Tokio. Das Wunder von Tokio ist ausgeblieben. Deutschlands Damen mussten sich im Halbfinale des olympischen Mannschaftswettbewerbs Titelverteidiger und Topfavorit China mit 0:3 geschlagen geben. Am Donnerstag um 4 Uhr MESZ geht es für das Team von Bundestrainerin Jie Schöpp gegen Hongkong um Bronze, das am Vortag Olympia-Gastgeber Japan ebenfalls mit 0:3 unterlegen war. Das Spiel um Gold zwischen China und den an Position zwei gesetzten Japanerinnen ist am Donnerstag um 12.30 Uhr.
"Dieses 0:3 ist kein Beinbruch", erklärte die Bundestrainerin. "Wir haben versucht, in diesem Match unsere Form zu steigern, und das haben wir geschafft. Das war eine sehr gute Vorbereitung für morgen." In Rio hatte es im Viertelfinale ein 3:1 von Petrissa Solja, Han Ying und Shan Xiaona gegen das Hongkonger Team gegeben, aus dem mit Doo Hoi Kem und Lee Ho Ching zwei der drei Spielerinnen von damals auch in Tokio vertreten sind. "Wir haben sie in Rio geschlagen, und wir wollen sie noch mal schlagen", so Jie Schöpp. "Die Chancen stehen gut, wenn wir wieder unsere beste Leistung abrufen."
Solja glänzt gegen die Olympiasiegerin
Aus der guten Gesamtleistung der deutschen Frauen stach zusätzlich Petrissa Solja hervor. Die zweifache Europameisterin von Warschau brachte mit einer Glanzleistung die Weltranglistenerste Chen Meng, die nie in ihr typisches Powerplay fand, in Bedrängnis. Solja sicherte sich Satz eins mit 11:5. Nach klar verlorenem zweiten Durchgang blieb die World-Cup-Dritte von 2015 nicht nur dran, sondern ging mit zwischenzeitlich 7:5 in Führung.
Die Einzel-Olympiasiegerin von Tokio und WM-Finalistin von 2019 hatte bis zuletzt Probleme mit Soljas Rückhand-Aufschlägen und rotationsreichen Topspins aus Vor- wie Rückhand. In Durchgang vier hatte Solja nach einem 7:3 beim Stand von 11:10 einen Satzball, nachdem sie den ersten Matchball ihrer Kontrahentin bei 9:10 hatte abwehren können. Doch am Ende war es Chen, die jubelte. "Chen Meng hat sich schwergetan gegen Peti. Es war unser Ziel, das zu sehen. Durch dieses Spiel wird 'Peti' mehr Sicherheit bekommen", so Bundestrainerin Schöpp.
"Ich bin super zufrieden mit dem Spiel heute. Das war noch mal eine richtige Steigerung gegenüber den Spielen vorher", freute ich "Peti" Solja. "Ich bin jetzt auch im Einzel und gegen die asiatische Spielweise viel besser im Rhythmus." Gegen Chen, deren Spielweise Solja entgegenkommt und gegen die sie bei den ITTF Grand Finals 2020 bereits mit 2:0 in Satzführung gelegen hatte, seien die Anforderungen extrem. "Ich muss gegen sie jeden Ball super spielen, weil sie mich sonst unter Druck setzt. Wenn ich einen Ball schlecht zurückspiele, schlägt es ein", beschrieb Solja. "Wenn ich meine riskanten Bälle treffe, ist es die Führung, sobald ich zu einfach spiele, kommt sie wieder heran. Daher gehen solche Führungen oft weg. Am Ende hatte sie die besseren Antworten."
Bronze-Ambitionen vor dem Spiel gegen Hongkong dick unterstrichen
In den beiden vorangegangenen Partien waren es nur die ganz kleinen Chancen, die das an Position eins gesetzte Reich der Mitte den Deutschen am frühen Mittwochmorgen im Tokyo Metropolitan Gymnasium ließ. Im ersten Satz des Auftakt-Doppels etwa, als Petrissa Solja/Shan Xiaona das Match gegen Chen Meng/Wang Manyu, die German-Open-Siegerinnen von Magdeburg 2020, bis zum 9:9 offen gestalten konnten. Oder Han Ying in der Neuauflage des Einzel-Viertelfinals gegen Sun Yingsha, die jeweils bis zur Mitte aller drei Durchgänge gut mithalten konnte und die gut platzierende 20-jährige Weltranglistendritte mit Angriffsbällen, Blocks und Gegenschüssen überraschte. Das gelang ihr beim Stand von 6:10 in Satz drei sogar so gut mit Schüssen in Suns weite Vorhand, dass sich Chinas Damen-Nationaltrainer Li Sun bei 9:10 zu einer Auszeit genötigt sah – die Wirkung zeigte. "Sie kann einfach alles", konstatierte Deutschlands Abwehrchefin. "Ich habe die ganze Zeit nach einem Loch gesucht. Das habe ich leider erst bei 6:10 gefunden; ein bisschen spät. Sie ist wirklich gut. Die Niederlage muss man akzeptieren."
Die Damen haben mit dieser Leistung vor dem Spiel um Bronze gegen Hongkong gezeigt, was sie in Tokio erreichen wollen: nach dem sensationellen Silber von Rio das zweite Edelmetall für Deutschlands Frauen in der Olympia-Historie. "Die Medaille vor fünf Jahren ist jetzt nicht in unserem Kopf. Wir kämpfen hier um eine neue Medaille", stellte Han Ying klar und erklärte die mentale Marschroute gegen Hongkong: "Wir müssen mit schwierigen Situationen in diesem Spiel rechnen und dürfen nur Punkt für Punkt spielen. Am besten denken wir gar nicht daran, dass es ein Spiel um die Medaille ist, sondern spielen, als wäre es das Viertelfinale oder Halbfinale."
Um 12.30 Uhr geht es für die deutschen Herren gegen Japan ebenfalls um den Einzug ins Endspiel. Titelverteidiger China steht ab 7.30 Uhr Südkorea gegenüber.
Damen-Mannschaft, Halbfinale
Deutschland – China 0:3
Petrissa Solja/Shan Xiaona - Chen Meng/Wang Manyu 0:3 (-9,-2,-4)
Han Ying - Sun Yingsha 0:3 (-6,-4,-9)
Petrissa Solja - Chen Meng 1:3 (5,-4,-9,-11)
Japan – Hongkong 3:0
Kasumi Ishikawa/Miu Hirano - Soo Wai Minnie/Lee Ho Ching 3:0 (7,2,8)
Mima Ito - Doo Hoi Kem 3:1 (9,-9,1,7)
Miu Hirano - Lee Ho Ching 3:0 (10,7,3)
Spiel um Bronze am Donnerstag um 4 Uhr
Deutschland - Hongkong
Spiel um Gold am Donnerstag um 12.30 Uhr
China - Japan
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Herren-Team: Dimitrij Ovtcharov (Fakel Gazprom Orenburg, Russland), Timo Boll (Borussia Düsseldorf), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT), Ergänzungsspieler: Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt)
Damen-Team: Petrissa Solja (TSV Langstadt), Han Ying (KTS Enea Siarka Tarnobrzeg, Polen), Shan Xiaona (ttc berlin eastside), Ergänzungsspielerin: Nina Mittelham (ttc berlin eastside)
Herren-Einzel: Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll
Damen-Einzel: Petrissa Solja, Han Ying
Gemischtes Doppel: Patrick Franziska/Petrissa Solja
Teilmannschaftsleiter: Richard Prause (Sportdirektor)
Trainer-Team: Jörg Roßkopf (Bundestrainer Herren), Jie Schöpp (Bundestrainerin Damen), Lars Hielscher (Assistenztrainer)
Physiotherapeut: Peter Heckert (OSP Hessen)
Arzt: Dr. Antonius Kass (Düsseldorf)
Schiedsrichterin: Anja Gersdorf (Düsseldorf)
Öffentlichkeitsarbeit: Benedikt Probst (Frankfurt/Main)