franziska, die aufgrund von zuletzt vielen Verpflichtungen in einer nicht so guten Grundverfassung angereist sind. Das Ausscheiden von Benedikt Duda gegen Ma Long und der bis kurz vor dem Turnier angeschlagenen Spieler Ruwen Filus und Kilian Ort ist erklärlich. Kilian hat sich als Ersatz für Timo sogar sehr ordentlich präsentiert.

Apropos Timo Boll: Er ist wegen einer Schulterverletzung nicht nach Singapur gereist. Wie geht es ihm aktuell, ist er bald wieder fit?
Timo laboriert immer noch an seiner Schulterverletzung. Es ist mit ihm besprochen, dass er die erst einmal komplett auskuriert. Ich habe mit ihm noch von Singapur aus lange telefoniert. Er ist auf einem guten Weg und möchte gerne die nächsten WTT Champions-Turniere und die WM spielen.

Sie sprechen die WM an: Nach Singapur ist vor Durban. Vom 20. bis zum 28. Mai wird die WM in Südafrika ausgetragen. Haben Sie Ihre WM-Nominierung bereits im Kopf?
Die Nominierung hat das Trainerteam für den Herrenbereich komplett im Kopf. Aus unserer Sicht gibt es hinter keinem der Kandidaten ein Fragezeichen. Wir müssen intern lediglich noch entscheiden, wann wir die Nominierung bekanntgeben werden.

In den ersten zehn Wochen des Jahres standen ein Grand Smash, drei Contender, ein Star Contender und vier Feeder-Turniere im WTT-Terminkalender, ergänzt vom Europe Top 16. Vor der WM folgen noch zwei WTT Champions-Turniere in China und Macao sowie ein Star Contender in Bangkok. Ganz nebenbei haben die Spieler zudem ihre Verpflichtungen in der Bundesliga und in der Champions League zu absolvieren. Wie schwierig ist das?
Extrem schwierig! Für uns als Trainer, aber auch für die Spieler. Es sind meistens Turniere, zu denen man nicht einfach nur mal eben kurz hinfliegt. Der Aufwand, die Reise und das Turnier reduzieren dann schon einmal das Training. Erschwerend kommt für die Spieler hinzu, dass immer wieder die Umstellung auf neue Tische erfolgen muss. Der Laie muss sich das ähnlich wie im Tennis vorstellen, wo es ganz langsame und ganz schnelle Plätze gibt. Jede Umstellung ist so ähnlich wie von der Asche in Roland Garros auf den Rasen in Wimbledon und umgekehrt. Mit dem Unterschied, dass im Tennis immer ganze Serien an Wochen und Monaten auf einem Belag gespielt werden. Bei uns wechselt das aber fast täglich. Auf dem absoluten Topniveau ist es schwierig, ständig neu zu adaptieren. Zusammen mit den vielen Reisen entsteht eine Situation, in der wir bald einmal die Reißleine ziehen müssen: Die Spieler sollten meines Erachtens nur dann auch zu einem Turnier fahren, wenn sie in jeder Hinsicht entsprechend gut vorbereitet sind.

Ist dieser Wunsch denn realisierbar – und sehen Sie als Bundestrainer ihre Spieler überhaupt noch im Training?
Wir müssen hier natürlich auch an die Eigenverantwortlichkeit der Spieler appellieren. Sie tun sich sicherlich keinen Gefallen damit, wenn sie krank, verletzt, müde oder nicht in Topform zu einem Turnier anreisen. Ich hoffe, dass die Spieler da künftig mehr in sich hinein hören. Es darf nicht nur eine Jagd nach Punkten mit Blick auf die Rangliste sein. Sie müssen auch an ihre Entwicklung denken. Aktuell sehe ich keine gute Entwicklung, das habe ich den Athleten auf unserer traditionellen Besprechung zu Beginn des Jahres auch mitgeteilt. Wir brauchen unbedingt wieder längere Trainingsphasen, um die großen Ziele an denen wir arbeiten, auch erreichen zu können. Konzentrierte Vorbereitung und längere Trainingsphasen waren immer unser enormes Plus. Jetzt weiß ich gar nicht mehr, wann wir zuletzt einen Lehrgang hatten, an dem alle Spieler an Bord waren und wir einmal vier Tage an einem Stück konzentriert arbeiten konnten. Vor der WM in Durban bekommen wir gerade einmal einen Lehrgang hin, das ist eine Katastrophe. Es wird eine Kunst sein, einen Plan zu entwickeln, bei den großen Turnieren erfolgreich zu sein, ohne uns durch zu viele andere Turnierteilnahmen die Form kaputt machen zu lassen.

Teilnahmen am Grand Smash wie in Singapur und an den Champions-Turnieren sind für die Topathleten verpflichtend. 2023 werden immer noch Turniere kurzfristig in den Terminkalender aufgenommen, das hat zuletzt auch die Planungen der TTBL über den Haufen geworfen, weil sie aufgrund der Teilnahmeverpflichtungen vieler Spieler zu kurzfristigen Verlegungen gezwungen war. Kann das auf Dauer gutgehen?
Ich bin optimistisch, dass dies Ausnahmen bleiben. Ich hoffe sehr, dass WTT und ITTF in Abstimmung mit der ETTU und den wichtigen nationalen Ligen in der Welt frühzeitig einen guten und gesunden Terminplan für das Jahr 2024 entwickeln, in den keine Turniere mehr nachgeschoben werden. Glücklicherweise gibt es viele Gespräche und Ansätze, auch von Seiten von WTT, um kurzfriste Turnieransetzungen, wie sie durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie teilweise notwendig geworden waren, künftig zu verbessern und wieder klar zu strukturieren. Die WTT-Topturniere, wie jetzt der Grand Smash in Singapur, sind eine insgesamt gute Entwicklung zur Modernisierung des Sports. Aber man darf eben auch die Entwicklung des Sports und der Spieler nicht aus den Augen verlieren. Auch für mich steht seit jeher die bestmögliche Vermarktung unseres Sports steht an erster Stelle, aber dazu gehört eben auch die bestmögliche Vorbereitung der Spieler. Ich finde, man kann deutlich erkennen, dass das Niveau der Ballwechsel im Moment nicht auf dem allerhöchsten ist, das wir beispielsweise in Tokio bei den Olympischen Spielen hatten. Das Grundniveau insgesamt, nicht nur in Deutschland, ist meines Erachtens momentan etwas niedriger als es schon einmal war. Das ist eine Entwicklung, die man als Trainer nicht gutheißen kann.

Die Weltmeisterschaft in Durban ist der nächste Höhepunkt, aber Sie haben sicherlich auch schon die Olympischen Spiele in Paris 2024 im Hinterkopf. Worauf kommt es an, damit Deutschland auch diesmal bei den Highlight-Veranstaltungen in Südafrika und Frankreich mit starken Mannschaften erfolgreich sein kann?
Für einige Zeit fokussiert sich jetzt alles auf die WM. Wir hoffen, dass unsere Spieler bis Durban zumindest etwas in Ruhe trainieren können, um dann in bestmöglicher Form zu sein. Alle unsere Entscheidungen, auch die in Richtung WM, sind immer auch im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen zu sehen. Wir wollen es schaffen, 2024 in Paris mit der gesamten deutschen Mannschaft wieder ähnlich fantastisch und erfolgreich aufzutreten, wie uns das in Tokio gelungen. Dort wird der Kreis der Nominierten notgedrungen kleiner sein als bei einer WM. Jeder Spieler hat seine Chance und kann sich bis dahin in Stellung bringen, vielleicht ja sogar durch entsprechende Ergebnisse in Durban.

Singapore Smash: Die Ergebnisse der Halbfinalspiele (18. März)

Herren-Einzel, Halbfinale
Fan Zhendong CHN - Wang Chuqin CHN 4:1 (6,11,6,-9,5)
Ma Long CHN - Hugo Calderano BRA 4:1 (6,6,4,-8,8)

Damen-Einzel, Halbfinale
Sun Yingsha CHN - Wang Manyu CHN 4:0 (4,8,7,8)
Qian Tianyi CHN - Zhang Rui CHN 4:1 (7,-10,8,8,5)

Links

WTT Singapore Smash (7. bis 19. März)
Das Aufgebot des DTTB

Herren: Dimitrij Ovtcharov (TTC Neu-Ulm), Dang Qiu (Borussia Düsseldorf), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT), Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt), Ruwen Filus (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell), Kilian Ort (TSV Bad Königshofen). Qualifikation: Kay Stumper (Borussia Düsseldorf)
Damen: Ying Han (KTS Tarnobrzeg, Polen), Nina Mittelham (ttc berlin eastside), Xiaona Shan (ttc berlin eastside), Sabine Winter (TSV Schwabhausen). Qualifikation: Annett Kaufmann (SV Böblingen), Yuan Wan (TTC Weinheim)
Herren-Doppel: Benedikt Duda/Dang Qiu
Damen-Doppel: Nina Mittelham/Sabine Winter, Xiaona Shan/Miyu Nagasaki JPN
Mixed: Nina Mittelham/Dang Qiu
Trainer: Jörg Roßkopf (Herren-Bundestrainer, Lars Hielscher (DTTB-Cheftrainer Düsseldorf),Tamara Boros (Damen-Bundestrainerin), Elke Schall-Süß (DTTB Honorartrainerin)
Physiotherapeut: Peter Heckert (Olympiastützpunkt Hessen)
Schiedsrichter: Christoph Geiger

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