Durban. Der zweite harte, diagonale Vorhand-Topspin in die tiefe Vorhand ihrer Gegnerin saß. Olympiasiegerin Chen Meng, gerade noch auf dem Weg zurück zur Mitte aus der Vorhandseite, verpasste den Ball um wenige Zentimeter. Sun Yingsha hatte damit ihren ersten Matchball im ICC Durban verwandelt, sie ging in die Knie, ließ sich von dort auf den Rücken rollen und verharrte einige Sekunden, die Siegerfaust über ihrem Gesicht geballt, auf dem Boden liegend. Die Sieger-Choreographie ähnelte der vor zwei Jahren in Houston, nur war es damals Suns Doppelpartnerin Wang Manyu, die in sechs Sätzen über Sun triumphiert hatte.
Nach dem Aufstehen folgte eine ehrlich gemeinte Umarmung von beiden Seiten zwischen den Teamkolleginnen. Chen Meng hatte diesen Einzel-Titel nach Silber in Budapest 2019 und Bronze in Houston ebenso bedingungslos haben wollen wie Sun. „Vielleicht haben wir ihre letzte Chance gesehen, diesen Titel zu gewinnen“, sagte Livestream-Kommentator Adam Bobrow über Chen Meng, die vor genau zehn Jahren ihre erste WM für China spielte. Jetzt ist Chen 29.
Ihr gehören Gegenwart und Zukunft: Sun Yingsha
Der knapp sieben Jahre jüngeren Sun Yingsha gehört nicht nur die Zukunft, sondern auch längst die Gegenwart. Weltweit ist sie die technisch kompletteste Spielerin mit einer hohen Variabilität, enormen Power und einer für ihr junges Alter bereits sehr abgeklärten Ruhe am Tisch und großen Spielübersicht, wie Deutschlands Damen-Bundestrainerin Tamara Boros beschreibt.
Den ersten Satz im WM-Finale dieser zweiten WM der Geschichte auf dem afrikanischen Kontinent aber sicherte sich Chen Meng, die erst beim Stand von 7:2 ihren ersten Aufschlag nicht durchbrachte und Sun bis zum Ende des Durchgangs lediglich zwei Punkte insgesamt auf ihr Service überließ, darunter einen Fehlaufschlag. Chen punktete mit Tempowechseln innerhalb eines Ballwechsels und wechselnden Platzierungen, die Sun über den kompletten Tisch beschäftigten. Dem überzeugenden Auftritt der Älteren folgte eine besser präparierte Sun nach der Satzpause, die selbst gefährlicher aufschlug – auch mal halblang und lang –, Chens Service besser returnierte und aufgrund ihrer immensen Durchschlagskraft ihre Vorteile in den Rallyes ausspielen konnte. Mit 3:1 in Sätzen setzte sich Sun ab. Durchgang fünf sicherte sich noch einmal die wie Zhang Jike in Qingdao geborene Chen, aber letztlich war die Sache klar. Mit 11:6 im Sechsten machte die topgesetzte Sun ihren ersten Einzel-Titelgewinn perfekt. Im ICC Durban ist es ihr zweites Gold nach dem Triumph im Mixed an der Seite von Wang Chuqin am Freitag. Im Doppel gewann sie zusammen mit Wang Manyu die Bronzemedaille.
„Wir haben beide 100 Prozent gegeben. Ich bin sehr glücklich, dass ich die Weltmeisterin geworden bin“, kommentierte die Bezwingerin von Deutschlands Bester, Ying Han, im Viertelfinale. Auf die Frage, was nach diesem Titel in den folgenden Veranstaltungen für sie noch kommen könnte, antwortete die 22-Jährige. „Ich möchte in jedem Spiel meine beste Leistung abrufen können. Das ist es, was mich bei jedem Turnier antreibt.“
Ma Longs Dankesworte klangen wie eine Abschiedsrede
Der im Einzel-Halbfinale der Herren Wang Chuqin in fünf Sätzen unterlegene Ma Long wurde in der Pause zwischen dem Damen- und Herren-Einzel-Endspiel für sein WM-Triple der Jahre 2017, 2019 und 2021 geehrt. Aus den Händen des stellvertretenden ITTF-Präsidenten Liu Guoliang erhielt er eine Nachbildung der St. Bride Vase für den Einzel-Weltmeister. Der im Tischtennis the G.O.A.T Genannte, "Greatest of all time", hielt im Anschluss eine emotionale und auch die vielen Fans in der Halle und an den heimischen Bildschirmen bewegende Dankesrede auf Chinesisch und Deutsch, die nach Abschied klang.
"Als ich jung war, hätte ich niemals gedacht, dass ich eines Tages eine solche Trophäe bekommen würde. Es ist eine große Ehre für mich", sagte der 34-jährige Olympiasieger, Weltmeister und World-Cup-Sieger. Er dankte seinem Vaterland, „unserem großartigen Team“, seiner Familie und Freunden und „meinen Fans, die mich alle immer inspirieren, unterstützen und mich zu einem besseren Spieler haben werden lassen. Ich danke auch meinen Gegnern, ohne die es niemals so wundervolle Spiele gegeben hätte. Zu guter Letzt hoffe ich, dass ganze viele Menschen Tischtennis spielen werden". Mit einem Dank auch an Südafrika und Durban beendet Ma Long seine Ansprache.
Damen-Einzel, Finale, Sonntag
Sun Yingsha CHN - Chen Meng CHN 4:2 (-5,8,7,7,-7,6)
Halbfinale am Samstag
Sun Yingsha CHN - Hina Hayata JPN 4:1 (4,5,8,-5,8)
Chen Meng CHN - Chen Xingtong CHN 4:1 (-5,11,12,6,7)
Herren-Einzel, Finale
Fan Zhendong CHN - Wang Chuqin CHN 4:2 (-8,9,7,10,-11,3)
Halbfinale
Wang Chuqin CHN - Ma Long CHN 4:1 (9,8,3,-6,7)
Fan Zhendong CHN - Liang Jingkun CHN 4:2 (5,-7,10,7,-8,8)