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Winfried Stöckmann (Dritter von links) im Kreise der DTTB-Medienmacher bei den German Open 2011, ganz rechts: DTTB-Ehrenpräsident Hans Wilhelm Gäb (Foto: DTTB)
Der umtriebige Journalismus-Autodidakt ist mit 90 Jahren nur noch Leser: Kollegen und Leser vermissen ihn

„Stöcki“ wird 90

SH 07.05.2022

Essen. „Stöcki“ ist konsequent. Eigentlich ist dies eine Tugend, in Zusammenhang mit seinem Ehrenamt aber mehr als bedauerlich. Winfried Stöckmann hat im Alter von 89 Jahren beschlossen, keine Beiträge mehr zu schreiben. Nicht mehr für den Deutschen Tischtennis-Bund, der ihn als Autor vor allem der jährlichen Chronik und für Rückblicke schmerzlich vermisst und nicht mehr für die Tageszeitungen in und um seinen Heimatort Essen herum, den er mit Geschichten von den Tischtennis-Kreismeisterschaften bis zum WM-Bronze-Jubiläum des Ehepaars Schöler mit der ganzen Bandbreite unseres Sports bedient hat. Damit ist jetzt Schluss. Und für uns Anlass zu einem Rückblick.

Für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung und die Neue Ruhr Zeitung hat der „Herr der Zeilen“, wie seine WAZ-Kollegen in der Essener Lokalsportredaktion ihn in der Schlagzeile zu seinem Ausstand im vergangenen Dezember genannt haben, 68 Jahre gearbeitet. Er war stets freier Mitarbeiter, aber immer zur Stelle, wenn es um seinen Lieblingssport ging. Das galt auch für seinen Heimatverein DJK Adler Frintrop, heute Adler Union, den Kreis Essen, den WTTV und den DTTB.

Mann für alle Fälle im Tischtennis

Zu Beginn seiner journalistischen Tätigkeit hat er auch technischen Widrigkeiten getrotzt. „In den ersten Jahren musste ich mir aufgrund der baulichen Gegebenheiten mit meinem Nachbarn einen Telefonanschluss teilen. Deshalb musste ich ihn bitten, sonntagnachmittags nicht die Leitung zu blockieren“, erinnerte sich Stöckmann in einem Beitrag über ihn auf myTischtennis.de. „Denn darüber wurden mir im Zeitalter vor click-TT ja die Ergebnisse durchgegeben und ich musste teilweise noch die Tabellen selbst schreiben.“

Im richtigen Leben war er Industrie-Kaufmann bei einem Bergbauunternehmen. „Dieser Beruf ist vor allem zum Geldverdienen gewesen“, sagt Stöckmann. „Im Hinterkopf war immer der Sport.“ Der war mehr als nur im Hinterkopf. Tischtennis war seine Passion, und in dieser war der Bezirksklassenspieler nicht nur als Autor tätig, sondern in jeder Funktion, in der im Vereins- und Verbandsleben gute Leute gefragt waren.

Bei der DJK Adler Frintrop etwa war er auch als Abteilungsleiter (1950-1954 und 1970-1996), dessen Stellvertreter (1954-1970), Kassenwart (1955-2006) und Geschäftsführer (ab 1996) immer an vorderster Front. 66 Jahre war er der Pressewart des Tischtenniskreises Essen, außerdem stellvertretender Kreisvorsitzender und WTTV-Pressewart. Im Jahr 2019 ernannte der WTTV ihn wegen seiner vielfältigen Verdienste zum Ehrenmitglied. Im Jahr 2000 schon hatte er das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten.

Akribischer Datensammler mit gefälligem Schreibstil

Sein Einstieg in den Journalismus war eher zufällig. Als die Jugend-Mannschaft seines Vereins, die der ehemalige Bezirksklassen-Akteur betreute, den Titel bei den Bezirksmeisterschaften gewinnen konnte, berichtete er über das Ereignis. Der Beitrag erschien im Magazin „deutscher tischtennis-sport“ (heute: „tischtennis“). Das war im Jahr 1952. Daraus entwickelte sich die ehrenamtliche Mitarbeit in der Redaktion. Nach ebenso regelmäßigen wie thematisch breit gefächerten Beiträgen in den kommenden zwei Jahrzehnten bekam er in den 70er-Jahren sogar seine eigene Kolumne mit dem Titel „Erlebt, erlauscht – kritisch gesehen“ bei den „Berichten aus Westdeutschland“. Auch heute noch, nach Jahrzehnten der journalistischen Arbeit und Tausenden Artikeln, betont er, er sei Autodidakt und sagt, „mir fehlt jedes journalistische Rüstzeug zum eigentlichen Beruf.“ Der Qualität seiner Texte und Güte seiner Recherchen tat das keinen Abbruch. Akribisch sammelte er Fakten und Daten, hatte einen äußerst gefälligen und sehr verständlichen Schreibstil und kommentierte mit Mut zur Meinung, wo es angebracht war.

Er erfand und führte von 1988 bis 2010 die bundesweite Mitgliederstatistik, die auch heute intern immer noch als „Stöckmann-Statistik“ parallel zu den DOSB-Daten erhoben wird. Er war Autor der umfangreichen Texte zu „40 Jahre Damen-Bundesliga“ (2014) und “Deutsche Pokalmeisterschaft der Damen” (2015). Er pflegte Siegerlisten zu zahlreichen Veranstaltungen. Wenn es galt, verschollene Ergebnisse ausfindig zu machen, war Stöckmann mit seiner Sorgfalt und seinem großen Privatarchiv der richtige Mann. Daneben schrieb er jährlich die DTTB-Chronik fort, zunächst im Hand- und Jahrbuch des DTTB, inzwischen auf der DTTB-Website. Die über das Jahr 2021 soll seine letzte sein, hatte er schon vor der Abgabe des Texts angekündigt.

Altwerden ist nichts für Feiglinge

Winfried Stöckmann ist längst nicht mehr das, was man auch nur im Ansatz gut zu Fuß nennt, hatte seine Wohnung schon lange Zeit nicht mehr verlassen können und lebt nun seit einigen Monaten in einem Altenheim. „Das Altern ist kein reines Vergnügen“, hat er seinen WAZ-Kollegen erzählt. Das ist gelinde formuliert.

"Wir haben uns mehr darum bemüht, den Menschen zu helfen, ein hohes Alter zu erreichen, als ihnen zu helfen, es zu genießen“, hat US-Drehbuchautor Frank Howard Clark mal gesagt und trifft damit den Kern. Im Alter, vor allem im hohen, wird es einsam. Die erzwungene Gemeinschaft in einem Heim ist längst nicht jedermanns Sache. Wer es 89 Jahre lang nicht genossen hat, im Kreise unbekannter alter Menschen Bingo zu spielen, wird zu vorgerückter Stunde des Lebensabends kaum seine Leidenschaft dafür entdecken.

Winfried Stöckmann ist genügsam, und sein Kopf funktioniert tadellos. Seinen Laptop hat er beim Umzug mitgenommen, kann sich über seinen Sport und das Weltgeschehen informieren, rätselt und liest. Und telefoniert ab und zu mit dem einen oder anderen Weggefährten aus der Tischtennis-Familie, aus der hoffentlich nicht nur am Sonntag ganz viele an ihn denken werden. Einer von ihnen ist DTTB-Ehrenpräsident Hans Wilhelm Gäb, der mit „Stöcki“ seit Langem telefonischen Kontakt hält: „Winfried hat mich über sechs Jahrzehnte meines Tischtennis-Lebens begleitet, und ich habe selten einen Menschen kennengelernt, der mich mit seiner Liebe zu unserem Sport und seinem unbeirrbaren Gefühl für Anstand und Haltung im Sport und im Leben ähnlich beeindruckt hätte."

Alles Gute zum 90. Geburtstag, lieber Winfried. Und melde dich immer, wenn dir danach ist!

Wer mit ihm in Kontakt treten möchte, kann sich an die Autorin wenden: Simone Hinz, hinz.dttb@tischtennis.de.

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