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Stabilisation als Kernerlement seiner Reha: Steffen Mengel (Foto: privat)
Bandscheiben-OP gelungen, Reha läuft, nur sich zu bremsen fällt ihm schwer

Steffen Mengel: „Werde mich zurückkämpfen“

SH 01.06.2018

Düsseldorf. 1,95 Meter, 88 Kilo, ein Kraftpaket – Steffen Mengel ist ein Modellathlet. Ein Athlet jedoch, der seit Monaten außer Gefecht ist. Ein Bandscheibenvorfall stoppt seine Karriere im Moment. Nachdem er „viel zu lange damit herumgemacht“ hatte, entschied sich der 29-jährige Deutsche Einzelmeister von 2013 schließlich für eine Operation. Anfang April kam er in der Schön-Klink in München-Harlaching unters Messer und befindet sich gerade in der Reha und am Beginn des Wegs zurück in den Leistungssport.

Eine Operation ist bei Bandscheibenvorfällen heutzutage nicht mehr das erste Mittel der Wahl. „Bei meinem Bandscheibenvorfall ist aber Gewebe ausgetreten und hat auf den Nerv gedrückt. Der Nerv lag ungünstig und konnte nicht, wie das bei vielen anderen ist, ausweichen. Also hatte ich die ganze Zeit Druck drauf. Die Operation war die beste Lösung“, erklärt der WM-Zweite mit der Mannschaft von 2014, warum es bei ihm anders laufen musste. Mengel ist längst Fachmann für seinen Körper. Auszug der Leidensgeschichte: 2008 hatte er seinen ersten Bandscheibenvorfall, der aber früh erkannt und konservativ behandelt werden konnte. 2009 hatte er eine hartnäckige Sprunggelenksverletzung, wurde 2010 an der Schulter und 2012 am Knie (eingerissener Innenmeniskus) operiert.

Wiederkehrende heftige Schmerzen im Rücken hatte er diesmal seit Dezember. Mit einer Mischung aus Physiotherapie, Spritzenkur und dosiertem Tischtennistraining ging es mal besser, mal schlechter. Im Interview erzählt er, wie schwierig die Zeit für ihn war und warum er so sicher ist, dass er auch diesmal wieder zurückkommen wird.

Du absolvierst in Düsseldorf gerade eine ambulante Reha. Wie ist dein Programm?
Steffen Mengel:
Die Physiotherapie soll bis Anfang Juni weitergehen. Dann hoffe ich, dass ich langsam wieder mit dem Tischtennis beginnen kann.
Die Bundeswehr hat mir außerdem angeboten, zu einem späteren Zeitpunkt – weil das dann mehr Sinn macht – für zwei Wochen in Warendorf eine konditionelle Vorbereitung zu machen und jemanden abzustellen, der sich nur um mich kümmert. Das ist ein Aufbauprogramm ohne Tischtennis für den gesamten Körper.

Wie sind deine Fortschritte bisher seit der Operation?
Mengel:
Mir geht es gut. Ich bin endlich schmerzfrei. Das ist die beste Nachricht überhaupt. Alles andere ist noch schwer zu sagen. Es gibt kein 100-prozentig festgelegtes Therapiekonzept, das hat auch mein Operateur gesagt - Prof. Dr. Christoph Siepe -, weil es bei jedem unterschiedlich lange dauert, bis sich so ein Nerv erholt. Ich bin mit ihm immer noch im regelmäßigen Kontakt und berichte, wenn es Fortschritte und Rückschläge gibt. Er ist davon überzeugt, dass ich wieder komplett gesund werde. Auch dass er sich so sicher ist, hilft mir sehr.
Im Moment mache ich vor allem Stabilisationsübungen, gehe auch aufs Ergometer und es kommen immer mehr Rotationssachen dazu. Und jeden Tag gehe ich ungefähr anderthalb Stunden spazieren. Ich muss in mich hineinhorchen und dann entsprechend die Belastung erhöhen oder reduzieren.

Bist du der Typ dafür, der gut in sich hineinhorchen kann?
Mengel:
Das Hineinhorchen fällt mir relativ schwer. Aber es muss einfach sein. Der Nerv muss sich regenerieren. Ist er gereizt, muss man runterfahren. Fühlen sich die Übungen gut an, kann man steigern. Bei jeder kleinen Bewegung überlegt man: Ist das Muskelkater durch die Belastung oder ist der Nerv gereizt? Ich glaube, das merkt man erst richtig, wenn man laufen war, Drehungen macht, wieder richtig Tischtennis trainiert hat.
Ich probiere, mich selbst du bremsen. Das ist nicht immer einfach. Bisher sagen aber alle, dass ich auf einem guten Weg bin.

Eine Operation am Rücken kann einen Leistungssportler unter Umständen die Karriere kosten. Wie schwer hast du dir Entscheidung gemacht?
Mengel:
Sehr schwer. Im Rückblick habe ich viel zu lange damit herumgemacht, und irgendwann war der Nerv chronisch gereizt.
Nach der Spritze war der Schmerz komplett weg, unter Belastung ist er aber zurückgekommen. Ich habe immer gedacht, probiere noch dies und dann das. Ich wollte unbedingt in der Bundesliga spielen und auf der World Tour. Komm, du machst ein bisschen langsamer und dann geht’s vielleicht, dachte ich. Ich habe mir immer neue Ziele gesetzt. Aber dann ich habe gemerkt, dass ich es ohne OP wohl nicht hinkriege.
Das Operieren war besser als eine lange Pause zu machen, ohne zu wissen, ob sich das Problem durch das Warten überhaupt löst. Die endoskopischen Operationen werden besser und besser; die Erfolgszahlen sind ganz gut. Ich habe jetzt eine Fünf-Millimeter-Narbe. Die Risiken sind bei weitem nicht so groß wie eine OP am offenen Rücken.

Ein Restrisiko ist geblieben, wie bist du damit umgegangen?
Mengel:
Nach der langen Zeit und den Schmerzen blieb mir nicht viel anderes übrig. Klar gibt es in der Medizin keine 100-prozentige Garantie. Aber in der Klinik in München, in der ich war, haben sie sehr hohe Erfolgsquoten bei dieser Operationstechnik. Sie haben auch Erfahrungen mit Leistungssportlern, haben schon Leute wie Severin Freund (den Skispringer, Anmerkung der Redaktion) und Ilkay Gündogan (Fußball-Nationalspieler) operiert. Die machen 2.000 Bandscheiben-Operationen pro Jahr. Da habe ich mich gut aufgehoben gefühlt. So etwas hilft sehr, wenn man sich schon für einen OP entscheidet.

Wann hast du das letzte Mal Tischtennis gespielt?
Mengel:
Das war Mitte März beim Bundesliga-Spiel gegen Fulda. Da habe ich mich aber nur hingestellt. Das letzte Mal trainiert habe ich Anfang März.

Wie schafft man es als Leistungssportler mit einer so langen Pause und bei wiederkehrenden Schmerzen nicht durchzudrehen? Hast du zwischenzeitlich auch mal ans Karriereende gedacht?
Mengel:
Ja, natürlich. Wenn man die ganze Zeit diese Problematik hat, muss man ehrlich sagen, dass es einem nicht immer gut geht und man nicht jede Nacht durchschläft. Man hat Schmerzen, man weiß nicht, was man machen soll. Ich habe probiert, mir meinen Lebensmut nicht nehmen zu lassen. Ich hatte fünf schwere Verletzungen, es war jetzt meine dritte Operation, und ich bin wieder der festen Überzeugung, dass ich mich zurückkämpfen werde.
Aber wenn du Schmerzen hast und viel Zeit zum Nachdenken, kommen auch solche Gedanken wie das Karriereende hoch. Es gibt viele Ängste, die man in sich trägt. Man muss versuchen, sich abzulenken. Nach der OP durfte ich vier Wochen gar nichts machen. Nachdem die Fäden gezogen waren, habe ich überlegt, was ich machen soll. Zwei Wochen Urlaub waren das einzige, was sinnvoll war. Das war aber ein komisches Gefühl. Sonst mache ich Urlaub im Sommer nach der Bundesliga und den Turnieren in Asien. Das fühle sich dann an wie ein verdienter Urlaub, weil man vorher kaum ein Wochenende frei hat.
Jetzt geht man in den Urlaub, weil man sonst nichts anderes machen kann. Man darf sich nur ausruhen. Dann fährt man halt irgendwie in die Sonne. Das war für meinen Kopf das Beste, was ich machen konnte, auch wenn es sich anfühlte, als hätte ich es nicht verdient.

Wie hast du die übrige Zeit verbracht?
Mengel:
Das ist auch so eine Sache. Es ist auf einmal so viel Zeit da, die man sonst nie hatte. Ich habe Eltern, Familie und Freunde in der Heimat besucht. Das sind Sachen, für die man sonst nicht so viel Zeit hat, wenn man im Training und bei Turnieren ist. Ich habe ein bisschen gelesen und bin viel spazieren gegangen an der frischen Luft im Park hier in Düsseldorf oder am See. Man muss bei dem schönen Wetter rausgehen! Meine Freundin Daniela unterstützt mich die ganze Zeit über sehr. Mit ihr mache ich zum Beispiel die ganzen Spaziergänge zusammen, und wir reden ganz viel miteinander. Sie spricht mir in den Situationen Mut zu, in denen es nicht so gut läuft. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar.

Warst du auch ab und zu mal im DTTZ und hast die Kollegen besucht oder hast du das gerade mit Absicht vermieden?
Mengel:
Das DTTZ habe ich komplett gemieden. Es ist schwer, wenn man verletzt ist und sieht die anderen trainieren. Außerdem wirst du an jeder Ecke angesprochen, wie es geht, wann du wieder trainieren kannst. Nicht nur von den Spielern, auch von den Mitarbeitern und Besuchern. So etwas ist für mich nicht einfach, weil ich ja nicht mal selbst wusste, wann es wie weitergeht.

Warst du aus der Ferne mit deinen Nationalteamkollegen im Kontakt?
Mengel:
Von meinen Teamkollegen hat sich nahezu jeder mal erkundigt, wie es mir geht, hat mir vor der OP Glück gewünscht und nach der OP gefragt, wie es war. Wir waren da schon im Austausch, aber die hatten dann ja auch die WM in Schweden und vorher die Vorbereitung darauf.

Mit welchem Gefühl hast du die Spiele in Halmstad verfolgt?
Mengel:
Wenn du nicht nominiert wurdest und selbst fit bist, dann bist zu enttäuscht, dass du nicht dabei bist. Im verletzten Zustand die WM anzugucken, war nochmal anders.

Vor Ort war fast jeder Mal verletzt. Da hättest du doch eigentlich gut ins Team gepasst…
Mengel:
Das stimmt, aber ich wäre der einzige gewesen, der – anders als die anderen – nicht wieder hätte einsteigen können.

Spaß beiseite, wie gehst du mit der Verletzungspause um?
Mengel:
Man muss versuchen, sich mit der Situation anzufreunden. Man muss sich damit arrangieren, nach vorne gucken. Wenn man sich das Kreuzband reißt, weiß man, dass man nach sechs Monaten wieder loslegen kann. Da hast du einen konkreten Plan, an den du dich halten kannst. Bei meiner Schulterverletzung war das schon so ähnlich wie jetzt. Waren die Schmerzen da, habe ich eine Pause gemacht, Tabletten und Spritzen bekommen und war zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Ich habe angefangen zu trainieren und nach zwei Übungen abgebrochen, wenn die Schmerzen zurückkamen, und wieder pausiert. Ein sehr unbefriedigender Zustand. Man konnte nie abschätzen, wann man wieder voll belastbar ist. Das ist für mich schwieriger, als wenn es einmal kracht und weiß: Jetzt hat man so und so lange Pause.

Hast du dir von jemandem Tipps geholt, wie du mit so einer Verletzung umgehen kannst?
Mengel:
Ich habe schon Erfahrung damit und bin bisher immer zurückgekommen. Diesbezüglich brauche ich keine Tipps mehr.

Welchen Tipp kannst du anderen in so einer Situation geben?
Mengel:
Für mich war es gut, im Urlaub abzuschalten. Außerdem habe ich in der Heimat meine Eltern besucht und Freunde, die mit Tischtennis nichts am Hut haben. Das hilft, auf andere Gedanken zu kommen.

Wie sehr vermisst du Tischtennis?
Mengel:
Ich vermisse es sehr. Ich liebe den Sport. Mir fällt es nicht schwer, in die Halle zu gehen und zu trainieren. Es ist nicht nur ein Beruf, ich habe richtig viel Spaß dabei: an der Herausforderung, am Training, den immer neuen Aufgaben bei den Spielen. Wenn man das so lange nicht ausüben kann, fällt das schwer. Wenn man nicht spielen kann, auf der Bank sitzt und sieht, wie sich andere bewegen... Wenn ich die Bewegungen der anderen jetzt machen würde, wäre mir der Rücken schon abgefallen. Da schmerzt es schon beim Zusehen.

Hast du Respekt vor der Quälerei, die auf dich auf dem Weg zurück zukommt?
Mengel:
So ein richtig harter Konditionslehrgang ist eher Anreiz für mich als ein Schocker. Ich quäle mich eher zu viel als zu wenig, dadurch hatte ich vielleicht in meiner Karriere die eine oder andere Verletzung zu viel. Aber das hat mich auf der anderen Seite ausgezeichnet. Dadurch habe ich das erreicht, was ich bisher erreicht habe.

Wie geht es für dich weiter, falls mit der Reha alles gut läuft?
Mengel:
Ich werde den ganzen Sommer durchtrainieren. Mein Ziel ist, im Sommer wieder topfit zu sein und in der neuen Saison dann in die Bundesliga einzusteigen. Wenn ich wieder fit bin, kann ich voll angreifen.
An dieser Stelle geht noch ein großes Dankeschön an meinen neuen Verein, Post SV Mühlhausen. Sie haben mir dort gesagt, dass sie mir alle Zeit der Welt geben, um wieder gesund zu werden. Meine Verletzung hat für sie bei meinem Wechsel keine so große Rolle gespielt. Sie haben gesagt, dass sie mich schon lange kennen und schätzen und sicher sind, dass ich auch diesmal wieder zurückkommen werde. Ich freue mich sehr über diese hohe menschliche Wertschätzung, die sie mir entgegen bringen. Auch das ist mir eine große Hilfe auf dem Weg zurück.

Hast du ein konkretes Ziel für dein Comeback?
Mengel:
Mein großes Ziel ist, komplett fit und schmerzfrei zu sein, damit ich im Training alles geben und mich im Spiel weiter verbessern kann. Dann ist noch vieles möglich. Man tut sich keinen Gefallen, wenn man in meinem Zustand ein genaues Ziel definiert.

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